Leitsatz (amtlich)
1. Der = Kyffhäuserbund eV = gehört nicht zu den Vereinigungen, deren Mitglieder und Angestellte nach SGG § 166 Abs 2 vor dem BSG als Prozeßbevollmächtigte zugelassen sind.
2. Prozeßhandlungen eines postulationsunfähigen Prozeßbevollmächtigten vor dem BSG werden durch die spätere Genehmigung eines postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten nicht rückwirkend geheilt.
3. Wird in der Revisionsschrift nur auf einen Antrag verwiesen, der in einer unwirksamen früheren Revisionsschrift durch einen nicht postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten gestellt war, so wird dadurch das Erfordernis des "bestimmten Antrags" im Sinne des SGG § 164 Abs 2 nicht erfüllt.
Normenkette
SGG § 164 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 166 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
1.) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung der versäumten Revisionseinlegung wird zurückgewiesen.
2.) Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts in Berlin vom 8. Dezember 1958 wird als unzulässig verworfen.
3.) Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Gegen das dem Kläger am 29. Januar 1959 zugestellte Urteil hat dieser durch den von ihm bevollmächtigten Vorsitzenden des Kreisverbandes K des K.-bundes e.V. P, mit Schreiben vom 25. Februar 1959, eingegangen bei dem Bundessozialgericht (BSG.) am 26. Februar 1959, die vom Landessozialgericht (LSG.) zugelassene Revision eingelegt und sie in einem gleichzeitig eingegangenen Schreiben vom 26. Februar 1959 begründet. Auf die vom erkennenden Senat durch Schreiben vom 18. Juni 1959 geäußerten Bedenken hinsichtlich der Frage der Zugehörigkeit des K-bundes zu den Organisationen im Sinne des § 166 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Kläger am 13. Juli 1959 durch den Rechtsanwalt S erneut Revision eingelegt; in dieser Revisionsschrift vertritt der Prozeßbevollmächtigte die Auffassung, daß durch seine gleichzeitig ausgesprochene Genehmigung der gesamten bisherigen Prozeßführung der etwaige Mangel der Vertretungsberechtigung des bisherigen Prozeßbevollmächtigten geheilt werde; er hat deshalb nur erklärt, er wiederhole die Anträge aus dem Schriftsatz vom 25. Februar 1959 und beziehe sich auf die Revisionsbegründung vom 26. Februar 1959. Vorsorglich beantragt der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit Schreiben vom 17. September 1959 - eingegangen bei dem BSG. am 19.September 1959 - hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die von ihm eingelegte Revision ergänzend begründet.
Die durch den Vorsitzenden des Kreisverbands Kassel des K-bundes e.V. P eingelegte Revision ist nicht formgerecht eingelegt. Der "Kyffhäuserbund e.V.", der als eine der sonst im § 166 Abs. 2 Satz 1 SGG genannten Vereinigungen nicht in Frage kommt, kann auch nicht als eine "Vereinigung der Kriegsopfer" im Sinne jener Vorschrift angesehen werden. Die Kriegsbeschädigteneigenschaft ist keine satzungsmäßige Voraussetzung für die Mitgliedschaft; sie wird bei vielen Bundesmitgliedern überhaupt fehlen. Auch die Aufgaben des Bundes lassen keine Ausrichtung auf Ziele erkennen, die eine "Kriegsopfervereinigung" charakterisieren. Das BSG. hat in seinem Beschluß vom 9. Mai 1957 (SozR. SGG § 166 Nr. 14 Bl. Da 4-6) ausführlich dargelegt, wann eine Vereinigung die oben erwähnten Voraussetzungen erfüllt; diese Merkmale sind hier nicht gegeben.
Die von Rechtsanwalt S eingelegte Revision ist verspätet. Wenn der Kläger insoweit die Auffassung vertritt, durch die von Rechtsanwalt S ausgesprochene Genehmigung der "mangelhaften Prozeßhandlungen" des früheren Prozeßbevollmächtigten P seien diese rückwirkend geheilt und somit die in Frage kommenden Verfahrensfristen gewahrt, irrt er. Im Gegensatz zu der Ansicht des Klägers wird ernsthaft nirgends die Auffassung vertreten, ein gesetzlich zwingend vorgeschriebener Vertretungszwang könne dadurch umgangen werden, daß - ohne Bindung an irgendwelche Fristen - ein irgendwann einmal im Laufe des Verfahrens bestellter postulationsfähiger Prozeßbevollmächtigter durch Genehmigung rückwirkend an sich durch die Partei oder einen nicht postulationsfähigen Vertreter wirkungslos vorgenommener Prozeßhandlungen den Mangel dieser Prozeßhandlungen heilen könnte. Soweit überhaupt eine Bezugnahme auf entsprechende frühere Erklärungen nicht postulationsfähiger Personen für zulässig gehalten wird, handelt es sich stets nur darum, daß diese Bezugnahme als Neuvornahme der in Frage kommenden Prozeßhandlungen angesehen und deshalb lediglich als "ex nunc" wirksam betrachtet wird; eine Rückwirkung wird ihnen nicht beigemessen (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Komm. zum SGG, § 166 Anm. 4; Hofmann-Schröter, Komm. zum SGG § 166 Anm. 2; Stein-Jonas-Schönke, Komm. zur ZPO § 78 Anm. I, 4; Wieczorek, Komm. zur ZPO § 78 Anm. B IV b). Der Sinn und Zweck des Vertretungszwanges (vgl. dazu Beschluß des BSG. in SozR. § 166 SGG Nr. 5 S. Da 2, § 164 Nr. 1 S. Da 1, Nr. 26 S. Da 8 u.a.) würde verkannt, wenn auf diese Weise im Ergebnis doch wieder Prozeßhandlungen, die von Personen vorgenommen sind, denen der Gesetzgeber im wohlverstandenen Interesse der vertretenen Parteien sowohl wie des ordnungsmäßigen Verfahrensablaufs die Postulationsfähigkeit nicht zugestanden hat, in jeder Beziehung voll wirksam würden. Wenn in der Literatur scheinbar auch die entgegengesetzte Auffassung vertreten wird, so beruht diese Ansicht auf einem - wohl durch die gedrängte Ausdrucksform hervorgerufenen - Mißverständnis: Der mehrfach zu findende Hinweis (vgl. Miesbach-Ankenbrank, Komm. zum SGG § 164 Anm. 7; Mellwitz, Komm. zum SGG § 166 Anm. C; Rohwer-Kahlmann, Komm. zum SGG Anm. 1 zu §§ 166/167; Baumbach-Lauterbach, Komm. zur ZPO § 78 Anm. 1 E), der übersehene Mangel ordnungsgemäßer Vertretung könne nach Eintritt eines gehörigen Prozeßbevollmächtigten durch Genehmigung der gesamten bisherigen Prozeßführung durch diesen als geheilt angesehen werden, erläutert nur den absoluten Revisionsgrund des § 551 Nr. 5 der Zivilprozeßordnung (ZPO), bezieht sich demnach nur auf eine nicht ordnungsmäßige Vertretung der Partei in dem bereits abgeschlossenen Verfahren der Vorinstanz; innerhalb desselben Rechtszuges muß dagegen die Unwirksamkeit der Prozeßhandlung vor Gericht stets beachtet werden (vgl. Baumbach-Lauterbach a.a.O.).
Der Kläger konnte bei der für ihn zweifelhaften Sach- und Rechtslage der Auffassung sein, ordnungsmäßig durch den von ihm ursprünglich bevollmächtigten Vertreter des K-bundes vertreten zu werden, da damals die Zugehörigkeit dieses Bundes zu den in § 166 Abs. 2 SGG genannten Organisationen durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt war. Es kann daher angenommen werden, daß der Kläger, der die für ihn eingelegte Revision für wirksam hielt, ohne sein Verschulden verhindert war, innerhalb der Revisionsfrist ordnungsmäßig Revision einzulegen. Durch das aufklärende Schreiben des erkennenden Senats vom 18. Juni 1959 entfiel dies Hindernis; bereits am 13. Juli 1959, also innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses, ging die Revisionsschrift des Rechtsanwalts S ein. Diese Revisionsschrift ermangelt eines ordnungsgemäßen Antrages; sie enthält auch keine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Revisionsbegründung; ein Antrag wurde überhaupt nicht, eine Revisionsbegründung erst am 18. September 1959, also über zwei Monate nach Fortfall jenes Hindernisses und damit nach Ablauf der etwa für die Revisionsbegründung in Frage kommenden Frist (vgl. BSG. Bd. 8 S. 207 ff.), eingereicht. In seiner Revisionsschrift nimmt der Prozeßbevollmächtigte des Klägers zwar Bezug auf die in der früheren unwirksamen Revisionsschrift von dem damaligen postulationsunfähigen Vertreter gestellten Anträge und deren Begründung. Das BSG. hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß der rechtspolitische Zweck der strengen Vorschriften über den Vertretungszwang in dem Verfahren vor dem BSG. nur dadurch gewährleistet werde, daß der postulationsfähige Prozeßbevollmächtigte selbst durch seine Unterschrift die Verantwortung für die von ihm vorzutragenden Ausführungen übernimmt (BSG. Bd. 6 S. 269 ff.; SozR. SGG § 164 Nr. 40 S. Da 14-15 u.a.), und daraus gefolgert, daß von jenem nicht unterzeichnete Schriftstücke nicht berücksichtigt werden können, auch wenn auf sie Bezug genommen wird. Es ist kein Grund ersichtlich, von dieser Auffassung für den Fall abzugehen, daß das in Bezug genommene Schriftstück eine unwirksame Revisions- oder Revisionsbegründungsschrift darstellt. Soweit in der Literatur eine andere Auffassung vertreten wird (vgl. die Zitate weiter oben), fehlt ihr eine hinreichende Begründung.
Da somit innerhalb der in Frage kommenden Frist von einem Monat die versäumte Einlegung der Revision nicht ordnungsmäßig nachgeholt ist, war die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen; hiermit erweist sich jedoch auch die von Rechtsanwalt S für den Kläger nicht ordnungsgemäß eingelegte Revision als verspätet.
Die Revision war daher nach § 169 Satz 2 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen