Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundessozialgericht das Armenrecht zu bewilligen, wird abgelehnt.

 

Gründe

Dem Kläger kann das Armenrecht nicht bewilligt werden, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung – die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Oktober 1978 – keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 167 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG– iVm § 114 der Zivilprozeßordnung –ZPO–).

Die Erfolgsaussicht ergibt sich insbesondere nicht aus der ausführlichen Begründung des Klägers zu seinem Armenrechtsgesuch. Andere Gründe für die hinreichende Aussicht auf Erfolg iS des § 114 ZPO sind nicht zu erkennen.

Entgegen der Meinung des Klägers ist die Berufung bei Vorliegen von Berufungsausschließungsgründen nach §§ 144 bis 149 SGG nicht kraft Gesetzes zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Urteil des Sozialgerichts (SG) von einer Entscheidung eines Landessozialgerichts (LSG), des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Insoweit besteht zwischen der Berufung und der Revision ein wesentlicher Unterschied. Die Nichtzulassung der Revision kann nach § 160a SGG selbständig durch Beschwerde angefochten werden, für die Berufung ist hingegen das Rechtsinstitut der Nichtzulassungbeschwerde nicht vorgesehen, Nach § 150 Nr. 1 SGG ist die Berufung ungeachtet der §§ 144 bis 149 zulässig, wenn das SG sie im Urteil zugelassen hat. Die Berufung ist bei Vorliegen der Gründe des § 150 Nr. 1 SGG zuzulassen, aber die Entscheidung darüber trifft das SG; LSG und BSG sind an die Entscheidung des SG, daß die Berufung nicht zugelassen wird, gebunden und können sie nicht überprüfen. Es liegt auch kein wesentlicher Mangel des Verfahrens vor, wenn das SG aufgrund fehlerhafter Rechtsanwendung die Berufung nicht zugelassen hat (BSG SozR 1500 § 150 Nr. 1, Miesbach/Ankenbrank/Hennig/Danckwerts, Kommentar zum SGG § 150 Anm. 2). Aus diesen Gründen ist die Berufung des Klägers auch wegen des Anspruchs auf eine höhere Leistung unter Berücksichtigung der Urlaubsabgeltung nicht nach § 150 Nr. 1 SGG zulässig. Das gleiche gilt, soweit der Kläger seine Anträge darauf stützt, daß der Berechnung der Leistungen auch die Zeiten des Arbeitsverhältnisses nach dem Termin der vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung zugrundegelegt werden müssten.

Richtig ist, daß der Kläger nach dem Urteil des SG ein selbständiges Rechtsmittel eingelegt hat. Es handelt sich aber nicht um eine selbständige Anschlußberufung, sondern um eine selbständige Berufung iS des § 522 Abs. 2 ZPO. Wenn eine Anschließung an die Berufung der Beklagten überhaupt vorgelegen hat, so hat sie jedenfalls ihre Wirkung verloren, da die Beklagte ihre Berufung zurückgenommen hat (§ 522 Abs. 1 ZPO). Für die selbständige Berufung des Klägers gelten somit uneingeschränkt die Ausschließungsgründe der §§ 144 bis 149 SGG. Zugelassen hatte das SG nur die Berufung der Beklagten. Diese Beschränkung der Zulassung ist nicht zu beanstanden (Rosenberg, Zivilprozeßrecht, 11. Aufl, § 143 I 4c). Das LSG konnte über diesen Teil des ursprünglichen Streitgegenstandes selbständig durch Urteil über das Rechtsmittel der Beklagten entscheiden. Entgegen der Annahme des Klägers wäre die Zulässigkeit der Berufung auch dann nicht gegeben, wenn gegen das Urteil des SG Restitutionsgründe bestehen würden. Gem § 150 Nr. 2 SGG ist vielmehr allein entscheidend, ob der Kläger einen wesentlichen und tatsächlich auch vorliegenden Mangel des Verfahrens des SG gerügt hat.

Soweit der Kläger begehrt hat, die Beklagte zu verurteilen, Arbeitslosengeld (Alg) von bisher neun Monaten für nunmehr zwölf Monate an ihn zu zahlen, mag allerdings die Berufung entgegen der Annahme des LSG zulässig gewesen sein, Trotzdem fehlt es aber an der hinreichenden Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung. Wird die Bewilligung des Armenrechts zu Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde mit der Begründung begehrt, das Urteil des SG beruhe auf einem wesentlichen Mangel seines Verfahrens (SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3), so ist das Armenrecht dann zu versagen, wenn eine zugelassene Revision aufgrund der für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG materiellrechtlich nicht zum Erfolg führen könnte (BSG SozR 1750 § 114 Nr. 1). Das gleiche muß gelten, wenn sich die mangelnde Erfolgsaussicht zwar nicht aus den Gründen des LSG-Urteils ergibt, statt dessen aber aus dem eigenen Vorbringen des Antragstellers und den Gründen des Urteils des SG. Danach war der Kläger vom 1. Oktober 1971 an bei der Westdeutschen Wohnhäuser AG beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde vom Arbeitgeber am 15. August 1972 zum 30. September 1972 gekündigt. Dem Kläger wurde auf seinen Antrag vom 27. August 1973 Alg und ab 27. Mai 1974. Anschluß-Arbeitslosenhilfe (Alhi) bewilligt. Auf seine Klage gegen die Kündigung stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 13. Mai 1976 fest, das Arbeitsverhältnis habe jedenfalls bis zum 30. Juni 1973 bestanden. Der Kläger meint, der Arbeitgeber sei verpflichtet gewesen, während der ganzen Dauer des Kündigungsschutzprozesses Sozialversicherungsbeiträge für ihn abzuführen. Deshalb sei sein Anspruch auf Alg für weitere drei Monate begründet. Diese Auffassung trifft nicht zu. Die Dauer des Anspruchs auf Alg richtet sich gem § 106 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nicht nach dem vorangegangenen Arbeitsverhältnis, sondern nach der Dauer der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist. In der Regel beruht das Beschäftigungsverhältnis zwar auf dem Arbeitsverhältnis. Während bei diesem aber die rechtlichen Beziehungen im Vordergrund stehen, wird das Beschäftigungsverhältnis mehr vom Tatsächlichen bestimmt. Es kommt entscheidend darauf an, daß der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber tatsächlich zur Verfügung stellt, und daß der Arbeitgeber auch über die Arbeitskraft verfügen will (Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 101 Anm. 10). Einem solchen Willen des Arbeitgebers steht im vorliegenden Fall aber entgegen, daß die Westdeutsche Wohnhäuser AG mit dem Kläger einen Kündigungsschutzprozeß geführt hat. Das Vorbringen des Klägers hat keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, daß der Arbeitgeber noch nach dem 27. August 1973 über die Arbeitskraft des Klägers verfügen wollte.

Zum Antrag auf Verurteilung der Beklagten auf Gewährung von höheren Leistungen nach einer Bemessungsgrundlage von 2.300,– DM (entsprechend dem Stand vom 30. März 1973) macht der Kläger geltend, es fehle insoweit an Entscheidungsgründen des Berufungsgerichts. Nach seinem gesamten Vorbringen beanstandet der Kläger, daß das LSG insoweit nicht sachlich auf seine Darlegungen eingegangen sei. Ein sachliches Eingehen auf diesen Punkt war dem LSG jedoch wegen der Unzulässigkeit der Berufung des Klägers versagt. Das SG, auf dessen Urteil es hierfür allein ankommt, hat sich mit der Frage der höheren Bemessungsgrundlage auf Seite 9 f seines Urteils eingehend auseinandergesetzt.

Den Grund für die Unzulässigkeit der Berufung hat das LSG allerdings in den Entscheidungsgründen seines Urteils nicht ausdrücklich genannt. Dies will aber der Kläger offensichtlich nicht rügen. Im übrigen hat das LSG auf das Urteil des SG Bezug genommen, in dem ausdrücklich auf die Vorschrift des § 147 SGG hingewiesen wird. Der Kläger hat sich mit dieser Vorschrift in der Berufungsbegründung auseinandergesetzt. Ihre Anwendung auf das Begehren, eine höhere Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen, kann nicht zweifelhaft sein. Deshalb stellt es keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, wenn das LSG den Berufungsausschließungsgrund des § 147 SGG hinsichtlich dieses Begehrens nicht ausdrücklich genannt hat.

Zu der Frage der Beitragspflicht des Klägers über den 30. September 1972 hinaus hat sich das SG zwar geäußert, darüber aber entgegen der Meinung des Klägers keine Entscheidung getroffen. Seine Entscheidung ergibt sich aus dem Urteilsausspruch, in dem die Beitragspflicht nicht erwähnt wird.

Unzutreffend ist die Meinung des Klägers, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens begründe die Zulässigkeit der Revision. Die vom Kläger dazu erwähnte Entscheidung des BSG (BSGE 36, 120) enthält keine solche Aussage.

Zu Unrecht rügt der Kläger, das LSG hätte über den Feststellungsantrag und die Untätigkeitsklage wegen der Ansprüche der Beklagten gegen den Arbeitgeber in der Sache entscheiden müssen. Das LSG geht insoweit zutreffend von einer Klagänderung aus, die es ausdrücklich nicht als sachdienlich angesehen hat. Zu seiner Behauptung, die Beklagte habe sich auf die neuen Anträge eingelassen, hat der Kläger nichts näheres dargelegt. Tatsächlich hat die Beklagte nach dem Schriftsatz vom 19. September 1978, mit dem die Anträge gestellt wurden, keinen Schriftsatz mehr vorgelegt und in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG lediglich Verwerfung der Berufung als unzulässig beantragt. Damit hat sie sich nicht auf diese Anträge sachlich eingelassen.

Die Entscheidung, daß die Klagänderung nicht sachdienlich sei, hat in pflichtgemäßen Ermessen des LSG gestanden. Eine Überschreitung des Ermessens ergibt sich nicht aus dem Vorbringen des Klägers und ist auch sonst nicht erkennbar. Insbesondere berühren die vom Kläger bezeichneten Anspräche des Arbeitsamts gegen seinen, des Klägers, Arbeitgeber wegen Leistungen an den Kläger nicht den bisherigen Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Auch das Feststellungsbegehren hinsichtlich des Anerkenntnisses der Beklagten stellt eine nicht zulässige Klagänderung dar. Der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 26. Juni 1978 beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, bei allen Änderungen in der Leistungsgewährung an den Kläger ihm unaufgefordert eine detaillierte schriftliche Abrechnung über die Berechnungen der Leistungen auszuhändigen. Auf diesen Antrag hat sich die Beklagte jedenfalls nur teilweise eingelassen. Sie hat sich bereit erklärt, dem Kläger eine detaillierte Berechnung des Nachzahlungsbetrages zukommen zu lassen. Dies ist eine Einlassung nur hinsichtlich, des einmaligen Nachzahlungsbetrages. Zu dem darüber hinausgehenden allgemeinen Feststellungsbegehren hat sich die Beklagte nicht geäußert. Einsichtlich des einmaligen Nachzahlungsbetrages fehlt es am Rechtschutzbedürfnis für den Feststellungsantrag, denn der Kläger hat keinen Grund zu bezweifeln, daß die Beklagte sich an ihr Wort halten wird. Auch das sonstige Vorbringen des Klägers würde keinen Anlaß zur Zulassung der Revision bieten.

Das Armenrechtsgesuch konnte aus allen diesen Gründen keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926278

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge