Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bei außer Kraft getretener gesetzlicher Vorschrift
Orientierungssatz
1. Eine außer Kraft getretene gesetzliche Vorschrift kann in aller Regel eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht mehr aufwerfen, es sei denn, daß noch eine erhebliche Zahl von Fällen der Entscheidung harrt und darin die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage liegt. Das hat der Beschwerdeführer genau und im einzelnen darzulegen.
2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Gründe vgl BVerfG 1. Senat 3. Kammer vom 30.11.1989 - 1 BvR 1643/88).
Normenkette
SGG § 160a Abs 2 S 3
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 24.03.1988; Aktenzeichen L 4 An 28/87) |
Gründe
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. März 1988 ist unzulässig.
Auf die Beschwerde ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, wobei der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). In der Begründung der Beschwerde muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Diesen Formerfordernissen genügt die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger nicht.
Sie halten es für eine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung, wie der Ausnahmefall des § 119 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum 31. Dezember 1975 geltenden Fassung (aF), hilfsweise das "wohlverstandene Interesse" des Berechtigten bei der Genehmigung der Abtretung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu verstehen ist, ob es also stets eines der abgetretenen Rente gleichwertigen Vermögenserwerbs des Berechtigten bedarf oder ob es ausreicht, daß die Abtretung nur eine sonst eintretende Bereicherung aus der Rentenzahlung, ggfs verbunden mit Vorteilen aus dem Unterhaltsrecht oder ähnlichen Vorschriften, ausgleicht.
Mit diesem Vorbringen ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt worden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). § 119 RVO aF ist mit Ablauf des 31. Dezember 1975 außer Kraft getreten und ab 1. Januar 1976 durch § 53 des Sozialgesetzbuchs, Erstes Buch, Allgemeiner Teil (SGB 1) vom 11. Dezember 1975 (BGBl I S 3015) ersetzt worden. Eine außer Kraft getretene gesetzliche Vorschrift kann in aller Regel eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht mehr aufwerfen, es sei denn, daß noch eine erhebliche Zahl von Fällen der Entscheidung harrt und darin die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage liegt. Das hat der Beschwerdeführer genau und im einzelnen darzulegen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 19 S 27). Die Kläger haben dazu in ihrer Beschwerdebegründung nichts ausgeführt. Möglicherweise wollen sie geltend machen, auch die Auslegung des in § 53 Abs 2 Nr 2 SGB 1 verwendeten Begriffs des "wohlverstandenen Interesses" sei von grundsätzlicher Bedeutung. Indes fehlt es dann an den für die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erforderlichen Ausführungen, daß die angestrebte Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung besitzt, von ihr also erwartet werden kann, daß sie in einer bisher nicht geschehenen, jedoch die Interessen der Allgemeinheit berührenden Weise das Recht oder die Rechtsanwendung fortentwickeln oder vereinheitlichen wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 39 S 58). Dazu hätte es der Darlegung bedurft, daß der von den Klägern am 8. Oktober 1974 geschlossene notarielle Vertrag nicht nur ihren individuellen und spezifischen Verhältnissen Rechnung trägt, sondern Verträge dieses Inhaltes häufiger geschlossen zu werden pflegen und deswegen im Zusammenhang damit die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des "wohlverstandenen Interesses" einzelfallübergreifende Bedeutung besitzt. Dazu ist der Beschwerdebegründung nichts zu entnehmen.
Die Kläger rügen als Mangel des Verfahrens eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§§ 62, 128 Abs 2 SGG) dadurch, daß das LSG ihre (der Kläger) Ausführungen über die Herkunft der zur Beitragsnachentrichtung des Klägers verwendeten Mittel aus dem Vermögen der Eltern der Klägerin, welche den Kern ihres (der Kläger) Verlangens auf Genehmigung der Vereinbarung vom 8. Oktober 1974 durch die Beklagte ausmachten, nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, sondern statt dessen durch die Annahme, der Kläger habe durch die notarielle Vereinbarung etwas abgeben sollen, den Sachverhalt geradezu auf den Kopf gestellt habe.
Mit diesen Ausführungen ist ein Verfahrensmangel durch Verletzung des den Klägern zustehenden Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht bezeichnet worden. Das LSG hat im Tatbestand seines Urteils vom 24. März 1988 den zwischen den Klägern geschlossenen notariellen Vertrag vom 8. Oktober 1974 einschließlich der darin enthaltenen Passage, wonach die Klägerin durch ihre Eltern den zur Erlangung eines Rentenanspruchs des Klägers erforderlichen Betrag bei der Beklagten einzahlt, wörtlich zitiert und somit erkennbar zur Kenntnis genommen. Daß es gleichwohl die Vereinbarung vom 8. Oktober 1974 dahin ausgelegt hat, daß sie dem Kläger wirtschaftlich keine Vorteile gebracht habe, sondern allein der Klägerin einen Vorteil durch Begründung eines eigenen Rentenanspruchs habe verschaffen sollen, vermag für sich allein eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht zu begründen. In Betracht kommt allenfalls eine Unrichtigkeit der allein dem Tatsachengericht obliegenden Überzeugungsbildung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Rüge einer Verletzung dieser Verfahrensvorschrift ist indes im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde ausgeschlossen (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist nach alledem mangels formgerechter Darlegung eines Zulassungsgrundes unzulässig und in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen