Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob bei Einlegung einer Sprungrevision auch ein Beigeladener "Rechtsmittelgegner" iS der VwGO § 134 Abs 1, SGG § 161 Abs 1 ist, wenn das Urteil der ersten Gerichtsinstanz - Verwaltungsgericht, Sozialgericht - zu seinen Gunsten ergangen ist (vergleiche auch BSG 1965-07-08 12/4 RJ 130/60 = BSGE 23, 168; BVerwG 1963-08-29 VIII C 79.62 = BVerwGE 16, 273).
Normenkette
SGG § 161 Abs. 1, § 75 Abs. 1, § 42; RsprEinhG § 2 Fassung: 1968-06-19; VwGO § 134 Abs. 1
Tenor
Das Verfahren vor dem Großen Senat des Bundessozialgerichts wird ausgesetzt .
Dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes wird folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist bei Einlegung einer Sprungrevision auch ein Beigeladener "Rechtsmittelgegner" i . S . der §§ 134 Abs . 1 VwGO , 161 Abs . 1 SGG , wenn das Urteil der ersten Gerichtsinstanz - Verwaltungsgericht , Sozialgericht - zu seinen Gunsten ergangen ist (entgegen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29 . 8 . 1963 - BVerwG VIII C 79 . 62 - BVerwGE 16 , 273)?
Gründe
I
1 . Der 6. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat mit Beschluß vom 24 . Januar 1974 dem Großen Senat (GS) des BSG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist ein Beigeladener schon dann Rechtsmittelgegner i . S . des § 161 Abs . 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) , wenn das Urteil des Sozialgerichts (SG) zu seinen Gunsten ergangen ist , oder nur dann , wenn er dem Rechtsmittelkläger im sozialgerichtlichen Vorfahren mit eigenen Anträgen entgegengetreten ist?
2 . In dem Ausgangsverfahren (6 RKa 20/73) streiten ein zur Kassenpraxis zugelassener Dentist als Kläger und ein RVO-Beschwerdeausschuß bei einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) als Beklagter darüber , ob der Kläger die Behandlung von Mundkrankheiten gegenüber der KZÄV abrechnen darf . In drei Beschlüssen vom 3. Februar 1972 hatte der Beklagte Leistungen dieser Art , die der Kläger für Versicherte der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) L ..., der AOK des Kreises H ... und der Innungskrankenkasse (IKK) L ... im zweiten Quartal 1971 erbracht hatte , nicht als abrechnungsfähig anerkannt . Im anschließenden Klageverfahren hat das SG die drei Kassen nach § 75 (Abs . 1) SGG beigeladen , weil sie nach Einzelleistungen berechnete Gesamtvergütungen an die KZÄV zahlen und ihre berechtigten Interessen daher durch die Entscheidung berührt würden . Die beiden AOK'en haben vor dem SG - ebenso wie der Beklagte - die Abweisung der Klage beantragt . Die IKK hat sich nicht geäußert . Das SG hat die Klage durch Urteil vom 28 . März 1973 abgewiesen und die - nach § 144 Abs . 1 Nr . 2 SGG an sich ausgeschlossene - Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entschiedenen Rechtsfrage zugelassen (§ 150 Nr . 1 SGG) . Der Kläger hat statt dessen gemäß § 161 SGG Sprungrevision eingelegt; in die Einlegung hat allein der Beklagte eingewilligt .
3 . Der 6 . Senat hält die Sprungrevision nur für statthaft , soweit sie als trennbaren Streitteil Leistungen für Versicherte der IKK betrifft . Nach § 161 SGG - hier noch anzuwenden in der bis zum 31 . Dezember 1974 geltenden Fassung - sei zur Einlegung der Sprungrevision die Einwilligung des "Rechtsmittelgegners" erforderlich . Rechtsmittelgegner sei - auch - ein Beigeladener , wenn er in erster Instanz dem Rechtsmittelkläger mit eigenen Antrügen entgegengetreten sei . Demgemäß hätten die beiden AOK'en , nicht aber die IKK einwilligen müssen .
4 . In diesem Sinne die Statthaftigkeit der Sprungrevision teilweise zu bejahen , sieht sich der 6. Senat gehindert durch einen Beschluß des 12 . Senats vom 8 . Juli 1965 (BSGE 23 , 168) , in dem die Einwilligung eines Beigeladenen in die Einlegung der Sprungrevision für erforderlich gehalten wurde , wenn das Urteil des SG zu dessen Gunsten ergangen sei . Von diesem Rechtsstandpunkt aus wäre nach Ansicht des 6 . Senats die Sprungrevision insgesamt nicht statthaft , sofern die mittelbare Begünstigung der IKK durch die Klageabweisung genüge; die Honorarberichtigung werde zwar nur im Abrechnungsverhältnis des Klägers zur KZÄV vorgenommen , führe aber im Ergebnis wohl auch zu einer wirtschaftlichen Entlastung der IKK Gegenüber der KZÄV .
5 . Nachdem der 12. Senat auf Anfrage mitgeteilt hat , daß er an seiner Auffassung festhält , hat der 6 . Senat die streitige Rechtsfrage nach § 42 SGG , aber auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 43 SGG) dem GS des BSG zur Entscheidung vorgelegt .
6 . In dem Vorlagebeschluß hat der 6 . Senat des BSG außerdem auf eine Divergenz mit dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hingewiesen . Dieses hat durch seinen 8 . Senat im Verfahren VIII C 79 . 62 am 29. August 1963 (BVerwGE 16 , 273) entschieden , die Zustimmung eines Beigeladenen zur Einlegung der Sprungrevision sei auch dann nicht zu fordern , wenn er in der Vorinstanz dem Revisionskläger entgegengetreten ist . Der 6 . Senat des BSG hat davon abgesehen , wegen der Divergenz mit dem BVerwG (von deren Klärung die Zulässigkeit der Sprungrevision abhängt , soweit sie Leistungen an Versicherte der AOK'en betrifft) zunächst oder zugleich den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GemS) anzurufen , weil das Verfahren vor dem GS des eigenen Gerichts im vorliegenden Fall den Vorrang haben müsse .
7 . In der mündlichen Verhandlung vor dem GS haben der Kläger und der Beklagte Anträge gestellt. Danach möchten die Rechtsfrage beantwortet wissen: der Kläger wie das BVerwG , hilfsweise wie der 6. Senat des BSG; der Beklagte wie der 12. Senat des BSG.
II
1 . Der GS hält die Vorlage des 6 . Senats aufgrund des § 42 SGG für zulässig . Nach dieser Vorschrift ist der GS anzurufen , wenn in einer Rechtsfrage ein Senat von der Entscheidung eines anderen Senates abweichen will. Das trifft hier zu . Infolgedessen kann der hilfsweise genannte Anrufungsgrund des § 43 SGG außer Betracht bleiben , zumal die Divergenzanrufung nach der spezielleren Norm des § 42 SGG der Anrufung nach § 43 SGG grundsätzlich vorgeht (BSGE 30 , 167 , 170; vgl . auch BFHE 92 , 188 , 192) .
2 . Ein Abweichen i . S . des § 42 SGG ist zu bejahen , wenn jede der entgegenstehenden Rechtsansichten im anderen Falle zu einer anderen Entscheidung geführt hätte bzw . führen würde.
Bei dieser Prüfung ist für den vom 12. Senat entschiedenen Fall vom Inhalt der damaligen Entscheidung auszugeben; der dazu gebildete Leitsatz muß ebenso wie der übrige Akteninhalt unberücksichtigt bleiben . Nach dem Entscheidungsinhalt hatte der verklagte Versicherungsträger einen Rentenantrag des beigeladenen Versicherten abgelehnt; darauf hatte der den Beigeladenen unterstützende Sozialhilfeträger gemäß § 1538 Reichsversicherungsordnung (RVO) Klage erhoben; der Beklagte war vom SG zur Rentengewährung an den Beigeladenen verurteilt worden . Anträge des Beigeladenen im erstinstanzlichen Verfahren werden nicht erwähnt . Die Sprungrevision war vom Beklagten mit Einwilligung des Klägers , aber ohne Einwilligung des Beigeladenen eingelegt worden . Der 12 . Senat verwarf das Rechtsmittel , weil auch der Beigeladene Rechtsmittelgegner sei . Das angefochtene Urteil sei zu seinen Gunsten ergangen , die Urteilsaufhebung würde ihn beschweren; es müsse daher auch sein Wille sein , daß die zweite Tatsacheninstanz übersprungen werde . Vom Standpunkt des auf die Antragstellung abhebenden 6 . Senats des BSG wäre diese Revision statthaft gewesen .
Nicht in gleichem Maße auf der Hand liegt , ob vom Rechtsstandpunkt des 12 . Senats aus die beim 6 . Senat anhängige Sprungrevision in dem die Leistungen für Versicherte der IKK betreffenden Streitteil als unstatthaft zu erachten ist . Der 6 . Senat hat schon auf die nur mittelbare Begünstigung der beigeladenen Kasse hingewiesen . Zudem hat der 12 . Senat in seiner Entscheidung vom 8 . Juli 1965 Besonderheiten des damals entschiedenen Falles hervorgekehrt: jedenfalls in einem Falle wie dem - damals - vorliegenden sei auch der Beigeladene Rechtsmittelgegner , zumal ("um so mehr") es letztlich um seinen eigenen Anspruch gegangen sei . Diese Ausführungen sollten jedoch nur die Notwendigkeit der Einwilligung des Beigeladenen im entschiedenen Fall betonen; sie engen den vom 12 . Senat vertretenen Rechtsstandpunkt nicht auf Fälle der entschiedenen Art bzw . auf Fälle einer unmittelbaren Begünstigung des Beigeladenen ein . Der 12 . Senat hat vielmehr allgemein die Auffassung vertreten und das in seiner Antwort auf die Anfrage des 6 . Senats noch bestätigt , daß ein Beigeladener als Rechtsmittelgegner in die Einlegung der Sprungrevision einwilligen müsse , wenn das erstinstanzliche Urteil zu seinen Gunsten ergangen ist . Diese Formulierung umschließt alle Fälle der Begünstigung . Hiernach wäre die Sprungrevision in dem vom 6 . Senat jetzt zu entscheidenden Fall insgesamt unstatthaft .
III
1 . Der GS des BSG möchte die ihm vorgelegte Rechtsfrage i . S . der Auffassung des 12 . Senats des BSG entscheiden. Hieran sieht er sich jedoch gehindert durch die oben unter I 6 bereits genannte Entscheidung des 8 . Senats des BVerwG vom 29. August 1963 (BVerwGE 16, 273). In dieser Entscheidung wird die Zustimmung eines Beigeladenen zur Sprungrevision allgemein für nicht erforderlich erklärt. Das BVerwG begründet dies im wesentlichen mit einer Abweisung der Gegenmeinungen (VwGO) entnimmt. Dort werde die Zustimmung gefordert: Wenn das angefochtene Urteil zu Gunsten des Beigeladenen ergangen sei, wenn es den Anträgen des Beigeladenen entsprochen habe, wenn die Aufhebung des Urteils den Beigeladenen beschweren würde oder wenn die Sprungrevision auch gegen den Beigeladenen gerichtet sei. Das BVerwG hält keinen dieser Gesichtspunkte für geeignet, um die Voraussetzungen eindeutig festzulegen, unter denen der Beigeladenen als der künftige Rechtsmittelgegner bestimmt werden kann. Darüber entscheide erst seine Stellungnahme im Revisionsverfahren. Sie ergebe sich nicht notwendig aus den bisherigen Anträgen, richte sich vielmehr nach seiner Interessenlage und auch nach den Gründen des angefochtenen Urteils. Von einer solchen materiell-rechtlichen Prüfung könne die Notwendigkeit der Zustimmung nicht abhängen; Formerfordernisse dieser Art dürften nicht von den besonderen Umständen des Falles abhängig sein. Es ist nicht erkennbar, daß das BVerwG von diesem Rechtsstandpunkt Ausnahmen zulassen will.
2. Der GS des BSG hat deshalb beschlossen , dem GemS die Rechtsfrage vorzulegen , ob bei Einlegung einer Sprungrevision auch ein Beigeladener "Rechtsmittelgegner" i . S . der §§ 134 Abs . 1 VwGO , 161 Abs . 1 SGG ist , wenn das erstinstanzliche Urteil zu seinen Gunsten ergangen ist . Die Vorlage beruht auf den §§ 2 und 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 18 . Juni 1968 (RsprEinhG) . Nach Auffassung des GS des BSG handelt es sich bei der Divergenz mit dem BVerwG um dieselbe Rechtsfrage i . S . des § 2 Abs . 1 RsprEinhG . Dem steht nicht entgegen, daß die Rechtsfrage in verschiedenen Gesetzen geregelt ist, die inhaltlich voneinander abweichen. Der GemS ist auch dann anzurufen, wenn ein in verschiedenen Rechtsvorschriften enthaltener, unterschiedlich ausgelegter Rechtsbegriff nach gleichen Prinzipien auszulegen ist (GemS, Beschluß vom 6. Februar 1973, BSGE 35, 293 f). Das ist beim Begriff des Rechtsmittelgegners in den §§ 134 Abs. 1 VwGO, 161 Abs. 1 SGG der Fall; ob das Einverständnis des Beigeladenen zur Einlegung der Sprungrevision allgemein entbehrlich oder bei Begünstigung durch das erstinstanzliche Urteil allgemein erforderlich ist, läßt sich für das Verfahren der VwGO und das des SGG sinnvoll nur einheitlich beantworten. Differenzierungen könnten erst bei näherer Feststellung der Begünstigung einsetzen, weil die Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO die Berührung rechtlicher, nach § 75 Abs. 1 SGG nur die Berührung berechtigter Interessen voraussetzt; das ist aber sekundärer Art. Auch muß eine mögliche Sonderlösung für den Fall, daß mit der Sprungrevision die Verurteilung eines Beigeladenen aufgrund der nur im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Vorschrift des § 75 Abs. 5 SGG erstrebt wird, außer Betracht bleiben, weil ein solcher Fall nicht gegeben ist.
IV
1 . Bei seiner Stellungnahme zu der streitigen Rechtsfrage geht der GS des BSG davon aus , daß der Gesetzgeber den Begriff des "Rechtsmittelgegners" nicht erläutert hat . Er hat diesen Begriff nur in § 161 SGG in der bis zum 31 . Dezember 1974 geltenden Fassung und in § 134 VwGO verwendet. Die Zivilprozeßordnung (ZPO) verlangt demgegenüber in § 566 a die Einwilligung des "Gegners" . Dieser Begriff kehrt in zahlreichen Bestimmungen der ZPO wieder (§§ 61 , 69 , 73 , 80 , 81 , 83 , 84 , 87-89 , 91 , 99 , 101 , 102-106 , 117 , 118a-120 , 123-126 , 130 , 131 , 134 , 138 , 175 , 177 , 226 , 238 , 239 , 241 , 244 , 246 , 263 , 265 , 266 , 272 , 272a , 320 , 321 , 344 , 364 , 421-427 , 429 , 431 , 439 , 441 , 444-446 , 452 , 487 , 491 , 493 , 494) , gelegentlich mit Zusätzen wie: Gegner des Streitverkünders (§ 73) , des Antragstellers (§§ 104 , 105 , 320 , 321) , des Beweisführers (§§ 429 , 439) , der Hauptpartei (§ 101); mitunter ist auch von "Gegenpartei" die Rede (§§ 282 , 519a , 553a) . Im SGG findet sich der Begriff "Gegner" dagegen nicht - außer nun in § 161 SGG in der ab 1 . Januar 1975 geltenden Fassung durch das Änderungsgesetz (ÄndG) vom 30 . Juli 1974 (BGBl I 1625) - und in der VwGO nur in § 86 Abs . 5 . Auch wer "Gegner" ist , hat der Gesetzgeber allerdings nicht definiert . Ebensowenig gibt die Entstehungsgeschichte des letzteren über das Verhältnis der Begriffe "Gegner" und "Rechtsmittelgegner" Klarheit . Vom "Rechtsmittelgegner" ist wohl erstmals in der die Sprungrevision zum BVerwG regelnden Vorschrift des § 55 Abs . 1 . Satz 1 des Gesetzes über das BVerwG vom 23 . September 1952 die Rede . In dieser Vorschrift hatte der Bundestagsausschuß für Rechtswesen und Verfahrensrecht zwei Vorschriften aus dem vorangegangenen Entwurf der Bundesregierung zusammengefaßt , darunter § 65 des Entwurfs , der noch im Einklang mit der ZPO - an die anlehnend die Sprungrevision auch im Verwaltungsprozeß eingeführt werden sollte - die Zustimmung des "Gegners" gefordert hatte; der Ausschuß hat das i . S . des späteren Gesetzes abgeändert; auffallenderweise sind in dem Ausschußbericht (Bundestags-Drucksache I/3420 S . 9 f) die Worte "Rechtsmittelgegner zustimmt" gesperrt gedruckt; eine Begründung enthält der Ausschußbericht dafür jedoch nicht . Die Entstehungsgeschichte ergibt somit keine Anhaltspunkte für oder gegen die Annahme , daß unter "Rechtsmittelgegner" immer nur Hauptparteien und niemals auch Beigeladene zu verstehen wären .
2 . In dieser Hinsicht gibt auch der Vergleich der Begriffe: "Gegner " und "Rechtsmittelgegner" keinen näheren Aufschluß. Ein Unterschied besteht zwar insofern, als der Begriff: "Gegner" sowohl personen- als auch sachbezogen (gegen jemand, gegen etwas) verwendet werden kann, während die Begriffsverbindung: "Rechtsmittelgegner" nur sachbezogen erscheint, weil sie die Gegnerschaft zum Rechtsmittel (Gegner des Rechtsmittels) anspricht. In Wahrheit kann indessen bei der Zustimmung zur Sprungrevision nicht sinnvoll zwischen einer Gegnerschaft zum Rechtsmittelkläger und einer Gegnerschaft zur Sprungrevision (dieser Sprungrevision) unterschieden werden . Die Gegnerschaft muß sich auf beides beziehen , so daß jeweils der Gegner des Rechtsmittelklägers in bezug auf die konkrete Sprungrevision gemeint sein muß .
3 . Immerhin läßt sich jedoch schon aus der Wortauslegung der Begriffe "Gegner" und "Rechtsmittelgegner" ein Argument gegen die Auffassung des BVerwG herleiten . Das Gesetz verlangt nicht die Zustimmung des künftigen Gegners bzw . Rechtsmittelgegners . Die Gegnerschaft muß sich nach dem Zeitpunkt richten , in dem die Zustimmung erforderlich ist , also nach dem Zeitpunkt der Einlegung der Sprungrevision. Daher darf nicht , wie es BVerwGE 16 , 273 , 275 tut , gefragt werden , ob und unter welchen Voraussetzungen ein Beigeladener als "künftiger" Rechtsmittelgegner bestimmt werden könne .
4 . Die Auslegung nach dem Wortlaut und dem Wortsinn hat jedoch , wie die bisherige Rechtsprechung zeigt , in diesem Zusammenhang kein großes Gewicht. Den Vorrang haben vielmehr - und das mit Recht - Überlegungen , die einerseits vom Institut der Beiladung her und andererseits von dem der Sprungrevision her nach der richtigen Lösung suchen.
V
1. Was die Beiladung betrifft , so ist festzustellen , daß der Beigeladene durch sie die Stellung eines Beteiligten gewinnt. Das hat zur Folge , daß er - selbst als einfach Beigeladener (§ 75 Abs . 1 SGG; § 65 Abs . 1 VwGO) - alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen kann (§ 75 Abs. 4 SGG; § 66 VwGO) . Wie die Einleitung des Prozesses seiner Mitwirkung entzogen ist , kann er allerdings die Beendigung des Prozesses durch die Hauptbeteiligten (Kläger , Beklagter) nicht verhindern; er ist von den prozeßbeendenden Verfügungen der Hauptbeteiligten über den Streitgegenstand (Klagerücknahme , Vergleich , Erledigungserklärungen usw . ) ausgeschlossen . Während des Prozeßablaufs stehen dem Beigeladenen dagegen die gleichen prozessualen Rechte wie den Hauptbeteiligten zu; er kann Rechtsmittel und Anschlußrechtsmittel einlegen; auch die Klageänderung (§§ 99 SGG , 91 VwGO) und der Verzicht auf mündliche Verhandlung (§§ 124 Abs . 2 SGG , 101 Abs . 2 VwGO) bedürfen z.B . seiner Einwilligung . Diese grundsätzliche Gleichstellung mit den Hauptbeteiligten in den prozessualen Rechten rechtfertigt sich aus dem Beiladungsgrund; die Beiladung erfolgt , weil Interessen des Beigeladenen durch die Entscheidung berührt werden; folgerichtig muß der Beigeladene die Möglichkeit haben , Einfluß auf die Entscheidung des Prozesses zu nehmen .
2 . Eine Sprungrevision hat immer zur Folge , daß die zweite Tatsacheninstanz übergangen wird. Damit wird nicht nur auf ihre Mitwirkung bei der Klärung von Rechtsfragen verzichtet; es wird vor allem den Beteiligten die Möglichkeit abgeschnitten , die von der ersten Instanz festgestellte tatsächliche Entscheidungsgrundlage zu verändern . Es können also weder gegenteilige noch ergänzende (zusätzliche) Tatsachen mehr festgestellt werden . Das Revisionsgericht muß allein aufgrund des von der ersten Instanz festgestellten Sachverhalts entscheiden . Eine solche Verfahrenslage darf nach dem Gesetz der Rechtsmittelkläger - im Gegensatz zu sonstigen Rechtsmitteln - nicht einseitig herbeiführen; der Gesetzgeber verlangt vielmehr zum Schutze des Gegners bzw . Rechtsmittelgegners dessen ausdrückliche Einwilligung .
3 . Die durch die Sprungrevision entstehende Verfahrenslage kann auch von Beigeladenen als nachteilig empfunden werden; auch sie können - wie es im Vorlagebeschluß des 6 . Senats heißt - an einer vollen Sachaufklärung in der zweiten Tatsacheninstanz ein gewichtiges Interesse haben . Der prozessualen Stellung , die das Gesetz dem Beigeladenen allgemein einräumt , würde es daher durchaus entsprechen , wenn der Gesetzgeber - ähnlich wie bei der Klageänderung und dem Verzicht auf mündliche Verhandlung - auch für die Einlegung der Sprungrevision die Einwilligung aller Beteiligten fordern würde . Diese - rechtssystematische bzw . rechtspolitische - Überlegung ändert freilich nichts daran , daß das Gesetz die Zustimmung des "Rechtsmittelgegners" genügen läßt; die allgemeine prozessuale Stellung des Beigeladenen läßt aber jedenfalls eine enge Auslegung bei der Zuerkennung von Zustimmungsrechten an Beigeladene im Rahmen der §§ 161 SGG , 134 VwGO nicht als geboten erscheinen.
4 . Dabei erscheint noch ein Vergleich mit der Lage angezeigt , in der ein Beigeladener selbst Rechtsmittelkläger ist . Daß er Rechtsmittelkläger sein kann , ist heute unbestritten . Die Rechtsprechung des BSG hat zwar lange darin geschwankt , unter welchen Voraussetzungen ein Beigeladener Rechtsmittel einlegen darf (vgl . BSGE 2 , 289; 3 , 142 , 157; 6 , 160) . In BSGE 8 , 291 , 293 wird es jedoch schon als "nur eine Forderung der Gerechtigkeit" bezeichnet , daß dem Beigeladenen wegen der bindenden Wirkung des ergangenen Urteils das Recht eingeräumt werde , ein nach seiner Auffassung mit seinen berechtigten Interessen nicht im Einklang stehendes Urteil anzufechten . Die Rechtsprechung des BSG (vgl . noch BSGE 9 , 251 und zuletzt Beschluß des 12 . Senats vom 26 . Februar 1973 , SGb 1974 , 161 mit Anm . von Hofmann) läßt sich heute dahin zusammenfassen , daß ein Beigeladener Rechtsmittel einlegen darf , wenn das ergangene Urteil ihn beschwert; das ist der Fall , wenn das Urteil seine berechtigten Interessen berührt und dem Inhalt nach für ihn ungünstig ist . Diese vom BSG erarbeiteten Grundsätze für die Rechtsmittelbefugnis des Beigeladenen werden auch vom BVerwG vertreten (BVerwGE 31 , 233; 37 , 43 , 45) .
5 . Aus diesen Erkenntnissen über die Voraussetzungen für die Stellung eines Beigeladenen als Rechtsmittelkläger müssen Schlüsse für die Voraussetzungen gezogen werden , unter denen ein Beigeladener Rechtsmittelgegner ist . Wie er Rechtsmitteilkläger sein kann , wenn das ergangene Urteil seine berechtigten (in Fällen der VwGO: seine rechtlichen) Interessen berührt und seinem Inhalt nach für ihn ungünstig ist , so muß er folgerichtig Rechtsmittelgegner sein , wenn die vom Rechtsmittelkläger angestrebte Aufhebung des Urteils seine berechtigten (bzw . rechtlichen) Interessen berührt und für ihn materiell ungünstig wäre . In diesem Falle muß auch ihm ein Mitwirkungsrecht beim weiteren Verfahrenverlauf zustehen .
VI
1 . Der vom BVerwG und auch vom 6 . Senat des BSG herausgestellte und an sich durchaus zu fördernde Gedanke der "Rechtsmittelklarheit" zwingt demgegenüber zu keiner anderen Lösung der streitigen Rechtsfrage . Es mag sein , daß sich die Frage , ob ein Urteil für den Beigeladenen günstig oder ungünstig ist , nicht immer einfach beantworten läßt . Tatsächlich muß diese Frage bei der Klärung der Rechtsmittelbefugnis des Beigeladenen stets beantwortet werden (vgl . ferner § 94 Abs. 3 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht , wonach bei einer Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung "dem durch die Entscheidung Begünstigten" Gelegenheit zur Äußerung zu geben ist) . Abgesehen davon hat die Forderung nach Rechtsmittelklarheit hier jedoch hinter Gerechtigkeitspostulaten (Forderungen der Prozeßgerechtigkeit) zurückzutreten . Solche hat die Rechtsprechung schon bei Begründung der Rechtsmittelbefugnis des Beigeladenen ins Feld geführt (vgl. insbesondere BSGE 8 , 291 , 293) . Der Beigeladene wird möglicherweise gegen seinen Willen am Verfahren beteiligt; er muß darum auf die Entscheidung des Prozesses Einfluß nehmen können; seine prozessuale Rechtsstellung während des Verfahrensablaufs ist grundsätzlich die gleiche wie die der Hauptbeteiligten; dem würde es nicht entsprechen , wenn er im Falle eines zu seinen Gunsten ergangenen - d . h . ihm günstigen - Urteils von der Mitwirkung bei der Frage , ob die zweite Tatsacheninstanz übergangen werden darf , ausgeschaltet bliebe.
2. Zweifel an der Begünstigung eines Beigeladenen gingen im übrigen nicht zu Lasten des Rechtsmittelklägers . Bleibt eine Begünstigung auch nach Prüfung des Beiladungsgrundes und des Entscheidungsinhalts nicht feststellbar , so ist - nach den auch im Prozeßrecht geltenden Grundsätzen der Beweislast - eine Zustimmung des Beigeladenen zur Sprungrevision nicht erforderlich . Dem Revisionskläger kann zudem zugemutet werden , eher eine Zustimmung zuviel als zu wenig einzuholen und bei Verweigerung der Zustimmung in Zweifelsfällen den normalen Rechtsmittelweg über die Berufung der Einlegung der Sprungrevision vorzuziehen .
3 . Der GS des BSG hält es auch nicht für gerechtfertigt , im Interesse möglichster Rechtsmittelklarheit die Eigenschaft eines Beigeladenen als Rechtsmittelgegner jedenfalls davon abhängig zu machen , ob er in erster Instanz dem Rechtsmittelkläger mit Anträgen (so der 6 . Senat des BSG; vgl . BVerwG , Urteil vom 30 . August 1968 , DVBl 1969 , 375) oder überhaupt mit Stellungnahmen (eindeutigen Stellungnahmen: so der 10 . Senat des BSG in einem nicht veröff . Beschluß vom 9 . Januar 1968 - 10 RV 855/66 -) entgegengetreten ist . Hierauf abzuheben Ist schon deshalb unbefriedigend , weil ein Beigeladener zu Anträgen und Stellungnahmen nicht genötigt ist (vgl . auch § 154 Abs. 3 VwGO). Er kann aus anerkennenswerten Gründen im erstinstanzlichen Verfahren dazu keinen Anlaß sehen . Zudem ist zweifelhaft , ob bei - nicht selten - unklaren Anträgen und Stellungnahmen , besonders im schriftlichen Verfahren , die Rechtsmittelklarhit dadurch wirklich gefördert würde . Im übrigen ist auch hier zu bedenken , daß die Eigenschaft als Rechtsmittelgegner vom Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels aus zu beurteilen ist; die auf das Verhalten des Beigeladenen während des erstinstanzlichen Verfahrens abhebenden Lösungen lassen das inzwischen ergangene erstinstanzliche Urteil außer Betracht; sie berücksichtigen nicht , daß ein Beigeladener erst durch dieses eine Rechtsstellung erlangt haben kann , die es geboten erscheinen läßt , ihm das Mitspracherecht über den weiteren Verfahrensverlauf zu sichern .
4 . Das bedeutet nicht , daß Anträge und Stellungnahmen bei Feststellung der Rechtsmittelgegnerschaft des Beigeladenen schlechterdings nie berücksichtigt werden könnten. Es mag Fälle geben , in denen sich die Begünstigung eines Beigeladenen durch das erstinstanzliche Urteil nur durch Rückgriff auf Anträge und Äußerungen des Beigeladenen während des erstinstanzlichen Verfahrens klären läßt . Zu denken ist hier etwa an den vom 5. Senat des BSG am 13 . Mai 1966 (BG 1967 , 34 = SozEntsch I/4 Nr . 8 zu § 161 SGG) entschiedenen Fall , in dem zwei Versicherungsträger als Hauptbeteiligte über den Zeitpunkt des Eintritts eines Versicherungsfalles stritten; hier kann es von Äußerungen des beigeladenen Versicherten abhängig sein , welcher Zeitpunkt ihn begünstigt.
5 . Der GS hat noch berücksichtigt , daß die von ihm beabsichtigte Antwort auf die vorgelegte Rechtsfrage die Einlegung von Sprungrevisionen durch Hauptbeteiligte in Rechtsstreitigkeiten erschweren kann , in denen zahlreiche Beigeladene beteiligt sind , die durch das erstinstanzliche Urteil begünstigt werden. Solche Ausnahmefälle dürfen indessen nicht die Auslegung des Begriffs "Rechtsmittelgegner" in den §§ 161 SGG , 134 VwGO bestimmen . Der Schutz der durch das erstinstanzliche Urteil begünstigten Beigeladenen verdient aber im übrigen sogar hier noch Vorrang vor einer Förderung der Einlegung von Sprungrevisionen um den Preis der Vernachlässigung dieser schutzwürdigen Belange.
Fundstellen