Entscheidungsstichwort (Thema)
Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage
Orientierungssatz
1. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage nicht schon dann, wenn der Beschwerdeführer eine von der Rechtsansicht der Vorinstanz abweichende materiell-rechtliche Auffassung vertritt. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich erteilt worden ist.
2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß wurde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl BVerfG 1. Senat 3. Kammer vom 25.9.1989 1 BvR 1159/89).
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 18.11.1988; Aktenzeichen L 14 An 59/88) |
Gründe
Nach § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darf das Bundessozialgericht (BSG) die Revision gegen das Urteil eines Landessozialgerichts (LSG) nur zulassen, wenn - die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - das Urteil von einer Entscheidung des BSG oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - bestimmte Verfahrensfehler geltend gemacht werden.
Die - vom Kläger behauptete - sachliche Unrichtigkeit des Urteils des LSG ist dagegen kein Revisionszulassungsgrund.
Gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Genügt die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen nicht, ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Der Kläger hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht "dargelegt". Dafür hätte er die Rechtsfrage, die er für grundsätzlich bedeutsam hält, klar bezeichnen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 11), die über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung der angestrebten Entscheidung aufzeigen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 39, 7; § 160 Nr 60), die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage darstellen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 59; § 160 Nr 17) und schließlich den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt aufzeigen müssen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 39; § 160a Nrn 31, 54). Diesen - verfassungsrechtlich unbedenklichen (Bundesverfassungsgericht -BVerfG- SozR 1500 § 160a Nrn 44, 45, 48) - Voraussetzungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger meint, es sei klärungsbedürftig, "ob der Kinderzuschuß, nachdem die Beklagte den Kläger insoweit um Zustimmung gebeten hat, ohne weiteres auch nach Widerruf dieser Zustimmung an die Beigeladenen ausgezahlt werden darf". Es kann dahingestellt bleiben, ob damit die für klärungsbedürftig erachtete Rechtsfrage hinreichend bestimmt worden ist. Keiner Erörterung bedarf ferner, daß der Kläger mit dem Vortrag, "diese Rechtsfrage sei von allgemeinem Interesse und könne in dem vorliegenden Revisionsverfahren geklärt werden" (Blatt 3 der Beschwerdebegründung) weder die allgemeine Bedeutung der Rechtssache noch die Klärungsfähigkeit der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage hinreichend dargelegt haben dürfte. Seiner Darlegungslast ist er nämlich schon deswegen nicht nachgekommen, weil er die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht aufgezeigt hat. Dazu hat er nur seine Auffassung vorgetragen, der Kinderzuschuß werde nicht unabhängig von geleisteten Beiträgen gewährt, so daß es dem Rentenberechtigten überlassen bleiben müsse, über seine Rente zu disponieren. Klärungsbedürftig ist aber eine Rechtsfrage nicht schon dann, wenn der Beschwerdeführer eine von der Rechtsansicht der Vorinstanz abweichende materiell-rechtliche Auffassung vertritt. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich - wie hier - die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich erteilt worden ist. Der 1. Senat des BSG hat aber bereits in seinem Urteil vom 29. August 1984 (BSGE 57, 127 = SozR 1200 § 48 Nr 9 S 33 ff, 35 f) ausgeführt, daß der Kinderzuschuß iS von § 48 Abs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB 1) "für das Kind" erbracht wird und im wirtschaftlichen Endergebnis dazu bestimmt ist, dem vom Rentenberechtigten zu unterhaltenden Kind zuzufließen. Das BSG (aaO, mwN) hat die Rechtsauffassung vertreten, nach § 48 Abs 2 SGB 1 habe der Rentenberechtigte, auch wenn ihm - und nicht dem Kinde - der Anspruch auf den Kinderzuschuß zustehe, die Abzweigung der für das Kind bestimmten Geldleistung auch dann hinzunehmen, wenn er diesem nicht kraft Gesetzes unterhaltspflichtig sei. In der Beschwerdebegründung hätte daher im einzelnen dargelegt werden müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen dieser höchstrichterlichen Entscheidung widersprochen worden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13).
Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung seiner Rechtsfrage daraus herleitet, er fühle sich "in seinen Grundrechten gemäß Art 3 des Grundgesetzes (GG) beeinträchtigt", ist der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund gleichfalls nicht hinreichend "dargelegt". Zwar kann die Frage nach der Vereinbarkeit einer Norm des einfachen Rechts (hier: § 48 Abs 2 iVm Abs 1 SGB 1) mit dem GG ebenfalls die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache rechtfertigen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 11, 17). Der Beschwerdeführer muß aber, wenn er - wie der Kläger - die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung des Gleichheitssatzes ableiten will, darlegen, worin er die für eine verfassungswidrige Gleich- oder Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale erblickt. Dazu hat der Kläger nur vorgetragen, es finde "eine ungleiche Behandlung zwischen den Rentenempfängern statt, die noch Kinder im Haushalt versorgen, und denjenigen, wie beim Kläger, die Anspruch auf Kinderzuschuß haben, wo jedoch die Kinder nicht im Haushalt des Rentenempfängers leben". Da der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) für den Gesetzgeber bedeutet, daß er weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandeln darf (BVerfGE 1, 52; 1, 247; 4, 144, 155; 55, 114, 128), hätte der Kläger im einzelnen darlegen müssen, weshalb die von ihm behauptete Ungleichbehandlung ungleicher Sachverhalte willkürlich iS von Art 3 Abs 1 GG ist.
Der Kläger hat den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG), auf den er seine Beschwerde gleichfalls stützt, nicht hinreichend "bezeichnet" (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Es wäre darzulegen gewesen, welche Rechtsfrage das LSG anders als das BSG oder der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes entschieden hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 21). Erforderlich sind Ausführungen, mit welchem das Urteil des Berufungsgerichts tragenden Rechtssatz das LSG von welchem eine Entscheidung des BSG tragenden Rechtssatz in welcher Hinsicht abgewichen ist. Der Kläger hat jedoch nur angegeben, das oben angegebene Urteil des BSG vom 29. August 1984 weiche von dem Urteil des 4. Senats des BSG vom 1. Juli 1959 (BSGE 10, 131) ab. Damit ist keine Divergenz zwischen dem Urteil des LSG und einem Urteil des BSG dargelegt, zumal auch der 1. Senat des BSG (aaO) ebenso wie der 4. Senat des BSG (aaO) davon ausgegangen ist, daß der Kinderzuschuß Teil der Versichertenrente ist.
Soweit der Kläger "rechtswidrige Ermessensentscheidungen in den Instanzurteilen" rügt, stellt er nur seine von den Vorinstanzen abweichende materiell-rechtliche Auffassung dar, zeigt aber keinen Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) des Berufungsgerichts auf. Auf die materiell-rechtlichen Auffassungen des Klägers könnte das BSG aber nur eingehen, wenn die Revision zugelassen und in zulässiger Weise eingelegt worden wäre.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen