Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 11.12.1963) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Dezember 1963 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klage, mit der der Kläger die Rückzahlung angeblich zu Unrecht geleisteter Pflichtbeiträge an seinen Arbeitgeber begehrt, wurde durch das angefochtene Urteil als unzulässig abgewiesen, weil das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehle.
Der Kläger könne sich die von ihm beanspruchte Leistung auf einfacherem Wege beschaffen, wenn er die Beiträge nach § 82 des Angestellten-Versicherungsgesetzes (AVG) in der Fassung des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vom 23. Februar 1957 von der Beklagten zurückverlange.
Mit der – nicht zugelassenen – Revision rügt die Beklagte, daß das Landessozialgericht (LSG) zu Unrecht ein Prozeßurteil erlassen habe, anstatt in der Sache zu entscheiden; auch als obsiegende Partei sei sie durch das angefochtene Urteil beschwert, weil die Rechtskraft des Prozeßurteils nicht so weit reiche wie die der beantragten Sachabweisung.
Das Rechtsmittel ist nicht zulässig. Zwar hat die Beklagte ausreichend substantiiert gerügt, daß das LSG den Kläger nicht auf einen Beitragserstattungsanspruch nach § 82 AVG verweisen durfte, sondern sachlich über den geltend gemachten Rückzahlungseinspruch entscheiden mußte. Trotz dieses richtig beanstandeten Verfahrensmangels (vgl. BSG 1, 283) ist die Revision aber nicht zulässig, weil die Beklagte durch das angefochtene Urteil nicht beschwert ist. Dabei kann dahinstehen, ob ihr in den Vorinstanzen gestellter Klagabweisungsantrag überhaupt als Antrag auf Sachabweisung angesehen werden muß. Denn ob eine Beschwer der Beklagten vorliegt, beurteilt sich nach dem sachlichen Inhalt der Entscheidung und nicht nach deren Abweichen von den gestellten Anträgen (vgl. BSG 10 Senat, Urteil vom 14. Februar 1964 – 1 RA 151/61 –, Deutsche Angestelltenversicherung 1964, 341). Die angefochtene Entscheidung bedeutet aber für die Beklagte gegenüber einer Sachabweisung keinen Nachteil.
Zwar wird für das Zivilprozeßrecht allgemein angenommen, eine Prozeßabweisung sei wegen der geringeren inneren Rechtskraftwirkung für den Beklagten stets nachteiliger als eine Sachabweisung (vgl. Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, Komm., 26. Aufl., 1961, § 511 Grundz Anm. 3 A; Stein/Jonas/Schönke, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, II. Ed. § 511 Anm. II A 2; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 80 Aufl., 1960, § 134 II 2 a S. 661). Dies läßt sich jedoch nur mit Einschränkungen auf das Verfahren vor den Sozialgerichten übertragen (einschränkend auch für den allgemeinen Verwaltungsprozeß; BVerwG Urt. vom 2. Dezember 1957 in VerwRspr. Bd. 10 S. 379 Nr. 105 und Urt. vom 10. Februar 1960 in DVBl. 1960, 364). Denn anders als im Zivilprozeß bietet die Prozeßabweisung im sozialgerichtlichen Verfahren unter Umständen ebensowenig Raum für eine Wiederholung des Rechtsstreits wie eine Sachabweisung. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn nach erfolgloser Anfechtungs- und Leistungsklage der angefochtene Bescheid gemäß § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) für die Beteiligten in der Sache bindend wird und weitere prozessuale Möglichkeiten – wie etwa eine erneute Klage in gleicher Sache vor einem anderen Gericht – für den Kläger und materiell nachteilige Folgewirkungen für den Beklagten ausscheiden. So ist es aber im vorliegenden Fall. Nach dem – wenn auch nur aus prozessualen Gründen – ergebnislosen Rechtsstreit ist der Kläger formell wegen Ablaufs der Klagefrist (§ 87 Abs. 2 SGG) gehindert, in gleicher Sache einen erneuten Prozeß zu führen; materiell aber ist er nach § 77 SGG an den angefochtenen Bescheid gebunden.
Die Beklagte hat damit ihr eigentliches im Rechtsstreit verfolgtes Ziel, den Bestand ihres angefochtenen Verwaltungsaktes zu erhalten, erreicht. Für ihr Begehren, darüber hinaus ohne weitere Angriffe des Klägers ihre Rechtsauffassung gerichtlich bestätigt zu erhalten, kann ein Rechtsschutzbedürfnis nicht anerkannt werden. Ihre Revision ist deshalb zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Dr. Haug, Dr. Buss, Heyer
Fundstellen