Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 16.06.1994) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. Juni 1994 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den sich aus § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergebenden Anforderungen.
Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründen – grundsätzliche Bedeutung, Abweichung, Verfahrensmangel – zugelassen werden. Die Beklagte macht geltend, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe und eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorliege. Dies muß in der Beschwerde dargelegt werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Daran fehlt es hier.
Das Landessozialgericht (LSG) hat seine Entscheidung, der Kläger genieße Berufsschutz als besonders hoch qualifizierter Facharbeiter, mit der tariflichen Einordnung seines Berufs als Omnibusfahrer im Linienverkehr der Deutschen Bundesbahn, begründet. Es war der Auffassung, die Nennung dieses Berufs in einer Tarifgruppe des oberen Bereichs oberhalb der Facharbeitergruppe begründe diesen Berufsschutz.
Die tarifliche Einordnung dieses Berufs sei auch weder durch äußere Belastung noch durch soziale Gründe bestimmt. Der Einwand der Beklagten, Grund hierfür sei lediglich der finanzielle Betriebsfrieden, treffe nicht zu. Eine Anfrage bei der Zentrale der Deutschen Bundesbahn habe insoweit keine Aufklärung gebracht. Selbst wenn man die Einstufung in die Lohngruppe IIa Tarifstelle 4 nicht berücksichtige, weil sie „nach Bewährung und vierjähriger Eisenbahndienstzeit” erreicht werde, bleibe noch eine Einstufung in die Lohngruppe II Tarifstelle 4, die ebenfalls dem oberen Bereich oberhalb der Facharbeitergruppe zuzuordnen sei und damit Berufsschutz als besonders qualifizierter Facharbeiter begründe.
Im übrigen sei zu beachten, daß dann, wenn der Kläger seinen Arbeitsplatz nur deswegen erhalten habe, weil keine Beamten in ausreichender Zahl vorhanden waren, sich hierdurch nichts an der Tatsache ändere, daß der Kläger die von dieser Lohngruppe erfaßten Arbeiten tatsächlich verrichtet habe. Nur darauf komme es an.
Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen, wäre es zunächst erforderlich gewesen, die nach Ansicht des Klägers grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, daß sie allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 11, 39). Ferner war darzutun, daß die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Das ist zum einen nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 4 und 11). Zum anderen ist auch eine Rechtsfrage, die das BSG bereits entschieden hat, nicht mehr klärungsbedürftig und kann somit keine grundsätzliche Bedeutung haben, es sei denn, die Beantwortung der Frage ist aus besonderen Gründen klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden; das muß substantiiert vorgetragen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 13, 65). Schließlich war darzulegen, daß die Rechtsfrage in dem eine Zulassung folgenden Revisionsverfahren entscheidungserheblich und damit auch klärungsfähig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54).
Die Beklagte formuliert als klärungsbedürftige Rechtsfrage:
„Ist die tarifliche Eingruppierung für die Bestimmung des Leitberufs ausnahmslos auch dann das einzige und alleinige Kriterium, wenn Nachweise vorliegen, die den Beweis der Überbewertung der tariflichen Einstufung für die Qualität der konkreten Tätigkeit zum Ausdruck bringt?”
Insoweit liegt indes, wie die Beklagte in ihrer Beschwerdeschrift selbst zum Ausdruck bringt, bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des BSG vor, die Kriterien aufzeigt, nach denen der Berufsschutz zu beurteilen ist. Danach ist – wie das LSG zutreffend unter Zitierung der Rechtsprechung dargelegt hat – von der Wertigkeit auszugehen, die sich aus derjenigen Tarifgruppe ergibt, in der der betreffende Beruf genannt ist. Hiervon ist nur dann abzuweichen, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist. Als solche kommen äußere Belastungen (Schmutz, Geruch, Witterungseinflüsse usw) sowie soziale Gründe in Betracht.
Die Beklagte hat in ihrer Beschwerdeschrift lediglich die Auffassung vertreten, das LSG habe diese Grundsätze falsch angewandt, ohne indes auszuführen, wieso der vorliegende Fall mit dieser Rechtsprechung nicht angemessen zu entscheiden war und deshalb eine weitere Entwicklung der Rechtsprechung erforderlich sei. Eine unrichtige Anwendung der Rechtsprechung durch ein LSG begründet indes keine Klärungsbedürftigkeit; denn dies ändert nichts daran, daß die Grundsätze durch die Rechtsprechung des BSG bereits klargestellt sind.
Auch eine Abweichung des angegriffenen Urteils von einer Entscheidung des BSG ist nicht formgerecht gerügt. Dazu war nach der Rechtsprechung des BSG (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29) in der Beschwerdebegründung die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweichen soll, so zu bezeichnen, daß sie ohne Schwierigkeiten auffindbar ist, und es war deutlich zu machen, worin eine Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer mußte darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine das Berufungsurteil tragende Abweichung in dessen rechtlichen Ausführungen enthalten ist. Er mußte einen abstrakten Rechtssatz aus dem vorinstanzlichen Urteil und einen abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung so bezeichnen, daß die Divergenz erkennbar ist. Es reichte hingegen nicht aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich war darzulegen, daß die angegriffene Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruhte.
Die Beklagte hat indes in ihrer Beschwerdebegründung keinen abstrakten Rechtssatz des LSG herausgestellt, der nach ihrer Auffassung von einem (genau bezeichneten) Rechtssatz aus der Rechtsprechung des BSG abweicht. Die Beklagte trägt insoweit zum einen vor, das BSG habe in ständiger Rechtsprechung festgestellt, daß der Versicherte nur dann zu dem Kreis der besonders hoch qualifizierten Facharbeiter zähle, wenn wesentlich höhere Tätigkeiten als dies eines Facharbeiters verrichtet würden und neben der Entlohnung aus der Spitzengruppe der Lohnskala diese Tätigkeit aufgrund besonderer geistiger und persönlicher Anforderungen auch an die Qualität der beruflichen Tätigkeit die der Facharbeiter deutlich überragen.
Dies ist an sich zutreffend in dem Sinne, daß es nicht genügt, eine Tarifgruppe im oberen Bereich des Tarifes aufzufinden und daraus den Schluß zu ziehen, dem dort Eingeordneten sei Berufsschutz als besonders hoch qualifizierter Facharbeiter zuzubilligen. Es bedarf insoweit der Prüfung, ob diese Gruppe aufgrund der Anforderungen, die an die diese Gruppe prägenden Berufe gestellt werden, als eine Gruppe besonders hoch qualifizierter Facharbeiter anzusehen ist.
Die Beklagte hat indes keinen Rechtssatz des LSG bezeichnet, der hiervon abweicht, sondern lediglich kritisiert, das LSG entspreche mit seiner Auffassung, der Kläger habe tatsächlich die Arbeit eines besonders hoch qualifizierten Facharbeiters ausgeübt, nicht der BSG-Rechtsprechung. Selbst wenn dies – wofür einiges spricht – hier zutreffend sein sollte, ergibt sich daraus keine Divergenz, sondern nur ein Fehler der angefochtenen Entscheidung.
Ferner macht die Beklagte geltend, daß dann, wenn der Kläger allein wegen des finanziellen Betriebsfriedens nach der besonderen Lohngruppe für Beamtendienste entlohnt werde, hieraus nicht der Schluß abgeleitet werden könne, daß bei dieser Lohngruppe die gleichen Qualitätskriterien zugrunde lägen wie bei der „echten” Lohngruppe B II.
Auch insoweit ist darauf hinzuweisen, daß möglicherweise zwar eine Höherentlohnung aus Gründen des Betriebsfriedens zu den qualitätsfremden sozialen Gründen gerechnet werden könnte. Die Beklagte hat aber weder einen Rechtssatz des BSG in bezug auf eine Höherbezahlung aus sozialen Gründen aufgeführt noch einen gegenteiligen Rechtssatz des LSG. Dieses hat lediglich den behaupteten Einfluß qualitätsfremder Merkmale auf die tarifliche Bezahlung nicht feststellen können. Insoweit hätte allenfalls eine Verfahrensrüge erhoben werden können.
Eine wirksame Verfahrensrüge, auf die die Nichtzulassungsbeschwerde gestützt werden könnte, ist der Beschwerdebegründung aber ebenfalls nicht zu entnehmen.
Die somit nicht formgerecht begründete und damit unzulässige Beschwerde der Beklagten mußte dementsprechend verworfen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen