Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung der Revision bei Änderung der Rechtsprechung
Orientierungssatz
Zur Zulassung der Revision bei Änderung der Rechtsprechung:*
Für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist jeweils auf die aktuelle Rechtsprechung des BSG abzustellen, so daß bei geänderter Rechtsprechung keine Zulassung wegen einer Divergenz möglich ist. Das gilt auch bei einer Änderung der Rechtsprechung nach Einreichung der Nichtzulassungsbeschwerde (hier: Änderung der Rechtsprechung zur Beteiligung leitender Krankenhausärzte an der kassenärztlichen Versorgung
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 2 Fassung: 1974-07-30, § 160a Fassung: 1974-07-30
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 16.02.1984; Aktenzeichen L 5 Ka 9/83) |
Gründe
Der Kläger ist Chefarzt der Inneren Abteilung eines Krankenhauses in S. Seine uneingeschränkte Beteiligung an der vertragsärztlichen Versorgung wurde mit der Begründung teilweise widerrufen, daß die zwischenzeitlich in S zugelassenen kassen- und vertragsärztlichen Internisten die ambulante Versorgung in dem widerrufenen Bereich sicherstellen würden. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Bescheide aufgehoben. Das die Berufung des Beklagten zurückweisende Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 7. August 1981 wurde durch Urteil des Senats vom 14. Dezember 1982 - 6 RKa 23/81 - aufgehoben; der Rechtsstreit wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Durch Urteil vom 16. Februar 1984 hat das LSG erneut entschieden; es hat unter Abänderung des sozialgerichtlichen Urteils die Klage abgewiesen.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der er eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, eine Divergenz zu Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) und einen Verfahrensmangel geltend macht; insoweit wird auf die Beschwerdebegründung verwiesen. Die Beigeladene Ziffer 2 ist der Beschwerde entgegengetreten.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Soweit der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, wurden die speziell den Widerruf der Beteiligung betreffenden Fragen, insbesondere die Frage des Beurteilungsspielraums der Behörde, durch das Urteil des Senats vom 23. Mai 1984 - 6 RKa 21/83 - (zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) und, was die Zulässigkeit der Heranziehung des Bedarfsplanes angeht, durch das Urteil des Senats vom 6. Juni 1984 - 6 RKa 7/84 - (zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) geklärt. Im übrigen hat der Kläger nicht ausreichend darzulegen vermocht, inwieweit das angestrebte Revisionsverfahren soll dazu dienen können, die Rechtseinheit zu bewahren oder die Entwicklung des Rechts zu fördern (BSG SozR 1500 § 160a SGG Nr 7); letzteres betrifft die vom Kläger aufgeworfenen Fragen der Gleichbehandlung und ob es dem Amtsermittlungsprinzip entspreche, die niedergelassenen Ärzte "formlos" zu befragen.
Soweit der Kläger (in vier Fällen) Abweichungen von Urteilen des BSG geltend macht, vermag er nicht durchzudringen.
a) Es ist zwar richtig, daß in der Entscheidung des Senats vom 17. Dezember 1968 - 6 RKa 33/68 - (BSGE 29, 65) zum Ausdruck gebracht wurde, daß die Beteiligung eines leitenden Krankenhausarztes an der ambulanten kassenärztlichen Versorgung grundsätzliche nicht auf Überweisung durch bestimmte Gruppen von Kassenärzten, insbesondere nur durch Fachärzte beschränkt werden dürfe. Wie das LSG aber zutreffend ausgeführt hat, bezog sich dieses Urteil auf einen Fall, wo der Zulassungsausschuß die Beteiligung nicht auf einzelne Leistungen beschränkte, sie insoweit also unbeschränkt aussprach, sie jedoch nur auf Überweisung durch Fachärzte gewähren wollte. Im vorliegenden Fall ist die Beschränkung auf Fachärzte jedoch nur für einen Bereich ausgesprochen, in dem ein Bedürfnis für besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht besteht, während bei den verbliebenen Leistungen, die mit solchen besonderen Methoden verbunden sind, eine Überweisung durch jeden niedergelassenen Facharzt erfolgen kann. Eine Divergenz - die eine Identität der Streitfrage voraussetzt - liegt daher nicht vor.
b) Die vom Kläger zitierte Entscheidung des Senats vom 13. August 1964 - 6 RKa 22/60 - (BSGE 21, 230) stellt zwar für die Beteiligung darauf ab, daß "besondere Kenntnisse und Erfahrungen" der leitenden Krankenhausärzte der Versorgung zugänglich gemacht werden. Schon in diesem Urteil wird aber konkretisierend auf "andersartige" Erfahrungen (S 233 oben) und auf "neue Methoden der Krankheitserkennung und -behandlung" (S 233 unten) abgestellt. Und der Senat hat dann in der Folgezeit mehrfach entschieden, daß eine Beteiligung aus qualitativen Gründen nicht schon dann notwendig ist, wenn der Krankenhausarzt über besondere Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, sondern erst dann, wenn diese sich in besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden niederschlagen, die für die Versorgung notwendig sind (vgl Urteil vom 14. Dezember 1982 - 6 RKa 24/81 - SozR 2200 § 368a Reichsversicherungsordnung -RVO- Nr 7 am Ende, ferner das Urteil vom 23. Mai 1984 - 6 RKa 2/83 -). Das vom Kläger angeführte Urteil entspricht daher nicht mehr der Rechtsprechung des Senats. Für die Divergenz nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist aber auf die a k t u e l l e Rechtsprechung des BSG abzustellen, so daß bei geänderter Rechtsprechung rechtlich keine Zulassung wegen einer Divergenz möglich ist. Das gilt auch bei einer Änderung der Rechtsprechung nach der Einreichung der Nichtzulassungsbeschwerde (Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 2. Aufl 1981, RdNr 15 zu § 160 mwH).
c) In diesem Sinne ist die vom Kläger zitierte Entscheidung (BSGE 21, 230) auch insoweit überholt, als in diesem Urteil (S 233) ausgeführt wurde, es könne für die Beteiligung nicht der entscheidende Gesichtspunkt sein, ob einzelne Spezialuntersuchungen auch von den niedergelassenen Fachärzten erbracht werden könnten. Auf das oben zitierte 'Urteil des Senats vom 23. Mai 1984 - 6 RKa 21/83 - wird insoweit verwiesen. Daß das Urteil BSGE 21, 230 aber daneben den selbständigen Rechtssatz enthielte, es komme nicht auf die Aussagen der niedergelassenen Fachkollegen an, wird vom Kläger nicht nachgewiesen (vgl Blatt 9 unten seines Begründungsschriftsatzes).
d) Der Kläger trägt im übrigen vor, das Berufungsurteil enthalte auf Blatt 10 den Rechtssatz, eine nach Erlaß der angefochtenen Entscheidungen eingetretene Änderung der Sachlage sei im Rahmen des zulässigen Nachschiebens von Gründen auch im Rahmen einer Anfechtungsklage zu berücksichtigen. Insoweit hat der Kläger jedoch weder darüber Ausführungen gemacht, ob die dort aufgeführten Urteilssätze zum Leistungsangebot einzelner - namentlich genannter - Ärzte über den Einzelfall hinausweisen, noch darüber, ob das Urteil auf der behaupteten Abweichung beruht.
Auch die vom Kläger erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Er trägt vor, das LSG habe gegen den Grundsatz der objektiven Beweis- bzw Feststellungslast verstoßen, indem es nämlich beim Widerruf der Beteiligung auf die Bedürfnisfrage zum Zeitpunkt des Widerrufs abgestellt habe. Abgesehen davon, daß Beweislastregeln demjenigen Rechtsgebiet zuzuordnen sind, dem der Rechtssatz angehört (es hier aber um die materiell-rechtliche Frage der "ausreichenden Versorgung" geht) und auch abgesehen davon, daß bei der Prüfung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, von der Rechtsauffassung des LSG auszugehen ist, kann der Kläger hier schon deshalb nicht durchdringen, weil das LSG die Beweislast, wie sich aus dem oben zitierten Urteil des Senats vom 23. Mai 1984 - 6 RKa 21/83 - ergibt, objektiv nicht verkannt hat, ein "Verfahrensmangel" also jedenfalls gar nicht vorliegt (vgl Meyer-Ladewig aaO RdNr 22, Seite 713 unten).
Die Beschwerde war somit als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen