Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 16.03.2022; Aktenzeichen L 19 R 47/21)

SG Nürnberg (Urteil vom 26.11.2020; Aktenzeichen S 15 R 36/18)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. März 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die im Jahr 1960 geborene Klägerin hat keine abgeschlossene Berufsausbildung und war zuletzt bis 2015 als Stationshilfe in einer Klinik versicherungspflichtig beschäftigt. Einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vom März 2017 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6.7.2017 und Widerspruchsbescheid vom 12.12.2017 ab.

Im Klageverfahren hat das SG Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie M1 vom 29.10.2018 eingeholt. Der Sachverständige hat festgestellt, die Klägerin sei unter Berücksichtigung von qualitativen Leistungseinschränkungen noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden lang zu verrichten. Auf den Antrag der Klägerin ist der Facharzt für Orthopädie S gutachtlich angehört worden. Dieser hat in seinem Gutachten vom 1.4.2019 sowie einer ergänzenden Stellungnahme vom 14.11.2019 nur noch ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich festgehalten. Das SG hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahme von M1 eingeholt, der weiterhin eine vollschichtige Einsetzbarkeit der Klägerin angenommen hat, und den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie B mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Sachverständigengutachten vom 3.7.2020 die Klägerin noch in der Lage gesehen, leichte körperliche Arbeiten im Wechselrhythmus unter Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen im Umfang von sechs Stunden und mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Das SG ist dem Ergebnis der Begutachtungen durch M1 und B gefolgt und hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.11.2020). Das LSG hat weitere aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie ein Gutachten auf internistischem Fachgebiet eingeholt. Der Sachverständige M2 hat in seinem Gutachten vom 13.12.2021 festgestellt, die Klägerin könne bei Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen noch eine Erwerbstätigkeit im Umfang von mindestens sechs oder mehr Stunden am Tag unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben. Das LSG hat die Berufung gestützt auf die Sachverständigengutachten von M1, B und Dr. M2 zurückgewiesen (Beschluss vom 16.3.2022).

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht verschiedene Verfahrensfehler geltend (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet ist. Sie ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Die Klägerin bezeichnet die von ihr geltend gemachten Verfahrensmängel nicht hinreichend.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Klägerin rügt eine Verletzung der tatrichterlichen Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 103 SGG), indem das LSG ihren mit Schreiben vom 11.3.2022 gestellten Anträgen, S ergänzend zu hören und ein Obergutachten einzuholen, nicht gefolgt sei. Den Anforderungen an die Bezeichnung einer mangelnden Sachaufklärung (vgl dazu zB BSG Beschluss vom 20.1.2021 - B 5 R 248/20 B - juris RdNr 7 mwN) entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin zeigt schon nicht auf, aus welchen Gründen das LSG sich hätte gedrängt fühlen müssen, S nach seinem Gutachten vom 1.4.2019 und der ergänzenden Stellungnahme vom 14.11.2019 nochmals ergänzend zu hören. Auch besteht kein allgemeiner Anspruch auf Überprüfung eines oder mehrerer Sachverständigengutachten durch ein sog Obergutachten. Ein Tatsachengericht ist nur ausnahmsweise zu einer weiteren Beweiserhebung verpflichtet, wenn bereits mehrere, sich teilweise widersprechende Gutachten vorliegen (vgl dazu BSG Beschluss vom 27.4.2021 - B 13 R 125/20 B - juris RdNr 7 mwN). Weitere Ausführungen der Klägerin wären insbesondere im Hinblick darauf erforderlich gewesen, dass insgesamt drei Sachverständigengutachten auf orthopädischem, psychiatrischem und internistischem Fachgebiet übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen sind, dass sie noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

Auch soweit die Klägerin geltend macht, das LSG habe unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ohne mündliche Verhandlung entschieden, ist ein Verfahrensfehler nicht hinreichend bezeichnet. Das LSG hat eine Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 153 Abs 4 SGG getroffen. Dies steht in pflichtgemäßem Ermessen des Berufungsgerichts und kann nur auf fehlerhaften Gebrauch, dh sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzung, überprüft werden (vgl BSG Beschluss vom 7.9.2021 - B 5 R 138/21 B - juris RdNr 10 mwN). Dazu hat die Klägerin nichts dargelegt. Auch hat sie selbst vorgetragen, zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss angehört worden zu sein (§ 153 Abs 4 Satz 2 SGG). Ein Einverständnis der Beteiligten ist dafür nicht erforderlich.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Gasser

Hannes

Körner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15343763

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