Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde Anerkennung. Gesundheitsstörung. Verpflichtungsklage. Feststellungsklage. Statthaftigkeit. Verwaltungsentscheidung über (Nicht-)Vorliegen eines Versicherungsfalls
Leitsatz (redaktionell)
Solange sie über den Feststellungsanspruch nicht entschieden hat, besteht – außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde – weder ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung noch ein Rechtschutzinteresse, den Unfallversicherungsträger zum Erlass eines entsprechenden feststellenden Verwaltungsakts zu verpflichten.
1. Eine Anerkennung einer Gesundheitsstörung gerichtete Verpflichtungs- bzw. Feststellungsklage wird erst statthaft, wenn die funktional und sachlich zuständige Ausgangsbehörde ihre Verwaltungsentscheidung über das (Nicht-)Vorliegen eines Versicherungsfalls getroffen hat.
2. Solange sie über den Feststellungsanspruch nicht entschieden hat, besteht – außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde – weder ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung noch ein Rechtschutzinteresse, den Unfallversicherungsträger zum Erlass eines entsprechenden feststellenden Verwaltungsakts zu verpflichten.
Normenkette
SGG § 73 Abs. 4, § 73a Abs. 1 S. 1, §§ 88, 160 Abs. 2; ZPO §§ 114, 121
Verfahrensgang
SG München (Entscheidung vom 27.03.2017; Aktenzeichen S 23 U 458/16) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 18.11.2019; Aktenzeichen L 2 U 108/17) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. November 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Mit vorbezeichnetem Urteil hat das Bayerische LSG den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG vom 27.3.2017 sowie den negativen Zugunstenbescheid vom 8.6.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.8.2016 geändert, die Ablehnung der Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als BK bzw Wie-BK im Widerspruchsbescheid vom 21.11.2012 aufgehoben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen, dh soweit der Kläger begehrt hatte, die posttraumatische Belastungsstörung als BK bzw Wie-BK behördlich bzw gerichtlich festzustellen. Nach Zustellung am 12.2.2020 hat der Kläger am 9.3.2020 um Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde nachgesucht sowie die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt.
Das PKH-Gesuch ist indes abzulehnen, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 ZPO). Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder aufgezeigt worden noch nach Durchsicht der Akten aufgrund der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung des Streitstoffs zu erblicken. Es ist nicht erkennbar, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen.
a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die Frage bereits durch das BSG bzw ein anderes oberstes Bundesgericht entschieden ist (BVerwG Beschlüsse vom 16.11.2007 - 9 B 36/07 - juris RdNr 11 und vom 6.3.2006 - 10 B 80/05 - juris RdNr 5; zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind nicht erkennbar. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass eine Verpflichtungs- bzw Feststellungsklage erst statthaft wird, wenn die funktional und sachlich zuständige Ausgangsbehörde ihre Verwaltungsentscheidung über das (Nicht-)Vorliegen eines Versicherungsfalls getroffen hat (vgl BSG Beschluss vom 27.6.2006 - B 2 U 77/06 B - SozR 4-1500 § 55 Nr 4 RdNr 8). Solange sie über den Feststellungsanspruch nicht entschieden hat, besteht - außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde (§ 88 SGG) - weder ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung noch ein Rechtschutzinteresse, den Unfallversicherungsträger zum Erlass eines entsprechenden feststellenden Verwaltungsakts zu verpflichten (vgl BSG Urteil vom 20.7.2010 - B 2 U 19/09 R - juris RdNr 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr 20). Eine Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) hat der Kläger indes nicht erhoben.
b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.
c) Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Ein solcher Verfahrensfehler liegt insbesondere nicht darin, dass das LSG die Klage teilweise als unzulässig angesehen und deshalb über den Verpflichtungs- bzw Feststellungsantrag inhaltlich nicht entschieden hat. Denn für eine Sachentscheidung über die erhobene Verpflichtungs- bzw Feststellungsklage fehlt als zwingende Prozessvoraussetzung eine anfechtbare Verwaltungsentscheidung der Ausgangsbehörde über die (Nicht-)Feststellung der posttraumatischen Belastungsstörung als BK bzw Wie-BK.
Da dem Kläger somit keine PKH zu bewilligen ist, hat er nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Fundstellen
Dokument-Index HI13909083 |