Verfahrensgang
SG Regensburg (Entscheidung vom 22.01.2019; Aktenzeichen S 16 KR 56/18) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 10.06.2020; Aktenzeichen L 4 KR 288/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Juni 2020 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit ist die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner (KVdR) streitig.
Der Kläger war seit dem Jahr 1997 bei der BKK AKS und ab 1.11.2004 bei der Beklagten freiwillig versichert. Seit 1.5.1995 bezieht er eine Rente. Am 4.8.2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten, in der KVdR geführt zu werden. Die Beklagte erklärte, dass die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung in der KVdR grundsätzlich ab 1.4.2002 erfüllt seien. Wegen des vom Kläger ausgeübten Optionsrechts nach § 9 Abs 1 Nr 6 SGB V sei der Eintritt der Versicherungspflicht in der KVdR aber auf Dauer ausgeschlossen (Bescheid vom 9.8.2017, Widerspruchsbescheid vom 9.1.2018). Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass er zu keinem Zeitpunkt schriftlich ein Optionsrecht ausgeübt habe. Das SG Regensburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.1.2019), das LSG die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte im Wege des Überprüfungsverfahrens zur Feststellung verpflichtet werde, dass er seit dem 1.8.2017 Pflichtmitglied in der KVdR sei. Der Eintritt der Pflichtversicherung in der KVdR zum 1.4.2002 hätte aufgrund der Optionsregelung in § 9 Abs 1 Nr 6 SGB V nur bis zum 30.9.2002 zugunsten einer freiwilligen Versicherung auf Dauer abgewählt werden können. Der Kläger sei nach dem 1.4.2002 weiter freiwillig versichert gewesen, ohne dies in Frage zu stellen. Diese Entscheidung könne nicht zum 1.8.2017 rückgängig gemacht werden. Ob der Kläger sein Optionsrecht schriftlich ausgeübt habe, spiele keine Rolle. Ein entsprechender Nachweis sei zwar nicht mehr möglich, weil keine Unterlagen mehr vorhanden seien. Der Kläger könne aber nicht von einer Weiterführung der freiwilligen Versicherung und zugleich von einer fehlenden Ausübung des Wahlrechts im Jahr 2002 ausgehen. Im Übrigen trage der Kläger im Rahmen des von ihm verfolgten Überprüfungsverfahrens die Beweislast dafür, dass er das Optionsrecht nicht schriftlich ausgeübt habe (Urteil vom 10.6.2020).
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht hinreichend dargelegt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
"ob ein Optionsrecht gemäß § 188 Abs. 3 SGB V gegenüber der Krankenkasse ausgeübt wurde und wenn ja, ob insoweit ein schriftlicher Nachweis geführt werden muss",
bzw
"ob im Sinne des § 188 SGB III (gemeint ist offenbar SGB V) eine schriftliche Wahlerklärung vorliegen muss oder andere Tatbestände herangezogen werden können, die zu einer Umgehung dieser Frage führen?"
Mit der ersten Frage wird insbesondere nach dem Ergebnis eines Subsumtionsvorgangs im Einzelfall gefragt. Auch mit der zweiten Frage wird keine klare Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
Selbst wenn eine Rechtsfrage zu § 188 Abs 3 SGB V iVm § 9 Abs 1 Nr 6 SGB V als aufgeworfen unterstellt würde, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es ua dann, wenn sich die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und daher praktisch außer Zweifel steht (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 11 und BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der vom Beschwerdeführer als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN; s auch BSG Beschluss vom 28.11.2018 - B 12 R 34/18 B - juris RdNr 6). Auf eine solche Rechtsprechung muss eine Beschwerde eingehen.
Der Kläger erklärt in der Beschwerdebegründung jedoch nur, dass der Wortlaut des Gesetzes (gemeint § 188 Abs 3 SGB V) bezüglich des Schriftformerfordernisses und seines Nachweises eindeutig sei. Eine Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Beweisgrundsätzen und zur Beweislast erfolgt nicht ansatzweise. Damit wird gerade nicht die Klärungsbedürftigkeit dargelegt, sondern allenfalls die Richtigkeit der Entscheidung in Zweifel gezogen. Mit der Behauptung, das Urteil des LSG sei inhaltlich rechtsfehlerhaft, lässt sich die Zulassung der Revision aber nicht erreichen.
Im Übrigen ist auch die Klärungsfähigkeit nicht dargelegt. Zur Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit mangelt es schon an einer klaren Sachverhaltsdarlegung; so fehlt etwa bereits die Darstellung des Klägers, welcher Bescheid Gegenstand des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X sein soll und mit Wirkung ab wann die Aufhebung dieses Verwaltungsakts nach § 44 (Abs 1 oder 2?) SGB X hier erfolgen kann.
Der Kläger legt auch nicht dar, inwieweit eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung vorliegen soll. Dazu wären hier insbesondere deshalb nähere Darlegungen erforderlich gewesen, weil es sich bei dem Optionsrecht nach § 9 Abs 1 Nr 6 SGB V um eine inzwischen gegenstandslos gewordene Übergangsregelung handelt, die durch Art 1 Nr 5 des Terminservice- und Versorgungsgesetzes vom 6.5.2019 (BGBl I 646) aufgehoben worden ist. Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht kann eine Klärungsbedürftigkeit nur anerkannt werden, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage dieses ausgelaufenen Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist, wenn sie nicht offensichtlich erfüllt sind, in der Beschwerdebegründung darzulegen (BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 10 mwN). Daran fehlt es hier.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160 Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14206897 |