Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14.12.2023 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die 1965 geborene Klägerin begehrt eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der beklagte Rentenversicherungsträger lehnte ihren Rentenantrag vom 13.11.2019 ab, nachdem er ein Gutachten beim Internisten und Rheumatologen L eingeholt hatte(Bescheid vom 3.1.2020, Widerspruchsbescheid vom 22.10.2022) . Im Klageverfahren hat das SG ua den Entlassungsbericht der Rehaklinik Ü in I vom 27.2.2019 und denjenigen der A Klinik vom 11.10.2019 beigezogen sowie ein Gutachten des Facharztes für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie, Neurologie und Psychiatrie H vom 30.6.2021 eingeholt. Auf Antrag der Klägerin hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie S auf der Grundlage einer Untersuchung am 21.7.2022 unter dem Datum 15.3.2023 ein Gutachten erstellt. Das SG hat die Beklagte zur Gewährung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes für Juni 2020 bis Mai 2023 verurteilt(Urteil vom 21.7.2023) . Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen(Urteil vom 14.12.2023) . Die Klägerin sei im streitbefangenen Zeitraum in der Lage gewesen, unter Beachtung qualitativer Einschränkungen zumindest leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Das ergebe sich maßgeblich aus dem Gutachten des Sachverständigen H. Das Gutachten des Sachverständigen S sei schon nicht im Wege des Sachverständigenbeweises verwertbar, weil zwischen der Untersuchung der Klägerin und der Gutachtenvorlage ein Zeitraum von fast acht Monaten gelegen habe. Zu verwerten seien lediglich die im Gutachten dokumentierten Befunde im Wege des Urkundsbeweises. Aus dem vom Sachverständigen S mitgeteilten psychopathologischen Befund ergebe sich indes keine wesentliche Änderung gegenüber dem Vorbefund.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt, die sie mit Schriftsätzen vom 13.3.2024 und 15.3.2024 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen. Sie wird nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet.
a) Die Klägerin legt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht hinreichend dar. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund gestützt, muss dargetan werden, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht(§ 162 SGG ) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen(stRspr; vgl zBBSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN;BSG Beschluss vom 22.12.2022 - B 5 R 119/22 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 42 RdNr 5) . Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Ihr lassen sich folgende Fragen entnehmen:
"Ist die Vorschrift des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren unmittelbar oder analog auch für ärztliche Gutachten anwendbar?"
"Muss die zeitliche Befristung des Erinnerungsvermögens eines medizinischen Gutachters den gleichen zeitlichen Beschränkungen unterliegen wie die zeitliche Befristung des Erinnerungsvermögens eines Richters bei der schriftlichen Abfassung eines Urteils, also in einer Befristung von 5 Monaten nach§ 520 Abs. 2 S. 1 ZPO ?"
"Macht ein Zeitraum von 7-8 Monaten zwischen der medizinischen Begutachtung eines Rentenantragstellers und der Vorlage des medizinischen schriftlichen Gutachtens bei Gerichts dieses unverwertbar?"
Es sei dahingestellt, ob damit trotz des Einzelfallbezugs aus sich heraus verständliche abstrakte Rechtsfragen zur Auslegung, zur Anwendbarkeit oder zur Vereinbarkeit revisibler (Bundes-)Normen mit höherrangigem Recht formuliert sind, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte(vgl zu dieser Anforderung zB Beschluss vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15;BSG Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 5 ; jeweils mwN) . Die Klägerin versäumt es jedenfalls, die Klärungsbedürftigkeit der Fragen hinreichend darzulegen(vgl zu den diesbezüglichen Darlegungsanforderungen zBBSG Beschluss vom 8.1.2024 - B 5 R 71/23 B - juris RdNr 8 mwN) . Ihr pauschales Vorbringen, die aufgeworfenen Rechtsfragen seien bislang nicht höchstrichterlich entschieden worden, genügt insoweit nicht. Es hätte nahe gelegen, auf die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27.4.1993(GmS-OGB 1/92 - SozR 3-1750 § 551 Nr 4) einzugehen, auf die das LSG seine Position zur grundsätzlichen Unverwertbarkeit nicht termingerecht erstellter Gutachten stützt. Ebenso wenig untersucht die Klägerin, ob sich Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfragen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den (Mindest-)Anforderungen, die an ein wissenschaftlich begründetes Sachverständigengutachten zu stellen sind, ergeben(vgl zBBSG Urteil vom 1.3.1984 - 9a RV 45/82 - juris RdNr 12 ;BSG Urteil vom 7.5.2019 - B 2 U 25/17 R - BSGE 128, 78 = SozR 4-2700 § 200 Nr 5, RdNr 14;BSG Beschluss vom 22.12.2021 - B 5 R 175/21 B - juris RdNr 7 ; vgl auch Ziff 4.9 der AWMF-Leitlinie "Allgemeine Grundlagen der medizinischen Begutachtung", Überarbeitungsstand: 01/2019, wonach eine zu lange Zeit zwischen Untersuchung und Gutachtenabfassung die Aussagekraft des Gutachtens in Frage stellen kann) .
Mit ihrem Vorbringen, in sozialgerichtlichen Verfahren seien Zeiträume von mehreren Monaten zwischen Untersuchung und Gutachtenerstellung durchaus üblich und würden der Wertigkeit und Verwertbarkeit des vorgelegten Gutachten nicht entgegenstehen, wendet die Klägerin sich im Kern gegen die Beweiswürdigung des LSG. Gleiches gilt für ihre Ausführungen zu dem nach ihrem Dafürhalten unzureichenden Gutachten des Sachverständigen H. Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann jedoch nicht auf eine vermeintliche Verletzung der Grenzen der freien Beweiswürdigung durch die Vorinstanz(vgl§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) gestützt werden(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ; vgl hierzu zBBSG Beschluss vom 8.1.2024 - B 5 R 123/23 B - juris RdNr 5 ;BSG Beschluss vom 6.11.2023 - B 2 U 1/23 B - juris RdNr 6 ) . Diese gesetzliche Einschränkung lässt sich nicht umgehen, indem wegen der vermeintlich fehlerhaften Beweiswürdigung als Revisionszulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht wird(vgl zBBSG Beschluss vom 29.4.2020 - B 5 R 238/19 B - juris RdNr 7 ;BSG Beschluss vom 22.3.2021- B 13 R 10/20 B - juris RdNr 7 ) .
b) Ebenso wenig wird eine Divergenz(Zulassungsgrund nach§ 160 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGG ) anforderungsgerecht dargetan. Divergenz liegt vor, wenn der angefochtenen Entscheidung ein abstrakter Rechtssatz zugrunde liegt, der von einem zu derselben Rechtsfrage entwickelten abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, und die angefochtene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist in der Beschwerdebegründung im Einzelnen darzulegen. Hierzu sind die betreffenden Rechtssätze einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des Berufungsgerichts auf der Abweichung beruht(stRspr; vglBSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17;BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 13) . Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz(stRspr; zBBSG Beschluss vom 7.7.2022 - B 5 R 87/22 B - juris RdNr 5 mwN) . Den daraus abgeleiteten Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin trägt vor, das LSG sei vom Urteil des BSG vom 11.12.2019( B 13 R 7/18 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 25) abgewichen. Danach liege eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auch dann vor, wenn mehrere auf den ersten Blick gewöhnliche Leistungseinschränkungen sich aufgrund ihres Zusammentreffens insgesamt ungewöhnlich auswirken würden, sodass die Chance, einen Arbeitsplatz ausfüllen zu können, ebenso stark reduziert erscheine wie bei einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung(aaO RdNr 37) . Der Beschwerdebegründung lässt sich schon nicht entnehmen, welche hiervon abweichenden, abstrakten tragenden Rechtssätze dem LSG zugeschrieben werden. Dass das LSG ausdrücklich einen divergierenden Rechtssatz aufgestellt habe, behauptet die Klägerin nicht. Ebenso wenig legt sie nachvollziehbar dar, dass sich ein divergierender Rechtssatz unzweifelhaft aus den Ausführungen im Berufungsurteil ableiten lasse und dass das LSG den Rechtssatz als solchen auch tatsächlich vertreten wollte(vgl zur den Anforderungen an die Darlegung eines konkludent aufgestellten Rechtssatzes zBBSG Beschluss vom 13.7.2023 - B 1 KR 25/22 B - juris RdNr 10 mwN) . Die Klägerin wendet sich im Kern gegen die Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall, indem sie vorbringt, das LSG habe im angegriffenen Urteil die Wertungsmaßstäbe für das Vorliegen eines Summierungsfalls nicht erkannt bzw nicht hinreichend gewürdigt und sich insbesondere nicht mit ihrer Multimorbidität auseinandergesetzt. Gleiches gilt für ihr Vorbringen, ihr hätte eine geeignete Verweisungstätigkeit benannt werden müssen, weil sich die bei ihr vorliegenden Leistungseinschränkungen gegenseitig verstärken würden.
Ebenso wenig ist eine Divergenz anforderungsgerecht dargetan, soweit die Klägerin sich auf das Urteil des BGH vom 9.7.2009( IX ZR 197/08 )bezieht. Sie trägt vor, nach dieser Entscheidung unterliege ein innerhalb der Höchstfrist von fünf Monaten abgesetztes und vollständig zur Geschäftsstelle gelangtes, aber verspätet zugestelltes erstinstanzliches Urteil nicht zwingend der Aufhebung(juris RdNr 10) . Mit der bloßen Behauptung, die Ausführungen im angefochtenen Urteil würden hiervon abweichen, versäumt sie es aber auch insoweit hinreichend aufzuzeigen, welchen divergierenden abstrakten Rechtssatz das LSG aufgestellt habe.
Soweit die Klägerin unter Beschreibung ihrer krankheitsbedingten Beeinträchtigungen und ihrer Medikation vorbringt, sie habe Anspruch auf die begehrte Rente, macht sie eine inhaltliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend. Hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein nicht gestützt werden(stRspr; vgl zBBSG Beschluss vom 19.1.2022 - B 5 R 199/21 B - juris RdNr 15 mwN) .
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von§ 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16468975 |