Verfahrensgang

SG Berlin (Entscheidung vom 12.09.2018; Aktenzeichen S 97 R 6040/15)

LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 24.03.2022; Aktenzeichen L 17 R 672/18)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die 1970 geborene Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag vom 21.6.2012 ab (Bescheid vom 6.2.2014; Widerspruchsbescheid vom 17.8.2015). Das SG hat die Klage nach Einholung von Befundberichten und eines Gutachtens beim Neurologen und Psychiater K1 (Gutachten vom 21.6.2017) abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 12.9.2018). Das LSG hat auf Antrag der Klägerin eine Begutachtung bei der Neurologin und Psychiaterin B veranlasst (Gutachten vom 2.9.2020) und von Amts wegen eine Begutachtung durch den Neurologen und Psychiater H nach Aktenlage (Gutachten vom 21.2.2022). Mit Urteil vom 24.3.2022 hat es die Berufung zurückgewiesen. Für die Zeit bis zum 30.1.2015 einschließlich lasse sich eine teilweise oder volle Erwerbsminderung nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Das ergebe sich überzeugend aus dem Gutachten des Sachverständigen K1, der (erst) bezogen auf den 15.6.2017 ein aufgehobenes Leistungsvermögen der Klägerin festgestellt habe, und aus dem Gutachten des Sachverständigen H, demzufolge Hinweise für eine dauerhafte quantitative Leistungseinschränkung im Zeitraum davor fehlen würden. Der Einschätzung der Sachverständigen B, die demgegenüber vom Eintritt des Leistungsfalls spätestens im November 2014 ausgehe, werde nicht gefolgt. Für die Zeit nach dem 30.1.2015 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Es fehle an einer Drei-Fünftel-Belegung.

Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 13.7.2022 begründet hat.

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet wird. Sie ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Die Klägerin bezeichnet die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht anforderungsgerecht.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

a) Die Klägerin rügt sinngemäß einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG), indem das LSG es unterlassen habe, die Sachverständige B sowie die behandelnden Ärzte Y und K2 in der mündlichen Verhandlung zu hören. Wird eine solche Sachaufklärungsrüge erhoben, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 14.4.2020 - B 5 RS 13/19 B - juris RdNr 11). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Klägerin bringt vor, ihr damaliger Prozessbevollmächtigter habe zuletzt mit Schriftsatz vom 28.12.2021 beantragt, die Sachverständige B zum Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls persönlich zu hören. Mit Schriftsatz vom 17.3.2022 sei zudem beantragt worden, die behandelnden Ärzte Y und K2 zur Krankenhistorie im Zeitraum September 2014 bis Februar 2015 persönlich anzuhören. Damit ist nicht dargetan, dass in den in Bezug genommenen Schriftsätzen ordnungsgemäße Beweisanträge (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 bzw § 373 ZPO) enthalten gewesen sind (vgl zu den diesbezüglichen Anforderungen zB BSG Beschluss vom 26.11.2019 - B 13 R 159/18 B - juris RdNr 8 mwN). Ungeachtet dessen legt die Klägerin die Aufrechterhaltung ihres Beweisbegehrens nicht anforderungsgerecht dar. Wird wie hier aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, ist das dann der Fall, wenn ein Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten wird oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 13.10.2020 - B 12 KR 8/20 B - juris RdNr 23 mwN; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 18c mwN). Die Klägerin zeigt weder auf, die umschriebenen Anträge in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG weiterverfolgt und zumindest hilfsweise wiederholt zu haben, noch, dass die Anträge im Berufungsurteil wiedergegeben werden. Ihr Vorbringen, sie habe in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht zu erkennen gegeben, dass sie an den schriftsätzlichen Beweisanträgen nicht mehr festhalte, reicht insoweit nicht aus. Der in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG vorausgesetzte Beweisantrag soll dem Gericht der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung signalisieren, dass ein Beteiligter die gerichtliche Aufklärungspflicht noch für defizitär hält (vgl zB BSG Beschluss vom 17.5.2022 - B 2 U 167/21 B - juris RdNr 12 mwN); diese Warnfunktion erfüllt nur ein ausdrücklich aufrechterhaltener Antrag (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 18c mwN).

b) Falls die Klägerin mit ihrem Vorbringen zur unterbliebenen Anhörung der Sachverständigen B zudem eine Verletzung ihres Fragerechts aus § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO und damit ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) rügen will, wäre auch ein solcher Verfahrensmangel nicht anforderungsgerecht bezeichnet. Die Klägerin zeigt nicht auf, hinsichtlich einer erstrebten Befragung der Sachverständigen ihrerseits alles getan zu haben, um sich mit zumutbarer Ausschöpfung der vom Prozessrecht eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten Gehör zu verschaffen (vgl zu dieser Anforderung zB BSG Beschluss vom 24.2.2021 - B 13 R 37/20 B - juris RdNr 11 mwN).

Indem die Klägerin vorbringt, sie habe bereits seit ihre stationären Behandlung im September 2014 unter einer schweren Depression gelitten und es sei im Zeitraum 2014 bis 2015 keine Besserung eingetreten, macht sie die inhaltliche Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung geltend. Damit kann eine Revisionszulassung nicht erreicht werden (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 24.3.2021 - B 13 R 14/20 B - juris RdNr 13 mwN).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Düring Körner Hannes

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15365117

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