Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwaltes in einem Rechtsmittelverfahren vor einem obersten Bundesgericht. zumutbare Anstrengungen. erfolglose Bemühungen
Orientierungssatz
Zu den Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwaltes in einem Rechtsmittelverfahren vor einem obersten Bundesgericht.
Normenkette
SGG § 73 Abs. 2, 4, §§ 160, 160a, 202 S. 1; ZPO § 78b; MRK; GG
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 26.05.2016; Aktenzeichen L 5 R 78/15) |
SG Lübeck (Entscheidung vom 25.03.2015; Aktenzeichen S 48 R 663/14) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 26. Mai 2016 einen Notanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorstehend genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
In der Hauptsache streiten die Beteiligten um die Rentenanpassung zum 1.7.2014. Mit Urteil vom 26.5.2016 hat das Schleswig-Holsteinische LSG einen Anspruch des Klägers auf Anhebung seiner Altersrente um 25% verneint.
Der Kläger hat mit einem von ihm selbst verfassten und unterzeichneten Schreiben vom 14.7.2016, hier eingegangen am selben Tag, sinngemäß gegen die Nichtzulassung der Revision im vorstehend genannten Urteil (zugestellt am 17.6.2016) Beschwerde eingelegt und beantragt, ihm einen Notanwalt beizuordnen. Auf Prozesskostenhilfe verzichte er.
1. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts ist abzulehnen.
Die Voraussetzungen des § 202 S 1 SGG iVm § 78b ZPO (sog "Notanwalt") liegen nicht vor. Nach diesen Bestimmungen hat das Prozessgericht in Verfahren mit Anwaltszwang einem Beteiligten auf seinen Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Voraussetzung für die Beiordnung eines Notanwalts ist jedoch, dass der Beteiligte vor Ablauf der Beschwerdefrist nachweist, trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden zu haben (BSG Beschlüsse vom 16.10.2007 - B 6 KA 3/07 S - Juris RdNr 2 mwN sowie vom 11.6.2008 - B 8 SO 45/07 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 7 RdNr 5; BGH Beschlüsse vom 19.1.2011 - IX ZA 2/11 - Juris RdNr 2 sowie vom 24.6.2014 - VI ZR 226/13 - Juris RdNr 2 mwN; BFH Beschluss vom 11.10.2012 - VIII S 20/12 - Juris RdNr 4). Dabei ist für ein beabsichtigtes Rechtsmittelverfahren vor einem obersten Bundesgericht erforderlich, dass erfolglose Bemühungen um eine Prozessvertretung bei zumindest fünf zugelassenen Prozessbevollmächtigten substantiiert aufgezeigt werden (BSG Beschluss vom 30.1.2015 - B 13 R 210/14 B - BeckRS 2015, 66088 RdNr 13 - JurionRS 2015, 11116 RdNr 13; BGH Beschluss vom 25.1.2007- IX ZB 186/06 - FamRZ 2007, 635).
Der Kläger hat auf Hinweis der Berichterstatterin entsprechende Bemühungen nicht dargelegt. Er hat vielmehr nur Schreiben seiner beiden Prozessbevollmächtigten, die ihn in erster bzw zweiter Instanz vertreten haben, vorgelegt, wonach diese mangels erkennbarer Erfolgsaussichten für die jeweils nächste Instanz nicht zur Verfügung stünden. Damit hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass er zumutbare Anstrengungen an den Tag gelegt hat, um innerhalb der Rechtsmittelfrist einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden. Die Behauptung, es gebe zu wenig "Sozialanwälte", reicht dafür nicht.
Im Übrigen erscheint auch die mit der Beschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtlos. Aussichtslosigkeit besteht dann, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Vertretung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (vgl Zöller, ZPO, 30. Aufl 2014, § 78b RdNr 3 mwN; BSG Beschluss vom 3.1.2005 - B 9a/9 SB 39/04 B - Juris RdNr 5).
Es ist weder aufgrund des Vorbringens des Klägers noch nach summarischer Prüfung des Streitstoffs ersichtlich, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Rechtsanwalt (§ 73 Abs 2 und 4 SGG) erfolgreich geltend machen könnte, dass der Rechtssache angesichts der vom LSG zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung eine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zukommt oder die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Auch ein Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, auf dem die Entscheidung des LSG beruhen könnte, lässt sich nicht erkennen. Soweit der Kläger erklärt, er sei vom SG vor Erlass eines Gerichtsbescheids nicht angehört worden, betrifft dies nicht das Verfahren vor dem LSG; im Übrigen genügt es, wenn - wie hier - der Prozessbevollmächtigte Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat.
2. Die von dem Kläger selbst erhobene Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Formvorschriften, weil sie nicht innerhalb der Beschwerdefrist durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) eingelegt worden ist. Dieser vor allen obersten Gerichtshöfen des Bundes bestehende Vertretungszwang dient sowohl den Interessen des betroffenen Bürgers, der ohne qualifizierte juristische Sachkunde weder die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels in dritter Instanz noch dessen Zulassungsvoraussetzungen abschätzen kann, als auch der Funktionsfähigkeit des Revisionsgerichts, das von ggf wenig sachgerecht vorbereiteten Verfahren entlastet werden soll (vgl BSG SozR 4-1500 § 73 Nr 5 RdNr 3 mwN; BSG Beschluss vom 17.12.2014 - B 10 ÜG 2/14 KL - Juris RdNr 11). Der Vertretungszwang ist mit den Bestimmungen des GG ebenso vereinbar wie mit den Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (vgl BVerfGE 9, 194, 199 f; 10, 264, 267 f; BVerfG ≪Kammer≫ SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 13; s auch EGMR Urteil vom 10.5.2007 - 76680/01 - Juris RdNr 106 ff, zur Qualifizierung einer Rüge, der Anwaltszwang verletze Art 6 EMRK, als "offensichtlich unbegründet").
Da bereits die Einlegung der Beschwerde nicht formgerecht innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist (§ 160a Abs 1 S 2 SGG) erfolgt ist, kommt es - entgegen der Auffassung des Klägers - auf die Begründungsfrist, die einheitlich für alle Beteiligten zwei Monate beträgt (§ 160a Abs 2 S 1 SGG), nicht mehr an.
Die Beschwerde ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen