Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung an Stelle von Sachleistungen
Leitsatz (redaktionell)
Beim 3. Senat des BSG wird angefragt, ob er an seiner im Urteil vom 9.9.1981 3 RK 58/79 = SozR 2200 § 182 Nr 74 vertretenen Rechtsansicht festhält, daß die gesetzlichen Krankenkassen befugt sind, in ihre Satzung eine Bestimmung über die Kostenerstattung zugunsten solcher Mitglieder aufzunehmen, die nach § 176a Abs 1 RVO der Versicherung freiwillig beigetreten sind oder sich nach § 313 Abs 1 RVO wegen Ausscheidens aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung aufgrund Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze freiwillig weiterversichert haben.
Normenkette
RVO § 176a Abs. 1 Fassung: 1970-12-21, § 313 Abs. 1 Fassung: 1981-07-27, § 324 Abs. 2 Fassung: 1924-12-15
Verfahrensgang
SG Aurich (Entscheidung vom 31.01.1983; Aktenzeichen S 8 Kr 14/82) |
Tatbestand
Streitig ist die Berechtigung der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK'en) zum Erlaß einer Satzungsbestimmung über die Kostenerstattung an freiwillig Versicherte.
Die Vertreterversammlung der zu 1) klagenden AOK E (Klägerin zu 1) beschloß am 15. Dezember 1981 einen 5. Nachtrag zur Satzung. Dadurch sollte mit Wirkung ab 1. Februar 1982 in die Satzung folgender § 17a eingefügt werden:
"§ 17a - Kostenerstattung für freiwillig Versicherte
Freiwillig Versicherte, die die Sachleistungen nach § 17 Abs 1 nicht in Anspruch nehmen, erhalten Kostenerstattung. Für die privat in Anspruch genommenen Leistungen werden Kosten in der Höhe erstattet, wie sie bei Gewährung der Sachleistungen entstanden wären".
Der von der Vertreterversammlung der zu 2) klagenden AOK N - B (Klägerin zu 2) am 22. Januar 1982 mit Wirkung zum 1. April 1982 beschlossene 4. Nachtrag zur Satzung sah die Einfügung eines wörtlich übereinstimmenden § 17a in die Satzung der Klägerin zu 2) vor.
Gegenüber der Klägerin zu 1) mit Bescheid vom 20. September 1982 und gegenüber der Klägerin zu 2) mit Bescheid vom 14. September 1982 versagte die beklagte Bezirksregierung ihre Genehmigung zu dem von der jeweiligen Vertreterversammlung beschlossenen 5. bzw 4. Nachtrag zur Satzung, weil die als Alternative vorgesehene Möglichkeit, freiwillig Versicherten statt Sachleistungen eine Kostenerstattung für privat in Anspruch genommene Leistungen anzubieten, in den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs (SGB) bzw der Reichsversicherungsordnung (RVO) keine Stütze finde und eine Kostenerstattung - generell oder an einen bestimmten Kreis der Versicherten - gesetzlich nicht vorgesehen und damit unzulässig sei.
Das Sozialgericht Aurich (SG) hat nach Verbindung der Rechtsstreitigkeiten der beiden Klägerinnen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung durch Urteil vom 31. Januar 1983 den Bescheid vom 20. September 1982 und denjenigen vom 14. September 1982 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den 5. Nachtrag zur Satzung der Klägerin zu 1) vom 15. Dezember 1981 und den 4. Nachtrag zur Satzung der Klägerin zu 2) vom 22. Januar 1982 zu genehmigen. Es hat die Sprungrevision im Urteil zugelassen und zur Begründung seiner Sachentscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Unter Zugrundelegung der Äußerungen im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. September 1981 - 3 RK 58/79 - (BSG SozR 2200 § 182 Nr 74) verstießen die streitigen Satzungsänderungen nicht gegen die RVO oder andere gesetzliche Bestimmungen. Mit der Einräumung eines Anspruchs ihrer freiwilligen Mitglieder auf Kostenerstattung bis zur Höhe der Sachleistung wahlweise neben der Gewährung von Sachleistungen hätten die Klägerinnen die Grenzen ihrer in § 321 Nr 2 RVO begründeten Satzungsautonomie nicht überschritten. Das Prinzip der Sachleistung gelte uneingeschränkt und unangefochten nur für die Pflichtmitglieder der gesetzlichen Krankenkassen. Bei freiwilligen Mitgliedern hingegen sei eine andere Form der Leistungsgewährung vorstellbar. Darauf gebe das Gesetz selbst Hinweise. Die Auferlegung der vollen Beitragszahlung (§ 381 Abs 3 RVO) und das Erlöschen der Mitgliedschaft bei Zahlungsverzug (§ 314 RVO) verdeutlichten die verminderte Schutzbedürftigkeit der freiwillig Versicherten. Diese könne nicht nur für die Beitragsseite, sondern müsse auch für die Leistungsseite gelten. Die RVO verbiete die Kostenerstattung an freiwillig Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen weder ausdrücklich noch stillschweigend. Eine Kostenerstattung widerspreche auch im übrigen nicht der Gesetzessystematik. Der Berechtigung zu ihrer Einführung stehe das Prinzip der kassenärztlichen Versorgung als Kehrseite des Sachleistungsprinzips nicht entgegen. Die kassenärztliche Versorgung sei nicht in Frage gestellt und ihre Fortdauer garantiert, solange und soweit im Verhältnis zu Pflichtmitgliedern eine Kostenerstattung ausgeschlossen bleibe und das Sachleistungsprinzip fortgelte. Eine Gefährdung des Systems der kassenärztlichen Versorgung durch eine für freiwillig versicherte Mitglieder geltende und ihnen lediglich wahlweise angebotene Ausnahme von dem Sachleistungsprinzip sei nicht ersichtlich.
Gegen dieses ihr am 10. Februar 1983 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 8. März 1983 beim BSG eingegangenen Schriftsatz vom 7. März 1983 Sprungrevision eingelegt. Der Revisionsschrift hat sie eine Fotokopie der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG am 31. Januar 1983 beigefügt, ausweislich derer die Beteiligten "wechselseitig die Zustimmung mit der Zulassung der Sprungrevision" erklärt haben. Mit ihrem am 24. März 1983 eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte die schriftlichen Erklärungen der Klägerinnen über deren Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision vorgelegt. In der Sache rügt sie Verletzungen des materiellen Rechts und trägt hierzu vor:
Die mit den streitigen Satzungsänderungen erstrebte Kostenerstattung für freiwillig Versicherte verstoße gegen das in §§ 179, 182 RVO verankerte und auf die Ursprünge der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zurückgehende Sachleistungsprinzip. Für eine Abweichung von diesem Grundprinzip durch eine satzungsrechtliche Regelung bedürften die Krankenkassen nach den Grundsätzen des Vorbehalts und des Vorrangs des Gesetzes als Ausdruck des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Eine solche Ermächtigung zur satzungsrechtlichen Einführung des Kostenerstattungssystems sei nicht vorhanden. § 321 Nr 2 RVO biete entgegen der anderslautenden Rechtsauslegung im Urteil des BSG vom 9. September 1981 keine ausreichende Rechtsgrundlage. Die Vorschrift lasse nur eine Bestimmung über Mehrleistungen zu. Eine satzungsmäßige Regelung der Kostenerstattung für Regelleistungen lasse sich nicht darauf stützen. Kostenerstattung als Mehrleistung sei in der RVO nicht vorgesehen. Sie betreffe lediglich die Art und Weise der Abrechnung. Auf das Urteil des BSG vom 9. September 1981 (aaO) könne die Kostenerstattung nicht gestützt werden. Die Frage der Zulässigkeit einer Satzungsbestimmung über Kostenerstattung sei weder Gegenstand des damaligen Rechtsstreits noch für die Entscheidungsfindung erheblich gewesen und deswegen die Stellungnahme des BSG nicht als verbindliche Rechtsinterpretation anzusehen. Sie widerspreche auch der bisherigen Rechtsprechung des BSG, wonach die ärztliche Behandlung in der GKV Sachleistung sei, eine Kostenerstattung nur in Notfällen in Betracht komme, für den Bereich der RVO-Kassen Abweichendes auch durch Satzungsbestimmung nicht geregelt werden dürfe und das Sachleistungsprinzip ausnahmslos für alle Versicherten und nicht nur für die Pflichtversicherten der RVO-Kassen verbindlich sei. Deswegen dürfe auch die Zulässigkeit der Kostenerstattung nicht mit dem Begriff der Schutzbedürftigkeit in Verbindung gebracht werden. Dieser sei niemals als normativer Regelungsbegriff verwandt worden und weder für die Abgrenzung des versicherten Personenkreises noch für die Leistungsansprüche oder Beitragsverpflichtungen ein gesetzlich normierter Tatbestand. Auch die satzungsrechtliche Möglichkeit einer Beschränkung der Leistungen für freiwillig Versicherte nach § 215 RVO könne nicht mit Erwägungen über eine verminderte Schutzbedürftigkeit dieser Versicherten begründet werden. Nach § 215 RVO könne die Satzung einzelne Leistungsarten ausschließen oder den Anspruch auf einzelne Leistungsarten beschränken, nicht aber anstelle einer Regelleistung eine gesetzlich nicht vorgesehene Leistung einführen. Die Einbeziehung aller freiwillig Versicherten in die Kostenerstattung betreffe eine bedeutende Mitgliedergruppe und bedeute eine Strukturveränderung der GKV ohne Gesetzgeber. Eine Differenzierung danach, daß eine satzungsmäßige Kostenerstattung nur für "bestimmte freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen" zulässig und damit sonstigen freiwillig Versicherten sowie vor allem den Pflichtversicherten verwehrt sei, bedürfe einer gesetzlichen Regelung und sei von der sozialpolitischen Motivation der Schutzbedürftigkeit her nicht sachgerecht. Eine Kostenerstattung widerspreche im übrigen der Gesetzessystematik. Einzelne Vorschriften, die eine Kostenerstattung (§ 185 Abs 3 RVO) oder eine Zuschußleistung vorsähen (§ 182 Abs 1 Buchst d iVm § 182c RVO), seien abschließend geregelte Ausnahmen für bestimmte Fälle. Sie könnten eine Durchbrechung des Sachleistungsprinzips nicht rechtfertigen und keinesfalls Ansprüche auf Kostenerstattung für bestimmte Versichertengruppen begründen.
Die satzungsmäßige Kostenerstattung für freiwillige Mitglieder der Krankenkassen widerspreche auch dem System, nach welchem die ärztliche Behandlung als Leistung der Krankenkassen zu erbringen sei, und könne zu einer erheblichen Gefährdung dieses Systems führen. Nach den leistungsrechtlichen und kassenarztrechtlichen Vorschriften der RVO sei eine Erbringung ärztlicher Behandlung anders als in Form der Sachleistung nach den Regeln und dem Rechtssystem des Kassenarztrechts ausgeschlossen. Aus dem in § 182 Abs 1 Nr 1 RVO verwendeten Wort "insbesondere" könne nicht die Zulässigkeit einer Kostenerstattung für die Inanspruchnahme eines Arztes als Regelleistung oder als Mehrleistung entnommen werden. Die Möglichkeit einer Inanspruchnahme auch von nicht an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten stelle das System der kassenärztlichen Versorgung in Frage. Diese Ärzte seien nicht Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) und könnten deswegen den Auftrag der KÄV'en zur Gewährung einer gleichmäßigen, ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Kranken nicht erfüllen. Bei einer weitverbreiteten satzungsmäßigen Kostenerstattung würden die Ärzte sich zunehmend der privatärztlichen Behandlung der erstattungsberechtigten Patienten zuwenden und die kassenärztliche Tätigkeit aufgeben. Dadurch bestünde die Gefahr, daß die KÄV'en die kassenärztliche Versorgung nicht mehr ausreichend sicherstellen könnten. Eine durch Kassensatzung eingeführte Kostenerstattung gerade auch mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot der GKV in Konflikt. Diesem Gebot unterliege die privatärztliche Behandlung, die der erstattungsberechtigte Versicherte in Anspruch nehmen könne, nicht. Der Privatarzt könne unnötige oder unwirtschaftliche Behandlungsmaßnahmen anwenden oder verordnen und der Privatpatient derartige Leistungen verlangen. Ein im Urteil des BSG vom 9. September 1981 erörterter genereller Abschlag wegen Unwirtschaftlichkeit würde das Wirtschaftlichkeitsgebot zu einer generellen Kürzungsmaßnahme denaturieren und den Anspruch jedes Versicherten auf rechtmäßige Behandlung im jeweiligen Leistungsfall außer Acht lassen. Die vom Versicherten selbst beschaffte Leistung "ärztliche Behandlung" werde von der Gesamtvergütung nicht erfaßt, weil mit dieser lediglich die ärztliche Behandlung als Sachleistung abgegolten werde. Neben der Gesamtvergütung kenne das Recht der Krankenversicherung keine Vergütung für die Inanspruchnahme ambulanter ärztlicher Behandlung. Durch das Gesetz zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz -KVKG-) vom 27. Juni 1977 (BGBl 1 S 1069) seien die Veränderung der Gesamtvergütung und die Vereinbarungen über den Arzneimittelhöchstbetrag an die Berücksichtigung der in § 368f Abs 3 und 6 RVO genannten Daten gebunden worden. Durch eine Kostenerstattung neben der Gesamtvergütung und dem Arzneimittelhöchstbetrag werde das System der grundlohnorientierten Finanzierung unterlaufen. Die Krankenkassen müßten dann neben den Vergütungen für die Sachleistungen die Kosten für "Alternativleistungen" aufbringen, die nicht in die Empfehlungen der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen oder in die Bundesempfehlungen nach § 368f Abs 4 und 7 RVO eingebunden seien und auf deren Höhe weder Krankenkassen noch KÄV'en Einfluß nehmen könnten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Aurich vom 31. Januar 1983 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie meinen, das Sachleistungsprinzip hindere sie nicht an einer Kostenerstattung bei ihren freiwillig versicherten Mitgliedern. Obgleich auch für die freiwilligen Mitglieder der Ersatzkassen das wesentliche Prinzip der Leistungsgewährung in Natur gelte, hätten ihnen diese Kassen seit etlichen Jahren das wahlweise Recht auf Kostenerstattung oder auf Behandlung aufgrund eines Krankenscheins eingeräumt. Nach der Rechtsprechung des BSG seien die Ersatzkassen befugt, für freiwillige Mitglieder durch einfaches Satzungsrecht das Sachleistungsprinzip außer Kraft zu setzen. Bei diesem Prinzip handele es sich ungeachtet dessen, daß es in verschiedenen Vorschriften der RVO Ausdruck gefunden habe, nicht um eine Norm mit Gesetzesrang. Es sei vielmehr für das Recht der sozialen Krankenversicherung vergleichbar mit einer ("verfassungsgestaltenden") Grundentscheidung als politisches Gestaltungsprinzip. Derartige Prinzipien seien Ausdruck der jeweiligen Anschauungen, der sozialen Verhältnisse sowie des jeweiligen politischen Gestaltungswillens und deshalb nicht unveränderlich, sondern der Konkretisierung für den Einzelfall bedürftig. Zur Konkretisierung gehöre die Entscheidung über die Geltung des Sachleistungsprinzips bei den freiwillig Versicherten. Die Konkretisierung könne auch durch die Rechtsprechung vorgenommen und deswegen von ihr auch die Frage der Zulässigkeit der Kostenerstattung beantwortet werden. Durch das Sachleistungsprinzip als sozialpolitische Entscheidung habe ein schutzbedürftiger Personenkreis durch Zurverfügungstellung von Sachleistungen in Natur möglichst vollkommen vor den finanziellen Folgen des Krankheitsrisikos geschützt werden sollen. Die Zulässigkeit der Kostenerstattung bei freiwillig Versicherten der Ersatzkassen habe ihren Grund nicht etwa in Art 2 § 4 Abs 2 der Zwölften Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung (Ersatzkassen der Krankenversicherung) vom 24. Dezember 1935 (RGBl I S 1537; = 12. AufbauVO), sondern in der Erkenntnis gehabt, daß an der ursprünglichen sozialpolitischen Grundentscheidung für das Sachleistungsprinzip nicht habe festgehalten werden müssen bzw sie von vornherein nicht gegolten habe, soweit eine soziale Schutzbedürftigkeit bestimmter Versicherter nicht bestanden habe. Entsprechendes müsse für die freiwilligen Mitglieder der AOK'en gelten. Auch bei ihnen bestehe ein Schutzbedürfnis nicht in der Weise, daß an der Grundentscheidung des Sachleistungsprinzips festgehalten werden müßte. Das gelte nicht nur für die höher verdienenden freiwillig Versicherten iS der §§ 176a und 313 RVO, auch wenn nur bei ihnen die streitige Rechtsfrage praktische Bedeutung erlangen werde, sondern für alle freiwillig Versicherten. Brauche somit die Grundentscheidung für die Sachleistung in der GKV wegen fehlender Schutzbedürftigkeit der freiwillig Versicherten insoweit nicht mehr aufrechterhalten zu werden, so stünden §§ 179, 321 Nr 2 RVO ihrem (der Klägerinnen) Begehren nicht entgegen. Ob eine Leistung als Regel- oder Mehrleistung gewährt werde, besage nichts über die Zulässigkeit der Kostenerstattung. Diese sei nicht eine neue Art der Regel- oder Mehrleistung, sondern lediglich eine bestimmte Art der Abrechnung und eine besondere Form der Leistungserbringung. Ein triftiger Grund dafür, die Kostenerstattung bei den freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen anders zu bewerten als bei denjenigen der Ersatzkassen, bestehe nicht. Es lägen gleiche Sachverhalte vor, deren Gleichbehandlung geboten sei.
Der Berechtigung zur Kostenerstattung stehe das Prinzip der kassenärztlichen Versorgung nicht entgegen. Die Ersatzkassen hätten sowohl nach dem Anteil ihrer gesamten Versicherten als auch nach der absoluten Zahl wesentlich mehr freiwillige Mitglieder und einen wesentlich höheren Zuwachs dieser Mitglieder als die gesetzlichen Krankenkassen. Dennoch sei bisher nicht ernsthaft befürchtet worden, die bei den Ersatzkassen seit Jahren praktizierte Kostenerstattung könne das System der kassenärztlichen Versorgung zum Erliegen bringen. Keineswegs sei dieses System durch die übrigen gesetzlichen Krankenkassen mit wesentlich weniger freiwilligen Mitgliedern, deren Zuwachs zudem stagniere, gefährdet. Die meisten Ärzte seien zu den Ersatzkassen und den gesetzlichen Krankenkassen zugelassen und behandelten nebenher Privatpatienten. Schon bei dem hohen Anteil der freiwilligen Mitglieder der Ersatzkassen hätten sie bisher keinen Grund gesehen, in erhöhtem Maße auf ihre Kassenzulassung zu verzichten. Das werde dann bei dem geringen Anteil freiwillig Versicherter der gesetzlichen Krankenkassen auch nicht der Fall sein. Daß bei der verhältnismäßig geringen Zahl von Versicherten, die von der Kostenerstattung Gebrauch machen könnten und tatsächlich machten, die ärztliche Versorgung nicht mehr sichergestellt werden könne, sei nicht ersichtlich. Dem Gebot der Wirtschaftlichkeit werde dadurch Rechnung getragen, daß dem Erstattungsberechtigten Kosten nur in der Höhe, wie sie bei der Gewährung von Sachleistungen entstanden wären, zu erstatten und unwirtschaftliche Leistungen auch im Rahmen der Kostenerstattung nicht zu erbringen seien. Allerdings sei die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Behandlungs- und Verordnungsweise bei der Kostenerstattung schwieriger. Bei der kassenärztlichen Versorgung könnten jedoch ebenfalls eine lückenlose Überprüfung nicht geleistet und lediglich die gravierenden Fälle erfaßt werden.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Sprungrevision der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere formgerecht eingelegt worden. Zwar hat die Beklagte entgegen § 161 Abs 1 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) innerhalb der einmonatigen Frist zur Einlegung der Revision (§ 164 Abs 1 Satz 1 SGG) die schriftlichen Zustimmungserklärungen der Klägerinnen dem BSG nicht zugeleitet. Dies ist insbesondere nicht durch die Übersendung einer einfachen Abschrift der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG am 31. Januar 1983 geschehen. Einmal wird dem Erfordernis der "Schriftlichkeit" der Zustimmungserklärung des Gegners (§ 161 Abs 1 Satz 1 SGG) nur durch Vorlage einer beglaubigten Abschrift der Verhandlungsniederschrift entsprochen (vgl BSG SozR 1500 § 161 Nr 29 S 62 mwN). Zum anderen haben ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG am 31. Januar 1983 die Beteiligten wechselseitig die Zustimmung mit der "Zulassung" der Sprungrevision erklärt. Eine derartige Erklärung kann nach ständiger Rechtsprechung des BSG im Regelfall nicht als Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision ausgelegt werden (vgl zuletzt BSG SGb 1986, 200, 201 mwN). Gleichwohl hat die Beklagte dadurch, daß sie mit ihrem am 24. März 1983 eingegangenen Schriftsatz die schriftlichen Zustimmungserklärungen der Klägerinnen vorgelegt hat, dem Formerfordernis des § 161 Abs 1 SGG genügt. Hierfür ist nämlich nicht die reguläre Monatsfrist für die Einlegung der Revision (§ 164 Abs 1 Satz 1 SGG), sondern die Jahresfrist des § 66 Abs 2 SGG maßgebend gewesen. Die vom SG erteilte Rechtsmittelbelehrung ist unvollständig und damit unrichtig. Sie enthält keinen Hinweis auf das unverzichtbare Formerfordernis des § 161 Abs 1 Satz 3 SGG, wonach, wenn die Revision im Urteil des SG zugelassen worden ist, die schriftliche Zustimmung des Gegners der Revisionsschrift beizufügen ist (BSG SozR 1500 § 66 Nr 10 S 19).
Der Senat hält die Sprungrevision der Beklagten für begründet. Er möchte ihr deswegen stattgeben und mit der Begründung, daß die von den Vertreterversammlungen der Klägerinnen beschlossenen Nachträge zur jeweiligen Satzung den gesetzlichen Vorschriften nicht genügen (§ 324 Abs 2 RVO), unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klagen gegen die Bescheide der Beklagten vom 20. und 14. September 1982 abweisen. Das würde bedeuten, daß den Klägerinnen auch zugunsten ihrer der Krankenversicherung freiwillig beigetretenen Mitglieder iS des § 176a Abs 1 Satz 1 RVO und ihrer wegen Ausscheidens aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung aufgrund Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze freiwillig weiterversicherten Mitglieder iS des § 313 Abs 1 Satz 1 RVO die satzungsrechtliche Einführung einer Kostenerstattung verwehrt wäre. Bezüglich dieser beiden Personenkreise sieht sich der Senat an der nach seiner Auffassung gebotenen Sachentscheidung gehindert. Er würde damit nämlich von dem Urteil des 3. Senats des BSG vom 9. September 1981 (BSG SozR 2200 § 182 Nr 74) abweichen. Der Senat hat deswegen beschlossen, hinsichtlich der vorerwähnten beiden Versichertengruppen die aus dem Beschlußtenor ersichtliche Anfrage an den 3. Senat zu richten.
Mit diesem geht auch der beschließende Senat davon aus, daß die Einführung einer - wenn auch lediglich wahlweisen - Kostenerstattung zugunsten freiwillig versicherter Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen (§ 225 RVO) überhaupt und damit auch speziell zugunsten freiwillig Versicherter iS der § 176a Abs 1 Satz 1, § 313 Abs 1 Satz 1 RVO durch die Satzungsvorschrift einer Krankenkasse der ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Im Gegensatz zur Rechtsansicht des 3. Senats ist jedoch nach Auffassung des beschließenden Senats eine solche Ermächtigung nicht vorhanden. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus § 321 Nr 2 RVO.
Hiernach hat die für jede Krankenkasse zu errichtende Satzung (§ 320 Abs 1 RVO) ua über Art und Umfang der Leistungen zu bestimmen. Nach einhelliger Auffassung im sozialrechtlichen Schrifttum (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 18. Aufl, Band 3 Stand 1. September 1986, § 321, Anm 3c, S 17/1238; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl, Stand Februar 1986, § 321, Anm 4.1.; Fischwasser BKK 1982, 74, 75; Wanner DOK 1982, 116) ermächtigt § 321 Nr 2 RVO zum Erlaß satzungsrechtlicher Vorschriften über Art und Umfang ausschließlich von Mehrleistungen iS des § 179 Abs 3 RVO, weil nur bezüglich dieser Leistungen die Satzung konstitutive Wirkung haben kann. In der Rechtsprechung des BSG findet sich - soweit ersichtlich - eine gleichlautend eindeutige Aussage nicht. Gleichwohl läßt sich dies zumindest inzidenter auch aus der Rechtsprechung herleiten. Das BSG ist wiederholt auf den Unterschied zwischen Regelleistungen und "satzungsmäßigen" Mehrleistungen eingegangen und hat dabei erstere als Leistungen definiert, zu deren Erbringung die Krankenkassen unmittelbar kraft Gesetzes verpflichtet seien (BSGE 50, 44 = SozR 2200 § 187 Nr 7 S 19; BSG SozR 2200 § 194 Nr 5 S 12). Für die "rechtlich schwächere Form" der Mehrleistung sei hingegen wesentlich, daß es sich um satzungs- und damit aufsichtsrechtlich genehmigungspflichtige Leistungen handele, zu denen sich die Krankenkassen mit Rechtsanspruch der Versicherten oder nach pflichtgemäßem Ermessen verpflichten könnten (BSGE 51, 115, 116 = SozR 2200 § 187 Nr 9 S 24). Entscheidend für den Begriff der Mehrleistung sei ihre ausdrückliche Einführung durch entsprechende Satzungsvorschriften; im übrigen seien satzungsrechtliche Mehrleistungen der Krankenkassen nur insoweit zulässig, als sie im Zweiten Buch der RVO ausdrücklich vorgesehen seien (BSGE 3, 18, 19f; 50, 44 = SozR 2200 § 187 Nr 7 S 19; SG SozR 2200 § 194 Nr 5 S 13). Wenn aber die Krankenkassen zur Erbringung von Regelleistungen schon unmittelbar kraft Gesetzes verpflichtet sind und lediglich eine satzungsrechtliche "Mehrleistungs-" Autonomie besitzen (vgl BSGE 51, 115, 118f = SozR 2200 § 187 Nr 9 S 27, so folgt daraus zwangsläufig, daß sich auch unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung die gesetzliche Ermächtigung des § 321 Nr 2 RVO zur Bestimmung über Art und Umfang der Leistungen nur auf Mehrleistungen beziehen kann.
Diese Frage kann jedoch letztlich auf sich beruhen. Selbst wenn sich die gesetzliche Ermächtigung des § 321 Nr 2 RVO zur satzungsrechtlichen Bestimmung über Art und Umfang der Leistungen sowohl auf Mehrleistungen als aber auch auf Regelleistungen beziehen sollte, so ist doch jedenfalls für letztere ebenso wie für Mehrleistungen zu fordern, daß sie ihre Rechtsgrundlage in der RVO haben (vgl BSGE 40, 20, 21, = SozR 2200 § 187 Nr 5 S 13; speziell für Mehrleistungen BSGE 3, 18, 19; BSG SozR 2200 § 194 Nr 5 S 13). Eine Kostenerstattung allgemein oder für bestimmte Gruppen von Versicherten der GKV ist jedoch im 2. Buch der RVO nicht nur nicht vorgesehen, sondern nach Meinung des anfragenden Senats de lege lata sogar ausgeschlossen. Dabei wird unter Kostenerstattung hier und im folgenden die Zahlung eines Geldbetrages seitens eines Trägers der GKV an den Versicherten zwecks (vollständigen oder teilweisen) Ersatzes der von diesem für eine selbstbeschaffte Leistung der Krankenpflege (§ 182 Abs 1 Nr 1, §§ 182b ff RVO) aufgewendeten finanziellen Mittel verstanden (zur Abgrenzung der Kostenerstattung in diesem Sinne von anderen Geldleistungen der gesetzlichen Krankenkassen an ihre Versicherten vgl Zacher/Friedrich-Marczyk ZfS 1980, 97, 99f).
Der Ausschluß der Kostenerstattung ist die Konsequenz des das Leistungsrecht der GKV beherrschenden Sachleistungsprinzips.
Seinen sachlichen Inhalt erhält dieses Prinzip dadurch, daß in ihrer rechtlichen Beziehung zum Versicherten die GKV den Charakter einer Sachleistungen gewährenden Institution hat (vgl BSGE 19, 21, 23 = SozR Nr 14 zu § 184 RVO). Die Träger der GKV haben ihren Versicherten die Leistungen der Krankenpflege (§ 182 Abs 1 Nr 1 RVO) bzw den "Leistungsgegenstand als solchen" in Form der Sachleistung "zur Verfügung zu stellen" bzw zu "beschaffen" (BSGE 42, 117, 119 = SozR 2200 § 184 Nr 4 S 10; BSGE 42, 229, 230 = SozR 2200 § 182b Nr 2 S 2). Das ist allerdings nicht gleichbedeutend damit, daß die Krankenkassen ihren Versicherten Leistungen der Krankenpflege als Eigenleistungen erbringen müssen; offen ist, ob - worüber der Senat in dem Rechtsstreit 1/8 RR 36/83 zur Zulässigkeit sogen "Selbstabgabestellen" der Krankenkassen zu entscheiden haben wird - sich aus dem Sachleistungsprinzip zumindest ein Recht der Träger der GKV zur Eigenleistung herleiten läßt (verneinend, Zacher/Friedrich-Marczyk, aaO, S 97; dagegen Beschlüsse des 8. Senats vom 19. Februar 1986 - 8 RK 43/84, 46/84, 20/85 - und vom 19. März 1986 - 8 RK 58/84 -, in denen die Überlassung von Hilfsmitteln seitens der Krankenkassen als Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Sachleistungsanspruchs des Versicherten als zulässig erachtet wird). Ausschlaggebend für den Inhalt des Sachleistungsprinzips ist vielmehr die "Verschaffungspflicht" der Krankenkassen. Sie haben (wenn schon nicht durch Eigenleistung, so jedenfalls) durch Abschluß von Verträgen mit den Lieferanten von Gegenständen der Krankenpflege, mit KÄV'en und mit Krankenhäusern die Erbringung von Leistungen der Krankenpflege zu gewährleisten und damit ihren Grundauftrag zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung ihrer Mitglieder zu erfüllen (BSGE 46, 179, 182 = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 61; vgl auch Vorlagebeschluß des 3. Senats in SGb 1986, 28, 29ff). In diesem Sinne umfaßt - im Gegensatz zum zwischenstaatlichen Recht - im deutschen Krankenversicherungsrecht der Begriff der "Sachleistungen" nur "Naturalleistungen" und nicht auch Geldleistungen zur vollständigen oder teilweisen Erstattung der Aufwendungen des Versicherten für Leistungen oder Gegenstände der Krankenpflege (BSGE 57, 50, 55 = SozR 2200 § 198 Nr 2 S 7). Eine derartige Verschaffungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen gewährleistet, daß der Versicherte eine notwendige Leistung der Krankenpflege erhält, ohne sie sich selbst erst beschaffen und insbesondere ohne bei ihrer Inanspruchnahme eine unmittelbare finanzielle Gegenleistung erbringen zu müssen (Zacher/Friedrich-Marczyk, aaO, S 98; v Maydell, Zur Kostenerstattung in der gesetzlichen Krankenversicherung, PKV-Dokumentation Heft 7, März 1982, S 25 und 31).
Mit diesem sachlichen Begriffsinhalt ist das Sachleistungsprinzip zwar in der RVO - anders als in § 6 Abs 1 und § 29 Abs 1 des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883 (RGBl S 73 und des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) in der Neufassung vom 10. April 1892 (RGBl S 379) - nicht mehr ausdrücklich geregelt. Dennoch ist nicht nur seine Fortgeltung gleichsam als übernormatives Grundprinzip des Rechts der GKV auch für die Zeit seit Inkrafttreten der RVO vom 19. Juli 1911 (RGBl S 509) völlig unbestritten. Ihm werden vielmehr darüber hinaus einhellig ein hervorragender Rang und eine fundamentale Bedeutung zugesprochen. So wird nach ständiger Rechtsprechung des BSG das System der deutschen sozialen Krankenversicherung vom Sachleistungsprinzip geprägt oder getragen (BSGE 42, 117, 119 = SozR 2200 § 184 Nr 4 S 10; BSG USK 78160 S 678; BSG SozR 2200 § 184 Nr 13 S 19; BSG USK 79213 S 904 und USK 8002 S 4). Es ist ein wesentlicher Grundsatz der GKV (BSGE 46, 179, 181 = Soz R 2200 § 182 Nr 32 S 61; BSG SozR 2200 § 182 Nr 74 S 133) und unterscheidet diese dadurch von der privaten Krankenversicherung (PKV), die weitgehend auf dem Erstattungsprinzip beruht (Vorlagebeschluß des BSG vom 19. März 1986 - 8 RK 58/84 -). Auch im sozialrechtlichen Schrifttum wird das Sachleistungsprinzip als für die soziale Krankenversicherung seit ihrer Entstehung kennzeichnend (v Maydell ZfS 1982,221), als Zentralbegriff des Regelungssystems der GKV (Meydam SGb 1977, 92, 95) und als deren beherrschendes oder dominantes Strukturelement gewertet (Narr Sgb 1986, 32, 33).
Eine von dem die GKV beherrschenden Sachleistungsprinzip abweichende Kostenerstattung anläßlich der Inanspruchnahme von Regelleistungen der Krankenpflege (§ 179 Abs 1 Nr 2, Abs 2, § 182 Abs 1 Nr 1 RVO) generell oder zugunsten bestimmter Gruppen der Versicherten sieht die RVO weder unmittelbar noch - durch eine gesetzliche Ermächtigung zur satzungsrechtlichen Einführung einer solchen Kostenerstattung - mittelbar vor. Zwar ist dem 3. Senat (BSG SozR 2200 § 182 Nr 74 S 133) darin beizupflichten, daß die Erstattungsvorschriften der § 185 Abs 3, § 185b Abs 2 Satz 2 und § 182c iVm § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst d) RVO deutlich machen, daß das Kostenerstattungsprinzip der RVO nicht vollkommen fremd ist. Daraus auf die Zulässigkeit einer umfassenden Kostenerstattung zumindest für bestimmte Gruppen von Versicherten der GKV zu schließen, hält der Senat jedoch aus zwei Gründen für nicht zulässig. Einmal sind die genannten Vorschriften - wie auch der 3. Senat hervorhebt - abschließend aufgezählte Ausnahmen von dem in der GKV grundsätzlich herrschenden Sachleistungsprinzip. Über diese hinaus hat die Rechtsprechung weitere Ausnahmen lediglich in zwei Sonderfällen für zulässig erachtet, in denen die Inanspruchnahme von Sachleistungen unmöglich gewesen ist (Erstattung der Kosten einer in dringenden Bedarfslagen - BSGE 42, 117, 119 = SozR 2200 § 184 Nr 4 S 10 - oder einer deshalb selbstbeschafften Leistung, weil die Krankenkasse zuvor rechtswidrig die Gewährung einer Sachleistung abgelehnt hat und der Versicherte deswegen gezwungen gewesen ist, sich die erforderliche Leistung auf eigene Kosten zu verschaffen - vgl ua BSGE 46, 179, 182 = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 61; BSGE 48, 258, 260 = SozR aaO Nr 47 S 81; BSG USK 81179 S 742 mit eingehenden Nachweisen -). Davon abgesehen ist es der Krankenkasse jedoch nicht gestattet, ihren Versicherten Barleistungen zu gewähren und ihre gesetzlich statuierte Sachleistungspflicht durch Satzungsrecht abzuändern (vgl BSGE 42, 117, 119 = SozR 2200 § 184 Nr 4 S 10; BSGE 46, 179, 183 = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 62; BSG SozR 2200 § 184 Nr 13 S 19; zum Ausnahmecharakter von Kostenerstattungsvorschriften auch v Maydell, Zur Kostenerstattung..., aaO, S 26; Fischwasser BABl 1981 Heft 11 S 35, 36; ders BKK 1982, 74, 75). Gerade dieser Ausnahmecharakter der Kostenerstattungsvorschriften unterstreicht den Willen des Gesetzgebers zur grundsätzlichen Einführung und Beibehaltung des Sachleistungsprinzips (Wanner DOK 1982, 116, 118). Zum anderen lassen § 185 Abs3, § 185b Abs 2 Satz 2 und § 182c iVm § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst d) RVO eine Kostenerstattung nur aufgrund und nach der Inanspruchnahme ganz bestimmter und enumerativ aufgezählter Regelleistungen der Krankenhilfe (häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe, zahntechnische Leistungen bei Zahnersatz und Zahnkronen) zu. Sie stellen damit allein auf bestimmte Leistungssituationen ab, ohne dabei nach einzelnen Versichertengruppen zu differenzieren. Dann aber muß es als rechtsmethodisch bedenklich und sachlich nicht gerechtfertigt angesehen werden, aus diesen Ausnahmevorschriften auf die Zulässigkeit einer (satzungsrechtlichen Einführung der) von bestimmten Leistungssituationen gelösten und an die Inanspruchnahme jeglicher Regelleistung der Krankenpflege (§ 182 Abs 1 Nr 1 RVO) geknüpften Kostenerstattung zugunsten bestimmter Gruppen der Versicherten der GKV zu schließen (vgl v Maydell, Zur Kostenerstattung..., aaO, S 28f; ders ZfS 1982, 221, 223f; Wanner DOK 1982, 116, 118).
Speziell zugunsten der bei den gesetzlichen Krankenkassen freiwillig Versicherten iS der § 176a Abs 1 Satz 1, § 313 Abs 1 Satz 1 RVO läßt sich die Zulässigkeit (der satzungsrechtlichen Einführung) einer umfassenden Kostenerstattung auch nicht unter Hinweis auf Entstehungsgeschichte und Regelungszweck der einschlägigen Vorschriften mit einer geringeren sozialen Schutzbedürftigkeit dieser Gruppe der Versicherten begründen. Zwar trifft es zu, daß diese Versicherten insofern an der Durchführung und Aufrechterhaltung ihrer Versicherung eigenverantwortlich beteiligt sind, als sie zunächst - in diesem Zusammenhang kann allerdings auch die Regelung des § 405 RVO nicht unberücksichtigt bleiben - nach § 381 Abs 3 RVO die Beiträge allein zu tragen haben und nach § 314 RVO die Folgen eines Zahlungsverzuges in Gestalt des Erlöschens der Mitgliedschaft allein sie treffen. Indessen zeigen gerade diese Vorschriften wie auch die durch § 215 RVO eröffnete Möglichkeit einer Beschränkung der den freiwillig Versicherten zu gewährenden Regelleistungen (dazu Fischwasser BKK 1982, 74, 76), daß der Gesetzgeber selbst und ausdrücklich normiert hat, in welchen Bereichen und in welcher Weise einer geringeren sozialen Schutzbedürftigkeit der freiwillig Versicherten Rechnung zu tragen ist bzw getragen werden kann. Angesichts dessen kann und muß auch eine Kostenerstattung zugunsten dieser Versicherten im Hinblick auf eine etwaige geringere soziale Schutzbedürftigkeit (diese verneinend Fischwasser, aaO, S 75; vgl auch v Maydell, Zur Kostenerstattung..., aO, S 28 und 31) ausdrücklich vom Gesetzgeber geregelt werden. Das ist bislang nicht geschehen.
Der Argumentation des 3. Senats, daß zugunsten der freiwillig Versicherten iS der § 176a Abs 1 Satz 1, § 313 Abs 1 Satz 1 RVO im Hinblick auf deren geringere soziale Schutzbedürftigkeit abweichend vom Sachleistungsprinzip eine Kostenerstattung zulässig sei, beruht im übrigen auf der Erwägung, daß gesetzgeberisches Motiv und Rechtfertigung für die Einführung und Beibehaltung des Sachleistungsprinzips die soziale Schutzbedürftigkeit der Versicherten sei. Dem kann in dieser Ausschließlichkeit nicht zugestimmt werden. Dabei kann auf sich beruhen, ob seit Bestehen der GKV der Begriff der "Schutzbedürftigkeit" niemals als normativer Regelungsbegriff verwendet worden ist (Fischwasser, aaO, S 75) und als wesentliche Grundlage des Sachleistungsprinzips von Anfang an die Steuerungsmöglichkeiten im Sinne der Wirtschaftlichkeit und der Sicherstellung der Versorgung im Vordergrund gestanden haben (so Fries/Trenk-Hinterberger SGb 1983, 94, 96). Jedenfalls kann das Sachleistungsprinzip nicht allein mit Blick auf die Versicherten und deren höhere oder geringere soziale Schutzbedürftigkeit gesehen und gewertet werden. Vielmehr steht es zumindest gleichwertig auch im Zusammenhang mit dem Recht der Leistungserbringung und sonach insbesondere mit dem Kassenarztrecht. Dieser enge Zusammenhang ist in der Rechtsprechung des BSG wiederholt betont worden. Danach bedarf es zur Gewährleistung der ärztlichen Behandlung als Sachleistung eines umfassenden Systems ärztlicher Versorgung, welches Versicherte, Krankenkassen und KÄVen umspannt (BSGE 25, 195 = SozR Nr 7 zu § 4 der 12. AufbauVO vom 24. Dezember 1935). Ihre aus dem Sachleistungsprinzip resultierende Verpflichtung zur Verschaffung der vom Versicherten benötigten und ihm nach dem Gesetz zustehenden Dienste und Güter der Krankenpflege und damit ihren Grundauftrag zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung ihrer Mitglieder erfüllen die Krankenkassen durch Abschluß von Verträgen mit den KÄV'en, den Krankenhäusern und den Lieferanten von Leistungen und Gegenständen der Krankenpflege (BSGE 42, 117, 119 = SozR 2200 § 184 Nr 4 S 10; BSGE 44, 41, 43 = SozR 2200 § 508 Nr 2 S 4; BSGE 46, 179, 181f = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 61; BSG SozR 2200 § 184 Nr 13 S 19f BSG SGb 1986, 28, 29f. Diese Verschaffungspflicht der Krankenkasse ist wesentlich, weil sie dadurch die Möglichkeit der Überwachung und Prüfung erhält und auf diese Art in der Lage ist, ihren Versorgungsauftrag entsprechend dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 182 Abs 2 RVO) ordnungsgemäß zu erfüllen (BSGE 46, 179, 182 = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 61). Die das Sachleistungsprinzip bestimmenden Grundsätze für die Tätigkeit sowohl der Kassenärzte als auch der Angehörigen der nichtärztlichen Heilberufe sind Ausdruck des öffentlichen Interesses an der Funktionsfähigkeit der kassenärztlichen Versorgung, welche eine Aufgabe von Verfassungsrang ist. Kassenärzte wie auch andere Leistungserbringer werden in das Sachleistungssystem einbezogen und den dafür geltenden Grundsätzen unterworfen (Beschluß des BSG vom 19. März 1986 - 8 RK 58/84 -). Auch im sozialrechtlichen Schrifttum ist nachdrücklich auf den engen Zusammenhang zwischen dem Sachleistungsprinzip einerseits und dem Recht der Leistungserbringung sowie speziell dem Kassenarztrecht andererseits hingewiesen worden (vgl ua Häussler SozSich 1965, 290, 291; Meydam SGb 1977, 92f; Zacher/Friedrich-Marczyk ZfS 1980, 97; Fischwasser BKK 1982, 74, 76). Nach v Maydell (Zur Kostenerstattung..., aaO, S 32) bilden die Vereinbarungen, welche die Krankenkassen mit den Lieferanten von Gegenständen der Krankenpflege, mit KÄV'en und mit Krankenhäusern treffen, um damit die Versorgung der Versicherten sicherzustellen, die zweite Seite des Sachleistungsprinzips und dienen der Ausgestaltung der Verpflichtung der Krankenkassen aus § 182 Abs 2 RVO zur ausreichenden und zweckmäßigen, das Maß des Notwendigen aber nicht überschreitenden Versorgung der Versicherten. Narr (SGb 1986, 32, 33) hält das Kassenarztrecht für die Rechtsmaterie, bei der die dominante Struktur des Natural- oder Sachleistungsprinzips am besten gesetzgeberisch ausgeformt worden sei; zwangsläufige Folgen dieses Prinzips sei der gesetzliche Sicherstellungsauftrag der KÄV'en.
Durch die Einführung einer Erstattung der zuvor dem Versicherten in Rechnung gestellten und von ihm verauslagten Kosten für die Inanspruchnahme von Regelleistungen der Krankenpflege (§ 182 Abs 1 Nr 1 RVO) würde hinsichtlich der Gruppe der derart begünstigten Versicherten der vom Gesetzgeber ausdrücklich hergestellte enge Zusammenhang zwischen dem Sachleistungsprinzip und dem Recht der Leistungserbringung, insbesondere dem Kassenarztrecht, aufgehoben werden. Das gilt vor allem bezüglich der Kosten für die Inanspruchnahme ambulanter ärztlicher Behandlung. Schon die Tatsache, daß diese Kosten dem erstattungsberechtigten Versicherten unmittelbar von dem behandelnden Arzt in Rechnung gestellt werden, widerspricht dem vom Sachleistungsprinzip geprägten Grundsatz des Kassenarztrechts, daß dem Kassenarzt ein Vergütungsanspruch ausschließlich gegen die KÄV (§ 368f Abs 1 Satz 2 RVO) und somit weder unmittelbar gegenüber dem Versicherten noch gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse zusteht. Insbesondere aber wird durch eine solche Kostenerstattung das kassenärztliche Gesamtvergütungssystem unterlaufen. Nach geltendem Recht (§ 368f Abs 1 Satz 1 und 2 RVO) entrichtet die Krankenkasse für die gesamte kassenärztliche Versorgung mit befreiender Wirkung an die KÄV eine Gesamtvergütung. Deren Verteilung unter die Kassenärzte und damit die Einzelhonorierung der ärztlichen Leistungen mit der sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung (§ 368n Abs 5 RVO) ist ausschließlich Angelegenheit der KÄV. Diese wäre im Falle einer Kostenerstattung aus dem Vergütungs- und Abrechnungsverfahren vollständig ausgeschaltet. Es kann dahinstehen, ob damit mangels eines dafür geeigneten Instrumentariums bei den gesetzlichen Krankenkassen eine Kontrolle der Leistungserbringung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr möglich ist und eine unwirtschaftliche Behandlung und Verordnung nicht mehr unterbunden werden kann (vgl v Maydell, Zur Kostenerstattung..., aaO, S 32; ders ZfS 1982, 221, 225; Fischwasser BKK 1982, 74, 77). Zumindest bedeutet eine Kostenerstattung einen derart einschneidenden Eingriff in das gesetzlich geregelte und zwingend vorgeschriebene Vergütungs-, Abrechnungs- und Prüfungssystem, daß sie ihrerseits nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung vorgenommen oder eingeführt werden könnte. Eine solche Regelung ist jedoch nicht vorhanden.
Der Senat verkennt nicht, daß in der Praxis - mit rechtsaufsichtlicher Genehmigung oder zumindest Billigung - zugunsten der freiwillig versicherten Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen und in geringerem Umfange sogar zugunsten der Pflichtversicherten eine Kostenerstattung tatsächlich vorgenommen wird. Dem kann angesichts der Konkurrenzsituation im Verhältnis zur PKV und vor allem im Hinblick darauf, daß den Ersatzkassen ungeachtet des grundsätzlich auch für sie geltenden Sachleistungsprinzips die Vornahme einer Kostenerstattung für einen begrenzten Kreis von freiwillig Versicherten ausdrücklich gestattet worden ist (vgl ErsK 1971, 397, 398), eine tatsächliche Berechtigung und Notwendigkeit möglicherweise nicht abgesprochen werden. Indes kann dieser gerade in jüngster Zeit durch die Öffnung der PKV für freiwillig in der GKV versicherte Beihilfeberechtigte wiederum verschärften Wettbewerbssituation nur durch ein Handeln des Gesetzgebers selbst Rechnung getragen werden, wie dies auch der Auffassung der initiativberechtigten (Art 76 Abs 1 des Grundgesetzes -GG-) und auch faktisch in erster Linie geforderten Bundesregierung entspricht (vgl Antwort der Bundesregierung vom 6. April 1982 - BT-Drucks 9/1566 - auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Müller/Remscheid und Genossen vom 25. März 1982 - BT-Drucks 9/1499 -). Zwar ist ungeachtet dieser Erkenntnis trotz eines Ablaufs von seither schon wieder fast fünf Jahren ein entsprechender Gesetzesentwurf von der Bundesregierung bislang nicht vorgelegt worden. Auch dieser Umstand berechtigt jedoch nach Ansicht des beschließenden Senats die Rechtsprechung nicht, ihrerseits im Wege einer im Gesetz selbst nicht vorgezeichneten Interpretation die (satzungsrechtliche Einführung einer) Kostenerstattung für die freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen oder einzelne Gruppen dieser Versicherten für zulässig zu erklären (vgl dazu neuerdings Mayer-Maly JZ 1986, 557, 560, nach dessen zutreffender Ansicht auch die Untätigkeit einer demokratisch-parlamentarischen Legislative als Ausdruck einer politischen Entscheidung von den Gerichten respektiert werden sollte). Dagegen sprechen vor allem erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Der insbesondere der höchstrichterlichen Rechtsprechung zukommenden Aufgabe und Befugnis zur richterlichen Rechtsfortbildung sind durch den Grundsatz der Rechts- und Gesetzesbindung des Art 20 Abs 3 GG Grenzen gezogen (BVerfGE 65, 182, 190f). Eine dieser Grenzen besteht dort, wo weder Wortlaut noch Lücke des Gesetzes dem Richter Raum zur Rechtsfortbildung gewähren und diese deswegen letztlich eine verfassungswidrige richterliche Gesetzeskorrektur darstellen würde (vgl Leisner DVBl 1986, 705, 707 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG in Fn 35). Im übrigen ist es den Gerichten verwehrt, bestehendes Recht zugunsten oder zu Lasten einzelner Personen oder Personengruppen nicht anzuwenden (vgl BVerfGE 71, 354, 362 mwN). Der Gesetzgeber der RVO hat das Sachleistungsprinzip als übergreifenden Grundsatz des Leistungsrechts für alle Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen (§ 225 Abs 1 RVO) normiert und nicht einzelne Gruppen dieser Versicherten davon ausgenommen oder ihre Ausnahme durch Satzungsrecht gestattet. Dann aber würde eine darauf abzielende richterliche Entscheidung die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung überschreiten und zur verfassungswidrigen Nichtanwendung bestehenden Rechts zugunsten einzelner Gruppen der Normadressaten führen.
Fundstellen