Orientierungssatz

Es steht gemäß § 202 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts, eine neue Begutachtung durch einen Sachverständigen anzuordnen, wenn es ein Gutachten für ungenügend erachtet. Daher ist in solchen Fällen ein Verfahrensfehler nur dann hinreichend bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer konkrete Tatsachen vorträgt, aus denen sich schlüssig ergibt, daß das LSG - ausnahmsweise - weiteren Sachverständigenbeweis erheben mußte. Dafür reicht es nicht aus, wenn die Beweiswürdigung des LSG als unzutreffend und - aufgrund der Bewertung der Beweislage durch den Beschwerdeführer - die Einholung neuer Gutachten als erforderlich dargestellt werden. Denn nach § 412 Abs 1 ZPO kommt es auf die Sicht des Berufungsgerichts an.

 

Normenkette

ZPO § 412 Abs 1; SGG §§ 202, 160a Abs 2 S 3, § 128 Abs 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 24.02.1987; Aktenzeichen L 5 J 279/86)

 

Gründe

Gemäß § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darf das Bundessozialgericht (BSG) die Revision gegen das Urteil eines Landessozialgerichts (LSG) nur zulassen, wenn - die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - das LSG von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist oder - bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden.

Die - behauptete - sachliche Unrichtigkeit des Urteils des LSG ist demnach kein Revisionszulassungsgrund.

Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Beschwerdebegründung ua der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Genügt die Begründung diesen Anforderungen nicht, ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Der Kläger, der ausschließlich Verfahrensmängel rügt, hat keinen die Zulassung der Revision erlaubenden Verfahrensmangel ausreichend bezeichnet. Soweit er vorträgt, das Berufungsgericht habe seine Überzeugungsbildung bezüglich des psychosomatischen Beschwerdebildes und der sich daraus ergebenden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit nicht auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. J., Prof. Dr. F. und Dr. L. gründen dürfen und deren Gutachten unzutreffend gewürdigt, rügt er sinngemäß, das Berufungsgericht habe die Grenzen seines Rechts verletzt, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 kann der geltend gemachte Verfahrensmangel jedoch nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden.

Soweit der Kläger vorbringt, das Berufungsgericht sei Beweisanträgen ohne Grund nicht nachgekommen, obwohl er sich zum Beweis für sein aufgehobenes Leistungsvermögen auf Sachverständigengutachten und auf Prof. Dr. M. und Dr. L. berufen habe, macht er als Verfahrensfehler geltend, das LSG habe seine Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 103 Satz 1 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann die Beschwerde auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn sich der gerügte Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Verfahrensmangel hat der Kläger schon deswegen nicht hinreichend bezeichnet, weil er den Beweisantrag, dem das LSG nach seinem Vortrag nicht gefolgt ist, nicht so genau bezeichnet hat, daß er für das BSG ohne weiteres auffindbar ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5 Leitsatz 1). Der Kläger hat es unterlassen, auf den Schriftsatz oder die Sitzungsniederschrift hinzuweisen, aus denen sich der Beweisantrag ergibt. Darüberhinaus hat er nicht dargelegt, weshalb sich das LSG hätte gedrängt fühlen müssen, seinen Beweisanträgen stattzugeben. Zwar hat er näher ausgeführt, das LSG hätte bei richtiger Würdigung der Gutachten der Sachverständigen Dr. J., Prof. Dr. F. und Dr. L. zwingende Gründe gehabt, seinen Beweisanträgen zu folgen. Jedoch steht es gemäß § 202 SGG iVm § 412 Abs 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts, eine neue Begutachtung durch einen Sachverständigen anzuordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet (Hartmann, Anm 1 B b zu § 412, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 44. Aufl 1986, S 1165 mwN). Daher ist in solchen Fällen ein Verfahrensfehler nur dann hinreichend bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer konkrete Tatsachen vorträgt, aus denen sich schlüssig ergibt, daß das LSG - ausnahmsweise - weiteren Sachverständigenbeweis erheben mußte. Dafür reicht es nicht aus, wenn die Beweiswürdigung des LSG als unzutreffend und - aufgrund der Bewertung der Beweislage durch den Beschwerdeführer - die Einholung neuer Gutachten als erforderlich dargestellt werden. Denn nach § 412 Abs 1 ZPO kommt es auf die Sicht des Berufungsgerichts an.

Soweit der Kläger im übrigen das angefochtene Urteil für inhaltlich unzutreffend hält und um die Einholung weiterer Gutachten bittet, kann er im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Revisionsgericht keinen Erfolg haben. Eine inhaltliche Prüfung des Urteils des LSG setzte eine zugelassene und zulässigerweise eingelegte Revision voraus. Beweiserhebungen über materiell-rechtlich bedeutsame Umstände des Einzelfalles sind dem revisionsgerichtlichen Verfahren ohne dies fremd (§§ 162, 163 SGG).

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665262

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