Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufskrankheit. Todesursache. Kausalität. Zulässigkeit der Revision

 

Orientierungssatz

1. Zur verfahrensfehlerfreien Feststellung des LSG, daß der Versicherte nicht durch eine Berufskrankheit oder eine Krankheit verstorben ist, die wie eine Berufskrankheit zu entschädigen ist.

2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß wurde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl BVerfG 1. Senat 2. Kammer vom 3.11.1993 - 1 BvR 1713/93).

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3; RVO § 551; SGG § 103

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 16.12.1992; Aktenzeichen L 3 U 632/89)

 

Gründe

Die Klägerin ist mit ihrem Begehren ohne Erfolg geblieben, ihr Witwenrente zu gewähren, weil ihr verstorbener Ehemann (Versicherter) an einer Berufskrankheit (BK) verstorben sei, das sie für ein malignes, durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells halte (Bescheid vom 13. März 1985, Widerspruchsbescheid vom 30. September 1985; Urteile des Sozialgerichts (SG) Gießen vom 13. April 1989 und des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 16. Dezember 1992). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, der Versicherte sei nicht durch eine BK oder eine Krankheit verstorben, die wie eine BK entschädigt werden solle. Er habe auch nicht an einem Mesotheliom gelitten, sondern sei an einem metastasierten Bronchialkarzinom verstorben. Diese Erkrankung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit durch Asbeststaub verursacht worden. Es hätten sich weder eine Fibrose der Lunge noch Asbestkörperchen finden lassen. Bei der rastertransmissionselektronenmikroskopischen Untersuchung eines veraschten Lungengewebsstücks des Versicherten in der Größe eines Kubikzentimeters hätten sich pro Gramm getrockneten Lungengewebes eine Konzentration von 770.000 Asbestfasern aller Längen und 97.000 Asbestfasern einer Länge von mehr als 5 Mikrometer finden lassen. Danach sei der Versicherte unter den drei Asbestexpositionsgruppen: 1) Normal(lungen), 2) fragliche oder niedrige Exposition und 3) sichere hohe Exposition in die zweite Gruppe einzuordnen, weil die beiden Meßwerte in deren untersten Konzentrationsbereich lägen und sich nur wenig von der ersten unterschieden. Dem entspreche die im Berufsleben des Versicherten nachgewiesene Zeit einer gefährdenden Asbeststaubexposition am Arbeitsplatz. Als Elektrikerlehrling und -geselle sei der Versicherte in der Zeit von Juli 1945 bis Mai 1950 asbestbelastet tätig gewesen, indem er Waffeleisen, Bügeleisen, Zigarettenanzünder, Elektroschaltkästen und Wabenlöter unter Verwendung von Asbest und Eternit hergestellt habe. Die Qualität der Asbeststaubeinwirkung lasse sich heute nicht mehr näher aufklären. Eine weitergehende Asbestbelastung in späteren Berufsjahren lasse sich nicht nachweisen.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe iS des § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

I. Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.

1. Die Entscheidung des LSG, das Verfahren nicht auszusetzen, enthält keinen Verfahrensfehler. Einen Grund für eine notwendige Aussetzung des Verfahrens (§ 202 SGG iVm §§ 239, 241, 242 Zivilprozeßordnung) hat die Beschwerdeführerin auch nicht vorgetragen. Mit Rücksicht darauf, daß das LSG eine BK bereits dem Grunde nach verneint hat, erweist sich die Ablehnung auch im Hinblick auf § 589 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) und die beim SG noch anhängigen Ansprüche auf Lebzeitenentschädigung nicht als verfahrensfehlerhaft.

2. In Übereinstimmung mit § 128 Abs 1 Satz 1 SGG hat das LSG das umfangreiche Beweisergebnis dahin gewürdigt, daß der Versicherte nicht an einem Mesotheliom gelitten hat. Insofern hat es mit hinreichendem Grund abgelehnt, hierzu ein Obergutachten einzuholen.

3. Das LSG hat die neuen Erkenntnisse iS des § 551 Abs 2 RVO über asbestbedingte Erkrankungen, die wie eine BK entschädigt werden sollen, nach dem gegenwärtigen Stand dargelegt und ausgeführt, warum der Versicherte die Voraussetzungen des § 551 Abs 2 RVO nicht erfüllt hat. Demgegenüber hat die Klägerin dem LSG keine substantiierten Tatsachen vorgetragen, die das LSG hätten drängen müssen, die Akten eines sogenannten Präzedenzfalles aus dem Jahre 1981 beizuziehen.

4. Das LSG hat zutreffend dargelegt, warum die Beweisanträge zu den Beweisthemen, was ein normaler Lungenbefund sei und daß beim Versicherten kein normaler Lungenbefund vorgelegen habe, von seinem Rechtsstandpunkt aus beweisunerheblich gewesen sind.

5. Das LSG hat zutreffend dargelegt, warum die nicht näher spezifizierte Behauptung alter Röntgenaufnahmen aus der Zeit vor der Tumorerkrankung ohne jeglichen Anhaltspunkt dafür, ob und wo sie überhaupt existieren, es nicht drängen mußte, den entsprechenden Antrag zum Beweis einer Minimalasbestose zu befolgen.

6. Das LSG hat verfahrensfehlerfrei dargelegt, warum es sich von seinem Rechtsstandpunkt aus nicht gedrängt fühlen mußte, das medizinische Gutachten vom 15. September 1992 durch Dr. P. und Prof. Dr. N. mit einer näheren Erläuterung des Begriffs der wesentlichen Mitursache ergänzen zu lassen.

II. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 und Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG.

1. Die Frage, "ob es den Berufungsgerichten im Süddeutschen nach wie vor gestattet ist, in den Beweisbeschlußformularen die Anerkennung einer BK davon abhängig zu machen, daß das Kriterium annähernd gleichwertig zum Maßstab gemacht wird", stellt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Den Gerichten steht es ungeachtet der richterlichen Beweiswürdigung, die im Beschwerdeverfahren überhaupt nicht und im Revisionsverfahren nur begrenzt nachprüfbar ist, zunächst einmal frei, mit welchen Beweisfragen im einzelnen sie ihren Pflichten aus den §§ 103, 106 SGG nachkommen wollen, um den Sachverhalt vollständig aufzuklären und später gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu entscheiden.

2. Soweit die Beschwerdeführerin im übrigen wegen des ihrer Meinung nach in der Sache falschen Ergebnisses des angefochtenen Urteils eine Abweichung von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung des BK-Rechts in der RVO (einfaches Recht) und außerdem Verstöße gegen Art 3 Grundgesetz (GG) (Gleichbehandlung), gegen Art 103 GG (rechtliches Gehör) und eine Verletzung des Rechts auf einen fairen Prozeß (Art 6 der Menschenrechtskonvention) rügt, fehlt der Beschwerdebegründung die schlüssige Darlegung und Bezeichnung eines Zulassungsgrundes iS des § 160 Abs 2 SGG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1656630

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