Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache

 

Orientierungssatz

Zur grundsätzlichen Bedeutung der Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den schädigenden Einwirkungen einer chronischen Kohlenwasserstoff-Exposition am Arbeitsplatz und dem Entstehen einer Glomerulonephritis bei einem Spritzlackierer.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 14.02.1989; Aktenzeichen L 3 U 125/87)

 

Gründe

Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihn wegen einer perimembranösen Glomerulonephritis zu entschädigen, ohne Erfolg geblieben (Bescheid der Beklagten vom 22. August 1986; Urteile des Sozialgerichts -SG- vom 9. Februar 1987 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 14. Februar 1989). Das LSG ist zu der Überzeugung gelangt, die bei dem Kläger vorhandene Erkrankung sei weder nach § 551 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BKVO) noch nach § 551 Abs 2 RVO wie eine Berufskrankheit zu entschädigen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere im Hinblick auf die Gutachten von Prof. Dr. V.       /Dr. T.      sowie der Staatlichen Gewerbeärzte Dr. R. und Dr. Rö.  , sei die Nierenerkrankung nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch die in den Nrn 1302 oder 1303 der Anlage 1 zur BKVO genannten Stoffe verursacht worden. Auch fehlten bezüglich der Nierenerkrankung des Klägers neue medizinische Erkenntnisse, die eine Entscheidung nach § 551 Abs 2 RVO rechtfertigen könnten. Dem stehe das vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte Gutachten von Prof. S.      nicht entgegen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen. Der sich bis zu einer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verdichtete Zusammenhang zwischen der Nierenerkrankung und der berufsbedingten Einwirkung von Kohlenwasserstoffgemischen bedinge eine grundsätzliche Entscheidung darüber, ob diese Erkrankung wie eine Berufskrankheit zu entschädigen sei. Hierfür sprächen auch die vom LSG eingeholten Auskünfte, aus denen sich ergebe, daß in jüngster Zeit mehr und intensiver über den in Rede stehenden ursächlichen Zusammenhang geforscht werde. Auch habe das LSG seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Sowohl das Gutachten von Prof. S.      als auch die genannten Auskünfte hätten das LSG dazu bewegen müssen, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Die Einholung eines Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hätte es nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, der Kläger habe keinen Arzt benannt. Schließlich sei ein Verfahrensfehler darin zu sehen, daß das LSG Prof. S. nicht als sachverständigen Zeugen oder als Zeugen zur Erläuterung seines Gutachtens geladen habe. Hierzu sei es dem Antrag entsprechend verpflichtet gewesen (vgl Zöller, Zivilprozeßordnung, 15. Aufl, § 440 RdNr 1).

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Formerfordernissen.

Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird (vgl Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, RdNr 84 mwN). Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht - ausreichend - geklärt ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Bei der aufgeworfenen Frage handelt es sich nämlich nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine Tatsachenfrage, die allein nach dem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft zu beantworten ist. Hierzu hat das LSG unter Bezugnahme auf das von Prof. V.      /Dr. T.      erstellte Gutachten sowie auf die Auskünfte des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 7. April 1988, des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität M.    vom 20. April bzw 2. Dezember 1988, der Deutschen Forschungsgemeinschaft vom 28. April 1988 und des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften eV vom 29. April bzw 28. Dezember 1988 festgestellt, daß bei der Berufsgruppe des Klägers (Spritzlackierer) bislang keine Häufigkeit, an Glomerulonephritis zu erkranken, aufgefallen sei und entsprechende neue Erkenntnisse fehlten, die bei Erlaß der BKVO vom 8. Dezember 1976 noch nicht vorgelegen hätten. Soweit die Beschwerde im übrigen rügt, das LSG habe die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den schädigenden Einwirkungen einer chronischen Kohlenwasserstoff-Exposition am Arbeitsplatz und dem Entstehen einer Glomerulonephritis unrichtig beantwortet, betrifft diese Rüge eine unzutreffende Beweiswürdigung durch das Gericht, die im Beschwerdeverfahren nicht geltend gemacht werden kann (§ 128 Abs 1 Satz 1 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

Auf eine Verletzung des § 109 SGG kann die Beschwerde nach der zuletzt genannten Vorschrift ebenfalls nicht gestützt werden und auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nur, wenn sich der gerügte Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Soweit die Beschwerde geltend macht, das LSG hätte sich gedrängt fühlen müssen, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen, fehlt es an der Bezeichnung eines solchen Beweisantrages. Aber auch in bezug auf den Vorwurf, das LSG sei dem Antrag, Prof. S.      als sachverständigen Zeugen oder als Zeugen zu hören, zu Unrecht nicht gefolgt, ist die Beschwerde unzulässig. Eine vorschriftsmäßig begründete Verfahrensrüge liegt nur dann vor, wenn die sie begründenden Tatsachen substantiiert dargelegt sind und in sich verständlich den geltend gemachten Verfahrensfehler ergeben. Daran fehlt es der Beschwerde. Sie legt nicht dar, weshalb sich das LSG zur Anhörung des Prof. S.      hätte gedrängt fühlen müssen. Hierzu hätte insofern besondere Veranlassung bestanden, als sich das LSG im einzelnen mit dessen Ausführungen auseinandergesetzt und begründet hat, weshalb das gutachterliche Ergebnis nicht von dem Inhalt des Gutachtens getragen wird. Allein der Umstand, daß der Kläger die mündliche Anhörung von Prof. S.      beantragt hat, vermag den Verfahrensverstoß nicht zu begründen. Darauf hat das LSG unter Hinweis darauf, daß Prof. S.      lediglich ein Parteigutachten erstattet hat und daher nicht als Sachverständiger iS der §§ 402 ff der Zivilprozeßordnung (ZPO) anzusehen sei, zutreffend hingewiesen. Für seine gegenteilige Ansicht kann sich der Beschwerdeführer nicht auf § 440 ZPO stützen; denn diese Vorschrift bezieht sich auf den Beweis der Echtheit von Privaturkunden. Das Kommentarzitat von Zöller (aaO) ist nicht einschlägig.

Die Beschwerde war deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648757

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