Orientierungssatz

Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist im sozialgerichtlichen Verfahren nur dann ein zur Zulassung der Revision führender Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), wenn die angefochtene Entscheidung auf ihm beruhen kann. Deshalb muß mit der Beschwerde dargetan werden, weshalb dies der Fall ist.

 

Normenkette

SGG §§ 62, 160 Abs 2 Nr 3, § 160a Abs 2 S 3

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 17.05.1988; Aktenzeichen L 3/7 Ar 227/87)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Wird die Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, daß die Revision zuzulassen sei, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), muß die grundsätzliche Bedeutung in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Grundsätzliche Bedeutung kann eine Rechtssache nur haben, wenn in ihr mindestens eine Rechtsfrage enthalten ist, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat, also klärungsbedürftig, klärungsfähig und für den Einzelfall entscheidungserheblich ist. Daß und warum dies der Fall ist, muß substantiiert aufgezeigt werden. Es müssen also zunächst die Rechtsfragen eindeutig angegeben werden, deren Klärung erwartet wird. Sodann ist darzulegen, weshalb sie klärungsbedürftig, klärungsfähig und entscheidungserheblich sind. Das ist hier nicht geschehen.

Es fehlt an ausreichenden Darlegungen, daß in einem künftigen Revisionsverfahren die aufgeworfenen Fragen entscheidungserheblich sind, dh daß mit ihrer Beantwortung gerechnet werden kann. Der Beschwerdeführer hat darauf hingewiesen, er habe in der Berufungsinstanz vorgetragen, daß er die besondere Arbeitserlaubnis (AE) auch auf der Grundlage von Art 17 der Genfer Konvention verlangen könne. Als Defacto-Flüchtling mit einer von der Ausländerbehörde erteilten Aufenthaltserlaubnis genieße er die Vergünstigungen der Konvention, die im Rang eines einfachen Bundesgesetzes der Arbeitserlaubnis-Verordnung vorgehe und eine selbständige Anspruchsgrundlage sein könne. Wenn dieses vom Beschwerdeführer in der Berufungsinstanz vorgetragene Argument zuträfe, dann würde es auf die von ihm als grundsätzlich weiter aufgeworfenen Rechtsfragen, ob ihm nämlich ungeachtet der fehlenden Anerkennung als Asylberechtigter wegen besonderer Umstände eine AE aus Härtegründen zustehe, bzw wann ein der Anerkennung als Asylberechtigter nahekommender Sachverhalt mit der Folge eines AE-Anspruchs vorliege, Rechtsfragen also, die vom Landessozialgericht (LSG) nach seinem Vorbringen erwogen worden sind, nicht ankommen. Diese Rechtsfragen wären nämlich nicht mehr entscheidungserheblich, wenn sich der Anspruch auf Erteilung einer AE bereits auf der Grundlage der Genfer Konvention ergäbe, wie der Beschwerdeführer meint. Um dennoch deren Entscheidungserheblichkeit zu begründen, hätte daher dargelegt werden müssen, weshalb das Revisionsgericht auch dann, wenn es der Ansicht des Beschwerdeführers über die Begründetheit seines Anspruchs auf der Grundlage der Genfer Konvention folgen sollte, noch tragend über diese weiteren Rechtsfragen zu entscheiden haben würde.

Die Beschwerdebegründung entspricht den gesetzlichen Anforderungen auch insoweit nicht, als der Beschwerdeführer Zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend macht. In diesem Fall ist gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Begründung der Beschwerde ein Verfahrensmangel zu bezeichnen, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der Beschwerdeführer hat zwar zutreffend dargelegt, daß das LSG seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, indem es in seinem Urteil nicht auf die von ihm in seinem Schriftsatz vom 17. Dezember 1987 vorgetragene Begründung eingegangen ist. Indessen sind damit noch nicht die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG aufgezeigt. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, daß die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Deshalb muß mit der Beschwerde dargetan werden, weshalb dies der Fall ist. Das gilt auch bei Geltendmachung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Denn aus der Verletzung dieses Rechts kann im sozialgerichtlichen Verfahren kein absoluter Revisionsgrund abgeleitet werden, bei dessen Vorliegen die Entscheidung stets als auf der Gesetzesverletzung beruhend anzusehen ist. Im Unterschied zu § 138 Nr 3 Verwaltungsgerichtsordnung und § 119 Nr 3 Finanzgerichtsordnung ist die Verletzung des rechtlichen Gehörs nämlich weder im SGG noch in der entsprechend anwendbaren Zivilprozeßordnung unter den absoluten Revisionsgründen aufgeführt worden (BSG SozR 1500 § 160 Nr 31; BSGE 53, 83, 84 = SozR 1500 § 124 Nr 7). In Fällen der vorliegenden Art muß der Beschwerdeführer daher darlegen, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann. Das erfordert substantiierte Darlegungen dazu, daß das LSG zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gekommen wäre, wenn es nicht verfahrensfehlerhaft vorgegangen wäre. Der Beschwerdeführer hätte dartun müssen, daß das LSG, wenn es seine Ausführungen zum Anspruch auf die Erteilung einer AE auf der Grundlage der Genfer Konvention berücksichtigt hätte, zu einem für ihn positiven Urteil gekommen wäre. Gerade daran fehlt es aber. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, eine Zurückweisung der Berufung sei nur denkbar, wenn die nicht berücksichtigten Argumente nicht für tragfähig erachtet worden seien, läßt vielmehr den Schluß zu, daß das LSG nach Ansicht des Beschwerdeführers auch dann, wenn es nicht verfahrensfehlerhaft gehandelt hätte, möglicherweise zu keinem anderen Ergebnis gelangt wäre. Das folgt auch aus seinem Vorbringen, daß im Berufungsurteil wenigstens hätte begründet werden müssen, weshalb die nicht berücksichtigten Argumente nicht für tragfähig erachtet wurden. Der Beschwerdeführer rügt insoweit nur das Vorliegen von Verfahrensmängeln, zeigt aber nicht schlüssig auf, wie es das Gesetz verlangt, inwiefern die Entscheidung des LSG auf diesen Mängeln beruhen kann. Aus den gleichen Gründen kann auch die Rüge einer Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 2 SGG nicht greifen.

Entspricht die Begründung der Beschwerde somit nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß die Beschwerde entsprechend § 169 SGG als unzulässig verworfen werden.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe muß abgelehnt werden. Die hierfür gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozeßordnung erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg für die beabsichtigte Rechtsverfolgung liegt nach den vorstehenden Ausführungen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665047

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