Entscheidungsstichwort (Thema)
Mondbeinnekrose. Mindestarbeitszeit
Orientierungssatz
1. Die vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblätter über Berufskrankheiten nach der BKVO sind nicht Bestandteil der BKVO. Sie stellen das Ergebnis der neuesten medizinischen Erkenntnisse und Erfahrungen dar und sind ein Hilfsmittel für die Erkennung und Behandlung von Berufskrankheiten.
2. Zur Frage, ob im Hinblick auf die noch nicht geklärte Frage des Zusammenhanges der Mondbeinnekrose mit erschütternden oder rüttelnden Werkzeugen unabdingbar an der zweijährigen Mindestarbeitszeit festgehalten werden müsse.
Normenkette
BKVO Anl 1 Nr 2103
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 31.03.1987; Aktenzeichen L 5 U 7/84) |
Gründe
Der Kläger ist mit dem Begehren, ihm wegen einer Mondbeinnekrose des rechten Handgelenkes Entschädigungsleistungen wegen einer Berufskrankheit (Nr 2103 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKVO: "Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen") zu gewähren, ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 12. Februar 1981; Urteile des Sozialgerichts -SG- Aachen vom 26. Oktober 1983 und des Landessozialgerichts -LSG- für das Land Nordrhein-Westfalen vom 31. März 1987).
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Er macht geltend, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. Die Entscheidung der Rechtssache hänge im wesentlichen von der Rechtsfrage ab, ob die im Merkblatt zu Nr 2103 enthaltene zweijährige Frist die rechtliche Bedeutung einer Mindestarbeitszeit wie etwa in Nr 2102 der Anlage 1 zur BKVO ("Meniskusschäden nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit unter Tage") habe. Zwar hätten die Vordergerichte in ihren Entscheidungen ausgeführt, daß nicht zwangsläufig bei einer unter zwei Jahre liegenden Arbeitsdauer mit den in Nr 2103 genannten Geräten und Maschinen ein ursächlicher Zusammenhang mit der Erkrankung zu verneinen sei. Jedoch hätten die im vorliegenden Verfahren gehörten medizinischen Sachverständigen Dr. L. und Prof. Dr. K. zur Begründung ihrer Gutachten auf den im Merkblatt zu Nr 2103 enthaltenen Hinweis auf eine mindestens zweijährige Tätigkeit mit Preßluftgeräten Bezug genommen. Das LSG habe sich in der angefochtenen Entscheidung auf diese Gutachten gestützt. Da die medizinischen Sachverständigen die zweijährige Mindestarbeitszeit rechtsirrig als gesetzliche Voraussetzung für eine Berufskrankheit nach Nr 2103 gedeutet hätten, hätte das LSG die Gutachten zur Begründung seiner Entscheidung nicht als ausreichend ansehen dürfen; insoweit habe das LSG seine Amtsermittlungspflicht nach § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Die für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG vorausgesetzte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache erfordert, daß die Entscheidung von der Beantwortung einer bestimmten Rechtsfrage abhängt, die klärungsbedürftig ist. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn ihre Beantwortung unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen oder überhaupt unbestritten ist (vgl Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, Rdn 62 und 65). Nach § 1 BKVO sind Berufskrankheiten die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten, die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 Reichsversicherungsordnung (RVO) genannten Tätigkeiten erleidet. Die vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblätter über Berufskrankheiten nach der BKVO sind nicht Bestandteil der BKVO. Sie stellen das Ergebnis der neuesten medizinischen Erkenntnisse und Erfahrungen dar und sind ein Hilfsmittel für die Erkennung und Behandlung von Berufskrankheiten (vgl Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 551 Anm 5 Buchst d). Das LSG hat dementsprechend den im Abschnitt III des Merkblattes zu Nr 2103 gegebenen "Hinweis für die ärztliche Beurteilung", daß beruflich verursachte Erkrankungen an den Gelenken und am Mondbein in der Regel nicht vor Ablauf einer mindestens zweijährigen regelmäßig durchgeführten Arbeit mit den genannten Werkzeugen oder Maschinen auftreten, nicht als eine die Krankheitsbezeichnung der Nr 2103 der Anlage 1 zur BKVO ergänzende Rechtsnorm angesehen, sondern als Wiedergabe medizinischer Kenntnisse und Erfahrungen. Diese kommen auch im Gutachten des Prof. Dr. K. vom 7. Dezember 1986 zum Ausdruck, wonach im Hinblick auf die noch nicht geklärte Frage des Zusammenhanges der Mondbeinnekrose mit erschütternden oder rüttelnden Werkzeugen unabdingbar an der zweijährigen Mindestarbeitszeit festgehalten werden müsse (S 12 bis 14 des Gutachtens). Ähnlich hatte sich zuvor schon Dr. A. im Gutachten vom 5. Juli 1983 geäußert. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage ist nicht dargelegt.
Ob unter den gegebenen Umständen das LSG seine ihm nach § 103 SGG obliegende Sachaufklärungspflicht dadurch verletzt hat, daß es sich auf medizinische Gutachten gestützt hat, die von einer zweijährigen Mindestarbeitszeit ausgegangen sind, kann dahinstehen. Denn nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann ein Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der Kläger legt in der Beschwerdebegründung nicht dar, wann und wo er im Berufungsverfahren einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat.
Die Beschwerde mußte daher verworfen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen