Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertrags(zahn)arzt. Abrechnung. Persönliche Leistungserbringung

 

Orientierungssatz

Einem Vertrags(zahn)arzt steht für die unter Verstoß gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung erbrachten Leistungen keine Vergütung zu (vgl BSG vom 18.12.1996 - 6 RKa 66/95 = BSGE 80, 1 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2). Es gibt keinen Anlass, diesen die gesamte vertragsärztliche Tätigkeit selbstverständlich erfassenden Grundsatz hinsichtlich der Besonderheiten der laborärztlichen Tätigkeit ggf zu differenzieren.

 

Normenkette

Ärzte-ZV § 32 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

SG Hannover (Urteil vom 18.02.2004; Aktenzeichen S 5 KA 446/99)

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 18.02.2004; Aktenzeichen L 3 KA 99/02)

 

Tatbestand

Der in einer Einzelpraxis als Laborarzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendet sich gegen die nachträgliche Korrektur des Honorarbescheides der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung für das Quartal IV/1997 sowie eine damit verbundene Honorarrückforderung.

Entgegen seinen ursprünglichen Angaben in der Abrechnungs-Sammelerklärung vom Januar 1998 war der Kläger im Quartal IV/1997 in den Herbstferien (23. Oktober bis 4. November 1997) urlaubsbedingt im Ausland und nicht persönlich in seiner Praxis anwesend, ohne einen Vertreter bestellt zu haben. Nach Bekanntwerden dieses Sachverhalts und Korrektur der Abrechnungs-Sammelerklärung seitens des Klägers setzte die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid die für die Zeit vom 23. Oktober bis 4. November 1997 abgerechneten Leistungen des Klägers in vollem Umfang ab und verminderte die bisherige Honorarabrechnung von 917.055,67 DM in einer Höhe von zuletzt 84.742,04 DM.

Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, die vom Kläger abgerechneten, in der Zeit seines Urlaubs von Mitarbeitern seiner Laborpraxis erbrachten Leistungen stellten keine vertragsärztlichen Leistungen dar. Die Abgabe einer (zunächst) falschen Sammelerklärung, in der die urlaubsbedingte Abwesenheit nicht bezeichnet worden war, sei als grob fahrlässig zu werten, sodass die Beklagte berechtigt gewesen sei, den Honorarbescheid in vollem Umfang zu korrigieren (Urteil vom 18. Februar 2004).

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der Kläger geltend, das Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), weiche von Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) ab (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG), und es seien Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.

Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG rügt, wird die Begründung den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen nicht gerecht. Soweit der Kläger sich auf "Verfahrensmängel" beruft, bezieht er sich lediglich auf das Verhalten der Beklagten, der er vor allem vorwirft, nach Abschluss des Berufungsverfahrens den angefochtenen Bescheid korrigiert zu haben, obwohl sie ihn zuvor als in vollem Umfang rechtmäßig verteidigt habe. Verfahrensmängel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG sind jedoch nur Verstöße des Gerichts bei der Gestaltung des Verfahrens und ggf der Entscheidungsfindung. Solche Verstöße bezeichnet der Kläger nicht konkret.

Unzulässig ist die Beschwerde weiterhin, soweit sie auf die Divergenz zwischen den Rechtsaussagen des Berufungsgerichts und Aussagen der höchstrichterlichen Rechtsprechung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG gestützt wird. Auch insoweit wird der Kläger den Begründungsanforderungen, die aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleiten sind, nicht gerecht. Wer eine Divergenz als Zulassungsgrund rügt, muss einen Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausarbeiten und diesem eine abweichende Rechtsaussage der höchstrichterlichen Rechtsprechung gegenüberstellen. Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht. Sie beanstandet im Kern lediglich, dass das Berufungsgericht die Grundsätze des im Fall eines Allgemeinarztes ergangenen Senatsurteils vom 17. September 1997 - 6 RKa 86/95 - (BSG SozR 3-5550 § 35 Nr 1) zu Unrecht bzw ohne die vom Kläger für geboten gehaltene Modifikation auf einen Laborarzt angewandt habe. Auch hinsichtlich der Bewertung der vom Kläger abgegebenen Abrechnungssammelerklärung für das Quartal IV/1997 rügt der Kläger der Sache nach allein, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von der Fehlerhaftigkeit der Sammelerklärung ausgegangen, weil er - der Kläger - das Merkmal der "Abwesenheit von der Praxis" so verstanden habe, dass dieses auch erfüllt sein könne, wenn er sich im Ausland aufhalte und über moderne Telekommunikationseinrichtungen erreichbar sei. Damit wird jedoch allenfalls gerügt, das Berufungsgericht habe die Rechtsgrundsätze des Senatsurteils vom 17. September 1997 auf den Fall des Klägers nicht zutreffend oder nicht vollständig angewandt, jedoch keine Abweichung in den entscheidungserheblichen Rechtsgrundsätzen dargelegt. Allein Letzteres könnte den Zulassungsgrund der Divergenz erfüllen.

Soweit der Kläger die Zulassung der Revision mit der Begründung erstrebt, im Rechtsstreit seien Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, ist die Beschwerde unbegründet. Die von ihm aufgeworfenen Fragen sind entweder nicht klärungsbedürftig oder nicht klärungsfähig.

In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass einem Vertragsarzt für die unter Verstoß gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung (§ 32 Abs 1 Satz 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte ≪Ärzte-ZV≫) erbrachten Leistungen keine Vergütung zusteht. Das hat der Senat beispielhaft im Urteil vom 18. Dezember 1996 für den zahnärztlichen Bereich entschieden (BSGE 80, 1 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2). Für den ärztlichen Bereich gilt nichts anderes. Der vorliegende Sachverhalt bietet keinen Anlass, diesen die gesamte vertragsärztliche Tätigkeit selbstverständlich erfassenden Grundsatz hinsichtlich der Besonderheiten der laborärztlichen Tätigkeit ggf zu differenzieren. Selbst wenn im Hinblick auf den hohen Anteil medizinisch-technischer Leistungen in der laborärztlichen Praxis sowie wegen des fehlenden Arzt-Patienten-Kontaktes an die "persönliche Leistungserbringung" iS von § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV andere Anforderungen zu stellen sein sollten als etwa in der hausärztlichen Tätigkeit, so unterliegt es keinem Zweifel, dass ein in einer Einzelpraxis tätiger Laborarzt, der sich zwei Wochen nicht in seiner Praxis, sondern im Ausland aufhält, in dieser Zeit keine laborärztlichen Leistungen persönlich erbringen kann. Für die in dieser Zeit durchgeführten Untersuchungen kann der Laborarzt die persönliche Verantwortung auch dann nicht übernehmen, wenn er - wie es der Kläger für sich geltend macht - jederzeit telefonisch erreichbar gewesen sein sollte.

Unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Klärungsbedürftigkeit ist in diesem Zusammenhang weiterhin von Bedeutung, dass der Kläger in seiner Sammelerklärung vom 15. Januar 1998 (fehlerhaft mit "1997" bezeichnet) zunächst angegeben hat, im vierten Quartal 1997 die Praxistätigkeit zu keinem Zeitpunkt wegen Urlaubs nicht ausgeübt zu haben. Diese Erklärung hat er dann unter dem 15. Juli 1998 dahin korrigiert, dass er die Praxistätigkeit vom 23. Oktober 1997 bis zum 4. November 1997 wegen Urlaubs nicht ausgeübt habe. Spätestens nach Abgabe der korrigierten Sammelabrechnungserklärung hat sich der Kläger ersichtlich selbst den Standpunkt zu Eigen gemacht, in der fraglichen Zeit seine Praxis nicht ausgeübt zu haben. Dass ihm dann kein vertragsärztliches Honorar für Leistungen in einer Zeit zustehen kann, in der er seine Praxis nicht persönlich ausgeübt und sich auch nicht im Rahmen des § 32 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV ordnungsgemäß hat vertreten lassen, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren.

Soweit der Kläger grundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der vorsätzlichen bzw grob fahrlässigen Abgabe einer unrichtigen Abrechnungs-Sammelerklärung sieht, steht der Klärung in einem Revisionsverfahren bereits entgegen, dass die Wertung des Verhaltens eines Arztes bei der Abgabe der Sammelerklärung für ein Quartal vorrangig eine Frage tatrichterlicher Würdigung ist, die dem Revisionsgericht entzogen ist. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die in diesem Zusammenhang vom Landessozialgericht (LSG) vorgenommenen Bewertungen revisionsrechtlich zu beanstanden sein könnten. Das LSG hat seine Annahme, der Kläger habe bei der Abgabe der Abrechnungserklärung vom 15. Januar 1998 mindestens grob fahrlässig gehandelt, darauf gestützt, dass ein Vertragsarzt wissen müsse, dass er nicht zwei Wochen im Auslandsurlaub sein und im selben Zeitpunkt die in seiner Praxis erbrachten Leistungen als eigene Leistungen abrechnen könne. Wenn sich das LSG in diesem Zusammenhang zusätzlich darauf gestützt hat, dass der Kläger im März 1998 auf Befragen der Beklagten zunächst bestritten habe, im Herbst 1997 in Urlaub gewesen zu sein, und diesen Sachverhalt erst später eingeräumt hat, ist das ebenfalls nicht zu beanstanden. Wenn der Kläger tatsächlich immer schon der Meinung gewesen sein sollte, die er nunmehr im Beschwerdeverfahren vertritt, dass er nämlich ungeachtet des Umstands, dass er sich für 14 Tage im Herbst 1997 im Ausland aufgehalten hat, tatsächlich im Rechtssinne in der Praxis persönlich kontinuierlich anwesend gewesen sei, hätte es mehr als nahe gelegen, genau dies in der ersten Abrechnungs-Sammelerklärung für das Quartal IV/97 anzugeben und der Beklagten somit die Möglichkeit zu geben, darauf zu reagieren.

Soweit das Vorbringen des Klägers so verstanden werden muss, es sei im Hinblick auf die Besonderheiten der laborärztlichen Tätigkeit offensichtlich und für jedermann unmittelbar einsichtig, dass ein in einer Einzelpraxis tätiger Laborarzt trotz 14-tägiger Auslandsabwesenheit im Rechtssinne persönlich in der Praxis anwesend sein könne, würde es an der Klärungsbedürftigkeit fehlen. In dem von dem Kläger angestrebten Revisionsverfahren bedürfte es keiner Auseinandersetzung mit diesem Standpunkt, da es auf der Hand liegt, dass dies zu verneinen ist.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 3 SGG).

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1755810

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