Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkung der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Einem oder für einen Beteiligten kann nach dessen Tode im Regelfall Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden.
Orientierungssatz
Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wirkt im Regelfall nicht zurück. Maßgebend ist der Zugang des Beschlusses, durch welchen dem antragstellenden Beteiligten Prozeßkostenhilfe bewilligt und ggf ein Rechtsanwalt beigeordnet wird (vgl BGH vom 6.12.1984 - VII ZR 223/83 = NJW 1985, 921). Das kann jedoch nur dann gelten, wenn das Gericht auch bei einem ordnungsgemäßen unverzüglichen Geschäftsgang die Prozeßkostenhilfe nicht zu einem früheren Zeitpunkt hätte bewilligen können. Ist dies hingegen der Fall, so muß die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe auf den Zeitpunkt zurückwirken, zu dem ein bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang erlassener Bewilligungsbeschluß dem antragstellenden Beteiligten hätte zugehen können.
Normenkette
SGG § 73a Abs 1 S 1; ZPO §§ 114, 119
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 06.02.1987; Aktenzeichen L 14 An 103/86) |
SG Detmold (Entscheidung vom 18.03.1986; Aktenzeichen S 13 An 247/83) |
Gründe
In dem Rechtsstreit der Beteiligten um die Zulässigkeit der Verrechnung von Forderungen der Beigeladenen gegen den Kläger mit dessen Ansprüchen auf Altersruhegeld gegen die Beklagte hat der Kläger gegen das seinem damaligen Prozeßbevollmächtigten am 20. März 1987 zugestellte Urteil des Landessozialgerichts (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. März 1987 am 16. April 1987 Revision eingelegt und die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe beantragt. Die Beigeladene hat ebenfalls Revision eingelegt. Nach entsprechender Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist hat der Kläger mit dem am 20. Juli 1987 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom 17. Juli 1987 seine Revision begründet und zugleich Prozeßkostenhilfe zur Verteidigung gegen die Revision der Beigeladenen erbeten. Am 22. Juli 1987 ist der Kläger verstorben.
Der noch zu seinen Lebzeiten gestellte Antrag auf Prozeßkostenhilfe ist abzulehnen. Diese Leistung kann nachträglich weder für die vom Kläger eingelegte Revision noch zur Verteidigung gegen die Revision der Beigeladenen bewilligt werden.
Nach § 122 der Zivilprozeßordnung (ZPO) in seiner bis zum 31. Dezember 1980 geltenden Fassung (= aF) ist das damals noch so bezeichnete "Armenrecht" mit dem Tode der Person erloschen, der es bewilligt worden ist. Die ab 1. Januar 1981 geltenden und im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren (§ 73a Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) Vorschriften über die Prozeßkostenhilfe (§§ 114 ff ZPO) in der am 1. Januar 1981 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes über die Prozeßkostenhilfe vom 13. Juni 1980 (BGBl I S 677) enthalten eine dem § 122 ZPO aF entsprechende Regelung nicht mehr. Dennoch gilt sie der Sache nach fort mit der Folge, daß die Prozeßkostenhilfe als eine an die spezielle Situation des Begünstigten geknüpfte höchstpersönliche Berechtigung mit dem Tode des hilfsbedürftigen Beteiligten endet (vgl Oberlandesgericht -OLG- Frankfurt NJW 1985, 751 = MDR 1985, 238; Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl 1987, § 119, Anm 1 b; Zöller-Schneider, ZPO, 15. Aufl 1987, § 119, RdNr 15; Deppe-Hilgenberg in Alternativkommentar zur ZPO, 1987, § 119 RdNr 9). Hieraus wird weitgehend übereinstimmend unter Berufung auf einen Beschluß des OLG Hamm vom 7. Dezember 1976 (MDR 1977, 409) gefolgert, daß nach dem Tode des Antragstellers ihm Prozeßkostenhilfe nicht mehr bewilligt werden kann (Zöller-Schneider, aaO; Thomas/Putzo, aaO, § 119, Anm 1 a; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 45. Aufl 1987, § 122, Anm 1 B e).
Der beschließende Senat tritt dieser Rechtsauffassung grundsätzlich bei. Zu berücksichtigen ist allerdings folgendes: Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wirkt im Regelfall nicht zurück. Maßgebend ist der Zugang des Beschlusses, durch welchen dem antragstellenden Beteiligten Prozeßkostenhilfe bewilligt und gegebenenfalls ein Rechtsanwalt beigeordnet wird (BGH NJW 1985, 921; weitergehend Zöller-Schneider, aaO, § 119, RdNr 17, nach dessen Ansicht bei Fehlen einer besonderen Datierung im Beschluß die Bewilligung regelmäßig auf den Zeitpunkt des Eingangs eines bewilligungsfähigen Antrages zurückwirkt). Das kann jedoch nur dann gelten, wenn das Gericht auch bei einem ordnungsgemäßen, unverzüglichen Geschäftsgang die Prozeßkostenhilfe nicht zu einem früheren Zeitpunkt hätte bewilligen können. Ist dies hingegen der Fall, so muß die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe auf den Zeitpunkt zurückwirken, zu dem ein bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang erlassener Bewilligungsbeschluß dem antragstellenden Beteiligten hätte zugehen können (so Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 122 Anm 1 B a; weitergehend BGH NJW 1985, 921, 922, wonach in derartigen Fällen die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückwirken soll).
Dies kann möglicherweise auch dann gelten, wenn ein Beteiligter nach Beantragung von Prozeßkostenhilfe verstorben ist und im Zeitpunkt seines Todes noch nicht über seinen Antrag entschieden war. Hätte das Gericht bei ordnungsgemäßer und unverzüglicher Bearbeitung des Prozeßkostenhilfeantrages zu einem früheren Zeitpunkt und noch zu Lebzeiten des Antragstellers entscheiden und seinen Beschluß dem Antragsteller zugehen lassen können, so wäre zu erwägen, ob dem oder für den Beteiligten jedenfalls für den Zeitraum zwischen dem möglichen Zugang des Bewilligungsbeschlusses und seinem (des Antragstellers) Ableben nachträglich Prozeßkostenhilfe zu bewilligen ist.
Der beschließende Senat braucht diese Erwägungen nicht zu vertiefen. Er hätte über den Prozeßkostenhilfeantrag des Klägers nicht zu einem früheren Zeitpunkt und insbesondere nicht mehr zu Lebzeiten des Klägers entscheiden können. Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die vom Kläger eingelegte Revision ist zwar bereits am 16. April 1987 gestellt, die Revision jedoch erst am 20. Juli 1987 begründet und erst damit die Möglichkeit einer Prüfung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung (§ 114 Satz 1 ZPO) geschaffen worden. Prozeßkostenhilfe zur Verteidigung gegen die Revision der Beigeladenen hat der Kläger am 20. Juli 1987 beantragt. Vor einer Entscheidung über diese Anträge hat den übrigen Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden müssen (§ 118 Abs 1 Satz 1 ZPO). Der Kläger ist am 22. Juli 1987 verstorben. Nach dieser zeitlichen Abfolge ist dem beschließenden Senat angesichts seiner Verpflichtung zur Einhaltung der maßgebenden Verfahrensvorschriften eine Entscheidung über den Prozeßkostenhilfeantrag des Klägers zu dessen Lebzeiten nicht möglich gewesen.
Es hat deswegen im vorliegenden Fall bei dem Grundsatz zu verbleiben, daß einem oder für einen Beteiligten nach seinem Tode Prozeßkostenhilfe nicht mehr bewilligt werden kann. Dies führt zur Ablehnung des Antrages des Klägers.
Fundstellen