Leitsatz (amtlich)
Prozeßhandlungen eines vor dem BSG nicht zugelassenen Prozeßbevollmächtigten bleiben unwirksam, wenn sie nicht innerhalb der dafür vorgeschriebenen Fristen durch eigene Prozeßhandlungen eines zugelassenen (postulationsfähigen) Prozeßbevollmächtigten ersetzt werden.
Normenkette
SGG § 166 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 7. Januar 1958 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin hat gegen das vorbezeichnete, am 23. Januar 1958 zugestellte Urteil fristgerecht durch einen von ihrem Prozeßbevollmächtigten L... unterzeichneten Schriftsatz Revision eingelegt und dieses Rechtsmittel gleichzeitig begründet. Dem Schriftsatz war eine auf F... C... und K... L... lautende Prozeßvollmacht beigefügt. Mit Schriftsatz vom 27. März 1958 ist ferner eine auf Herrn F... C... ausgestellte Prozeßvollmacht der Klägerin und eine von C... auf K... L... ausgestellte "Untervollmacht" übersandt worden. Die frühere Vollmacht ist nicht widerrufen worden.
Nach § 164 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) muß die Revision binnen eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Urteils beim Bundessozialgericht (BSG) eingehen. Die Revisionsschrift muß von einem nach § 166 SGG beim BSG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten eigenhändig unterzeichnet sein (SozR SGG § 166 Bl. Da 1 Nr. 1). Nach § 166 Abs. 2 SGG sind als Prozeßbevollmächtigte vor dem BSG Mitglieder und Angestellte von Vereinigungen der Kriegsopfer nur zugelassen, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozeßvertretung befugt sind. Kraft Satzung des Deutschen Kriegsopferverbandes e. V., der zu den Vereinigungen der Kriegsopfer im Sinne des § 166 Abs. 2 SGG gehört (BSG in SozR SGG § 166 Bl. Da 4 Nr. 14), ist nur der erste Vorsitzende und im Falle seiner Verhinderung der zweite Vorsitzende vertretungsberechtigt und damit den Zwecken und Aufgaben des Verbandes entsprechend befugt, die Verbandsmitglieder in Rechtsstreitigkeiten auch vor dem BSG zu vertreten. Zu diesen Personen gehörte zwar, wie aus den beim BSG vorhandenen Akten über die Vertretungsbefugnis beim Deutschen Kriegsopferverband e. V. hervorgeht, von den Bevollmächtigten der Klägerin der 1. Vorsitzende dieses Verbandes F... C..., aber nicht K... L..., der die Revision eingelegt hat. Diesem war im Zeitpunkt der Revisionseinlegung von dem Verband auch keine Vollmacht erteilt, Verbandsmitglieder vor dem BSG zu vertreten. Da L... mithin nicht kraft Satzung oder Vollmacht seiner Organisation zur Prozeßvertretung vor dem BSG befugt war, konnte er die Revision nicht wirksam für die Klägerin einlegen.
Zwar hat der zur Prozeßvertretung vor dem BSG befugte (postulationsfähige) erste Vorsitzende des Verbandes, F... C..., mit Schriftsatz vom 27. März 1958 eine auf ihn allein ausgestellte Vollmacht der Klägerin gleichzeitig mit einer Untervollmacht für K... L... vorgelegt und damit vielleicht zum Ausdruck bringen wollen, daß er die Einlegung der Revision nachträglich "genehmigen" wolle. Jedoch können unwirksame Prozeßhandlungen eines zur Vertretung vor dem BSG nicht befugten Bevollmächtigten durch eigene, nach Ablauf der dafür vorgeschriebenen Fristen vorgenommene Prozeßhandlungen eines postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten nicht rückwirkend geheilt und von Anfang an wirksam gemacht werden (BSG in NJW 1960, 1493). Es widerspräche Sinn und Zweck des Vertretungszwanges vor dem BSG (vgl. hierzu SozR SGG § 166 Bl. Da 2 Nr. 5), zuzulassen, daß durch rückwirkende "Genehmigung Prozeßhandlungen von Personen wirksam würden, denen die Postulationsfähigkeit gefehlt hat. Der Mangel der Postulationsfähigkeit des Bevollmächtigten Liedtke kann auch nicht dadurch geheilt werden, daß der postulationsfähige Bevollmächtigte C... für ihn Untervollmacht erteilt hat. Zwar ist der postulationsfähige Prozeßbevollmächtigte nicht gehindert, die Prozeßhandlung erneut vorzunehmen. Ob aber in dem Verhalten von C... überhaupt eine erneute, formgerechte Einlegung der Revision durch "Bezugnahme" auf die Prozeßhandlung des nicht postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten zu erblicken ist, kann dahingestellt bleiben, weil zu diesem Zeitpunkt, nämlich am 27. März 1958, die Frist zur Einlegung der Revision bereits abgelaufen war. Die Revision ist daher jedenfalls nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt. Sie war somit durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG), ohne daß darüber zu entscheiden war, ob die Revision auf Grund der erhobenen Verfahrensrügen nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft gewesen wäre.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen