Verfahrensgang
SG Leipzig (Entscheidung vom 13.01.2022; Aktenzeichen S 12 R 437/18) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 29.11.2022; Aktenzeichen S 12 R 437/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 29. November 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die am 27.7.1961 geborene Klägerin begehrt, ihr bereits für Zeiträume vor dem 1.7.2021 eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag der Klägerin vom 30.11.2017 nach Einholung von Befundberichten sowie Arztbriefen aus zwei Reha-Einrichtungen ab (Bescheid vom 12.1.2018; Widerspruchsbescheid vom 3.5.2018). Das SG hat die Beklagte zur Gewährung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1.7.2021 nach einem Leistungsfall am 23.12.2020 verurteilt, nachdem es von Amts wegen Gutachten beim Neurologen und Psychiater S1 vom 25.2.2019, beim Internisten und Rheumatologen W1 vom 13.5.2019, bei der Orthopädin, Rheumatologin und Sozialmedizinerin N vom 30.1.2020, beim Neurologen und Psychiater G vom 7.8.2020 nebst ergänzender Stellungnahmen vom 6.5.2021 und 6.8.2021 sowie bei der Allgemeinmedizinerin W2 vom 14.5.2021 eingeholt hatte (Urteil vom 13.1.2022). Mit ihrer hiergegen angestrengten Berufung hat die Klägerin die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nach einem Leistungsfall bei Rentenantragstellung am 30.11.2017 begehrt. Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 29.11.2022 zurückgewiesen. Im Verfahren hätten sich keine Anhaltspunkte für einen früheren Leistungsfall ergeben.
Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die sie mit Schriftsätzen vom 17.3.2023 und 6.4.2023 begründet hat.
II
1. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Der geltend gemachte Verfahrensmangel ist nicht anforderungsgerecht bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die Beschwerdebegründung wird den daraus abgeleiteten Anforderungen nicht gerecht.
Die Klägerin rügt, das LSG habe seine Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 103 Halbsatz 1 SGG) verletzt, indem es von weiteren Ermittlungen abgesehen habe, obwohl die Sachverständigen W1 und W2 ein aufgehobenes Leistungsvermögen angenommen hätten. Wird eine solche Sachaufklärungsrüge erhoben, muss die Beschwerdebegründung ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnen, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt ist (stRspr; vgl hierzu und zu den weiteren Anforderungen zB BSG Beschluss vom 14.4.2020 - B 5 RS 13/19 B - juris RdNr 11). Das wird von der Beschwerde nicht dargetan.
Der Klägerin trägt vor, "im Rahmen des Verfahrens" auf das Gutachten des Sachverständigen W2 verwiesen und "insoweit entsprechende Beweisanträge" gestellt zu haben. Ergänzend nehme sie auf ihren gesamten Vortrag in allen Instanzen "nebst Beweisangeboten" Bezug. Diesem Vorbringen lässt sich schon nicht mit der notwendigen Klarheit entnehmen, wann und in welcher Form die Klägerin Beweisanträge gegenüber dem LSG gestellt haben will. Ebenso wenig ist hinreichend dargetan, dass es sich dabei um prozessordnungsgemäße Beweisanträge gehandelt haben könnte. Hierfür wäre aufzuzeigen, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte (vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 bzw § 373 ZPO) und mit welchem Ziel im Berufungsverfahren Beweis erhoben werden sollte und dass es sich ihrem Inhalt nach nicht um bloße Beweisanregungen gehandelt habe (vgl zB BSG Beschluss vom 26.11.2019 - B 13 R 159/18 B - juris RdNr 8 mwN). Liegen wie hier bereits mehrere Gutachten zum verbliebenen Leistungsvermögen vor, bedarf es zudem besonderer Angaben, weshalb die Einholung eines weiteren Gutachtens erforderlich sein soll (vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 26.10.2022 - B 5 R 105/22 B - juris RdNr 10 mwN).
Ungeachtet dessen zeigt die Beschwerde nicht auf, dass die Klägerin bis zuletzt an den behaupteten Anträgen festgehalten habe. Wird wie hier aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, ist das dann der Fall, wenn ein anwaltlicher vertretener Beteiligter wie die Klägerin den Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhält oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 13.10.2020 - B 12 KR 8/20 B - juris RdNr 23; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 18c mwN). Dazu macht die Beschwerde keine Ausführungen.
Indem die Klägerin vorbringt, die Zweifel des LSG gegen die Annahme des Sachverständigen W1 seien nicht nachvollziehbar, wendet sie sich gegen die vorgenommene Auswertung und Würdigung der aktenkundigen medizinischen Befundberichte und Sachverständigengutachten. Die Richtigkeit der Beweiswürdigung der Vorinstanz (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) kann im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch von vorneherein nicht überprüft werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Gleiches gilt für die Ausführungen der Klägerin zum Gutachten des Sachverständigen W2, zum Reha-Entlassungsbericht vom 26.1.2021, zum Schreiben des Klinikums S2 vom 9.6.2021 sowie zum Arztbrief des Universitätsklinikums L vom 2.2.2021.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Der Senat kann über die demnach unzureichend begründete Nichtzulassungsbeschwerde entscheiden, obwohl die Klägerin um einen richterlichen Hinweis gebeten hat, sofern weiterer Vortrag erforderlich sei. Auch aus § 106 Abs 1 SGG erwächst keine Pflicht, einen sachkundig vertretenen Beteiligten auf mögliche Mängel der Beschwerdebegründung hinzuweisen (vgl zB BSG Beschluss vom 7.12.2022 - B 5 R 176/22 B - juris RdNr 8 mwN).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15741844 |