Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht von Ehrenbeamten
Orientierungssatz
Ehrenbeamte stehen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gemäß § 7 Abs 1 SGB 4, wenn sie dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und hierfür eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhalten (vgl BSG vom 22.2.1996 - 12 RK 6/95 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 und vom 23.7.1998 - B 11 AL 3/98 R = SozR 3-4100 § 138 Nr 11)
Normenkette
SGB 3 § 25 Abs. 1 S. 1; SGB 4 § 7 Abs. 1; SGB 4 § 14 Abs. 1; SGB 5 § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB 6 § 1 S. 1 Nr. 1; SGB 11 § 20 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die Versicherungs- und Beitragspflicht des Beschwerdeführers als ehrenamtlicher Kreisbrandrat in der Sozialversicherung.
Von der Klägerin, einem Landkreis in Bayern, erhielt der beigeladene Beschwerdeführer für seine Tätigkeit als Kreisbrandrat seit dem 1. September 2000 eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 1.338,40 DM. Hiervon unterlag ein Betrag von 446,13 DM nicht der Besteuerung. Mit Bescheid vom 8. September 2000 stellte die beklagte Krankenkasse die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung fest. Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 25. August 2005 das Urteil des Sozialgerichts und den Bescheid der Beklagten vom 8. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Der Beschwerdeführer hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die inhaltliche Unrichtigkeit des Urteils ist demgegenüber kein Revisionsgrund.
Der Beschwerdeführer beruft sich zum einen auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die Beschwerdebegründung muss hierzu ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65, SozR 3-1500 § 160a Nr 16 - stRspr; vgl auch Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb aufzuzeigen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzutun, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Eine Rechtsfrage, die das BSG bereits entschieden hat, ist nicht mehr klärungsbedürftig und kann somit keine grundsätzliche Bedeutung haben, es sei denn, die Beantwortung der Frage ist aus besonderen Gründen klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden; das muss substantiiert vorgetragen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65).
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, grundsätzlich klärungsbedürftig sei die Sozialversicherung eines bayerischen Kreisbrandrates als Ehrenamt auf der Basis der diesbezüglich geltenden Rechtsvorschriften, fehlt es bereits an einer hinreichend klar formulierten Rechtsfrage. Darüber hinaus hätte er darlegen müssen, aus welchen Gründen trotz der Entscheidungen des Senats vom 22. Februar 1996, 12 RK 6/95, BSGE 78, 34 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5, sowie des BSG vom 23. Juli 1998, B 11 AL 3/98 R, SozR 3-4100 § 138 Nr 11, eine in einem anschließenden Revisionsverfahren entscheidungserhebliche Rechtsfrage klärungsbedürftig sein kann. Der Senat hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zum Leistungsrecht in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Ehrenbeamte in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gemäß § 7 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch stehen, wenn sie dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und hierfür eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhalten. Weder das Rechtsverhältnis als Ehrenbeamter als solches noch dessen Rechtsstellung als Organ oder Mitglied eines Organs einer juristischen Person des öffentlichen Rechts mit eigenen gesetzlichen Befugnissen noch die Zahlung einer pauschalen Aufwandsentschädigung ohne Bezug zu einem konkreten Verdienstausfall schließen danach die Annahme eines versicherungspflichtigen und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aus. Ob der Ehrenbeamte in seinem Amt zur weisungsgebundenen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben verpflichtet ist und damit dieser Aufgabenbereich seine Tätigkeit prägt, ist in einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Ehrenamts in der kommunalen Verfassung des jeweiligen Bundeslandes zu beurteilen (vgl auch Entscheidung des Senats vom 25. Januar 2006, B 12 KR 12/05 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Dass und warum trotz der bereits vorliegenden Entscheidungen im anhängigen Verfahren entscheidungserhebliche Rechtsfragen klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden sein könnten, wird nicht dargelegt. Ob im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der für ihn geltenden Bestimmungen des bayerischen Landesrechts nach diesen Kriterien in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand, ist eine Frage der Rechtsanwendung auf den Einzelfall. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, allein unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung hätte entgegen der Auffassung des LSG von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen werden müssen, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Aufwandsentschädigung den durch die ehrenamtliche Tätigkeit verursachten tatsächlichen Aufwand überstiegen habe, kann dies allenfalls die Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall begründen.
Darüber hinaus beruft sich der Beschwerdeführer auf eine Abweichung des LSG vom Urteil des Senats vom 27. März 1980 (12 RK 56/78, SozR 2200 § 165 Nr 44), weil das LSG tragend insbesondere die Versicherungspflicht mit der Begründung verneint habe, die Aufwandsentschädigung sei kein Arbeitsentgelt, und damit gegen die genau umgekehrte Rechtsprechung des Senats in dieser Entscheidung verstoßen habe. Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, dh das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zu Grunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz der in der Vorschrift genannten Gerichte aufgestellt hat. Die Beschwerdebegründung muss daher erkennen lassen, welcher abstrakter Rechtssatz in dem herangezogenen höchstrichterlichen Urteil enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene tragende Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 29 und 67). Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil eines LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es auch seinerseits zumindest sinngemäß und in scheinbar fallbezogene Ausführungen gekleidet einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der der zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zu Grunde liegt (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass ein vom LSG aufgestellter tragender Rechtssatz einem Rechtssatz des Senats in der oben genannten Entscheidung entgegenstehen könnte. Soweit er ausführt, das LSG habe den Rechtssatz aufgestellt, die Aufwandsentschädigung sei lediglich ein Ausgleich für den finanziellen Aufwand des Kreisbrandrats, habe aber nicht den Charakter eines Entgelts für die ehrenamtliche Tätigkeit, benennt er schon keinen Rechtssatz, sondern das Ergebnis der Subsumtion eines konkreten Sachverhalts unter den Begriff des Arbeitsentgelts. Der Beschwerdeführer legt allenfalls dar, dass das LSG die vom BSG genannten Kriterien unzutreffend angewandt haben könnte. So führt er aus, das LSG sei von einem unzutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt ausgegangen, indem es lediglich darauf abgestellt habe, ob die Arbeit als Kreisbrandrat als solche vergütet werde und nicht Entgeltcharakter für die ehrenamtliche Tätigkeit habe, anstatt danach zu differenzieren, inwieweit mit der Aufwandsentschädigung jedenfalls auch entstandene Einkommenseinbußen, insbesondere Verdienstausfall, ersetzt werde. Dies gilt auch hinsichtlich der Ausführungen, das LSG habe den Entgeltbegriff im Sinne der Sozialversicherung verkannt. Darüber hinaus ist auch nicht dargelegt, inwieweit die Rechtsfrage in dem einer Zulassung folgenden Revisionsverfahren entscheidungserheblich sein könnte. Das LSG hat seine Entscheidung auch darauf gestützt, dass ein Beschäftigungsverhältnis wegen der fehlenden Weisungsabhängigkeit nicht bestanden hat. Die Beschwerdebegründung hätte daher darlegen müssen, dass auch bezüglich der Bewertung der Weisungsabhängigkeit durch das LSG ein Revisionszulassungsgrund vorliegen könnte, sodass die aufgeworfene Frage entscheidungserheblich sein kann.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen