Leitsatz (redaktionell)

Hält der 3. BSG-Senat an seiner im Urteil vom 9.9.1981 3 RK 58/79 = SozR 2200 § 182 RVO Nr 74 vertretenen Ansicht fest, daß die gesetzlichen Krankenkassen befugt sind, in ihre Satzung eine Bestimmung über die Kostenerstattung zugunsten solcher Mitglieder aufzunehmen, die nach § 176a Abs 1 RVO der Versicherung freiwillig beigetreten sind oder sich nach § 313 Abs 1 RVO wegen Ausscheidens aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung wegen der Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze freiwillig weiterversichert haben?

 

Normenkette

RVO § 176a Abs. 1, § 313 Abs. 1, § 321

 

Verfahrensgang

SG Ulm (Entscheidung vom 07.07.1983; Aktenzeichen S 1 A 198/83)

 

Tatbestand

Die klagende Betriebskrankenkasse (BKK) wendet sich gegen die Versagung der Genehmigung eines die Kostenerstattung an freiwillige Mitglieder betreffenden Nachtrags zu ihrer Satzung.

Am 1. Dezember 1982 beschloß die Vertreterversammlung der Klägerin einen 6. Nachtrag zur Satzung, durch welchen mit Wirkung ab 1. Januar 1983 dem § 6 der Satzung die Ziffer 3 mit folgendem Wortlaut angefügt wurde:

"Die Kasse gewährt auf Antrag (§ 1545 Abs 1 Nr 2 RVO) den freiwilligen Mitgliedern, deren Einnahmen zum Lebensunterhalt die für die Krankenversicherung maßgebende Beitragsbemessungsgrenze überschreiten, Kostenerstattung für selbstbeschaffte ärztliche Behandlung, zahnärztliche Behandlung, Krankenhauspflege, Arznei-, Verband- und Heilmittel bis zur Höhe der Kosten, die der Kasse bei Gewährung als Sachleistung entstanden wären. Bei der Erstattung werden die Grundsätze über Umfang und Wirtschaftlichkeit der Behandlungs-, Verordnungs- und Abrechnungsweise berücksichtigt".

Mit Bescheid vom 31. Januar 1983 versagte die durch das Bundesversicherungsamt (BVA) vertretene beklagte Bundesrepublik Deutschland die Genehmigung dieses Satzungsnachtrags. Zur Begründung führte sie ua aus, die Ermächtigung des § 321 Nr 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) umfasse lediglich Mehrleistungen. Die zur Genehmigung vorgelegte Satzungsbestimmung betreffe hingegen gesetzlich als Sachleistungen ausgestaltete Regelleistungen. Das Sachleistungsprinzip als Grundlage und tragendes Prinzip der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) schließe abweichende autonome Regelungen aus. Die Ausrichtung der GKV auf Sachleistungen werde aus den Regelungen über die Leistungserbringung (§§ 368 bis 376d RVO) deutlich. Das dadurch geschaffene System der kassenärztlichen Versorgung, der Leistungserbringung und der Finanzierung unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes der GKV werde durch die Einführung einer Kostenerstattung in Frage gestellt und allen kostendämpfenden Einflüssen entzogen. Auch der freiwillig Versicherte unterwerfe sich dem System der GKV in seiner typischen Ausgestaltung und bedürfe ungeachtet der Höhe seines Einkommens und einer dadurch bedingten geringeren sozialen Schutzbedürftigkeit angesichts des hohen wirtschaftlichen Risikos einer Krankheit des vollen Schutzes der Versichertengemeinschaft. Deshalb habe der Gesetzgeber ohne Einräumung leistungsrechtlicher Besonderheiten die GKV auch Personen mit höherem Einkommen eröffnet und ihre Schutzbedürftigkeit nicht geringer als diejenige der übrigen Versicherten eingeschätzt. Die Leistungsminderungen des § 215 RVO hätten keinen besonderen Bezug zu diesem Personenkreis. Eine Kostenerstattung verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Versicherten, weil für Versicherungspflichtige mit ebenso hohem oder höherem Einkommen das Sachleistungsprinzip uneingeschränkt gelte und die Gleichartigkeit der Verhältnisse eine vom Sachleistungsprinzip abweichende Kostenerstattungsregelung für freiwillig Versicherte ausschließe.

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Ulm die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 31. Januar 1983 verurteilt, den 6. Nachtrag zur Satzung der Klägerin in dem am 1. Dezember 1982 beschlossenen Wortlaut zu genehmigen (Urteil vom 7. Juli 1983). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. September 1981 - 3 RK 58/79 - (BSG SozR 2200 § 182 Nr 74) sei das gesetzlich normierte Sachleistungsprinzip zwar der Grundsatz in der GVK. Es gelte jedoch nicht ausnahmslos. Sein Schutzgedanke treffe für nicht krankenversicherungspflichtige freiwillige Mitglieder, bei denen nach § 215 RVO auch Leistungsbeschränkungen möglich seien, nur bedingt zu. Nach der beschlossenen Satzungsänderung erfolge eine Kostenerstattung nicht obligatorisch, sondern nur wahlweise. Jeder Versicherte könne sich damit den vollen Schutz des Sachleistungsprinzips erhalten. Die Befürchtung der Beklagten, eine Kostenerstattung könne durch Manipulationen oder ungenügende Kontrollen unterlaufen werden und damit im Vergleich zur strikten Anwendung des Sachleistungsprinzips zu höheren Kosten für die Klägerin führen, sei eine Frage der Zweckmäßigkeit und nicht der von der Beklagten allein zu prüfenden Rechtmäßigkeit. Im übrigen entspreche nach dem Urteil des BSG vom 28. November 1979 - 3 RK 11/79 - (USK 79213) bei den Ersatzkassen, obgleich auch für sie grundsätzlich das Sachleistungsprinzip gelte, das wahlweise System der Kostenerstattung oder der Sachleistung für freiwillig Versicherte dem Gesetz.

Mit der vom SG zugelassenen und unter Beifügung der Zustimmungserklärung der Klägerin eingelegten Sprungrevision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 179, 182 Abs 1, §§ 215, 321 Nr 2 RVO. Die Ermächtigung des § 321 Nr 2 RVO umfasse lediglich die über die gesetzlichen Leistungen hinausgehenden Mehrleistungen. Sie seien nach § 179 Abs 3 RVO nur zulässig, soweit das Gesetz sie vorsehe. Durch den zur Genehmigung vorgelegten Satzungsnachtrag werde nicht eine zulässige Mehrleistung begründet oder näher geregelt. Vielmehr betreffe er gesetzlich als Sachleistungen ausgestattete Regelleistungen. Für sie schließe das die GKV tragende Sachleistungsprinzip abweichende autonome Regelungen aus. Aus gesetzlichen Ausnahmebestimmungen könne nicht auf die Zulässigkeit von Kostenerstattungsregelungen in fundamentalen Leistungsbereichen wie der ambulanten und stationären Behandlung mit der begleitenden medikamentösen und Heilmittelversorgung geschlossen werden. Die Regelung vereinzelter Ausnahmen bedeute im Gegenteil, daß der Gesetzgeber im übrigen ausschließlich das Sachleistungsprinzip angewendet wissen wolle. Die Ausrichtung der GKV auf Sachleistungen werde auch durch die Regelungen über die Leistungserbringung deutlich. Das hierdurch geschaffene System stelle für alle Versicherten eine wirtschaftliche, finanziell tragbare, bedarfsgerechte und gleichmäßige Versorgung nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sicher und halte die Leistungserbringer von dem Inkassorisiko ihrer Vergütung frei. Eine Kostenerstattung auch nur für einzelne Versichertengruppen würde dagegen die kassenärztliche Versorgung und Leistungserbringung durch die Vertragspartner gefährden, mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot der GKV in Konflikt geraten und das Finanzierungssystem der ärztlichen Versorgung und sonstigen Leistungserbringung in Frage stellen. Ärzte und Leistungserbringer könnten sich mehr der privaten Behandlung zuwenden, die kassenärztliche Versorgung vernachlässigen, die Wirtschaftlichkeit außer Acht lassen und Kosten verursachen, die den gesetzlichen Steuerungssystemen sowie allen kostendämpfenden Einflüssen entzogen seien. Diese Auswirkungen könnten durch eigene Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Kasse und Kürzungen der Erstattungsleistungen nicht hinreichend ausgeglichen werden. Die Prüfungen könnten weder qualitativ noch quantitativ die Effektivität der Steuerungsfunktion des gesetzlichen Systems erreichen und verursachten der Kasse zusätzliche Verwaltungskosten. Auch § 215 RVO sei eine nur bedingte Geltung des Schutzgedankens des Sachleistungsprinzips nicht herzuleiten. Nach dieser Vorschrift könne die Satzung nicht anstelle einer Regelleistung eine gesetzlich nicht vorgesehene Leistung einführen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 7. Juli 1983 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Das angefochtene Urteil entspreche der im Urteil des BSG vom 9. September 1981 zutreffend dargelegten Rechtslage. § 321 Nr 2 RVO reiche als Rechtsgrundlage einer Satzungsregelung über Kostenerstattung aus. Das Sachleistungsprinzip und seine Durchführungsregelung im Kassenarztrecht stünden einer Kostenerstattung nicht entgegen. Deren wahlweise Einräumung entspreche den Besonderheiten des Versicherungsverhältnisses der freiwillig Versicherten. Bei den Ersatzkassen werde entsprechend dem Urteil des BSG vom 28. November 1979 - 3 RK 9/78 - (USK 79211) die Kostenerstattung an freiwillig Versicherte und ihre Familienangehörigen sowie darüber hinaus aus den Gesichtspunkten der Besitzstandswahrung oder der Einheit der Familie auch an bestimmte Gruppen von Versicherungspflichtigen praktiziert. Damit sei, da auch die freiwillig Versicherten der Ersatzkassen Anspruch auf Krankenpflegeleistungen als Sachleistungen hätten und die ärztliche Behandlung durch Verträge zwischen Ersatzkassen und Ärzten in gleicher Weise sichergestellt sei wie die ärztliche Behandlung der Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen durch das Kassenarztrecht, anerkannt, daß eine Kostenerstattung durch das Sachleistungsprinzip nicht ausgeschlossen sei und die kassenärztliche Versorgung nicht beeinträchtige. Insoweit bestünden keine wesentlichen Unterschiede zwischen Ersatzkassen und gesetzlichen Krankenkasse. Soweit die Mitglieder der Ersatzkassen nicht als schutzbedürftig angesehen würden und ihnen deshalb die Wahl der Kostenerstattung zugestanden werde, könne für die Versicherten der gesetzlichen Krankenkasse nichts anderes gelten. Die Kostenerstattung bei den Ersatzkassen habe die Ärzte nicht zu einem Ausstieg aus der Krankenscheinbehandlung veranlaßt. Eine Kostenerstattung bei den gesetzlichen Krankenkassen werde dies ebenfalls nicht bewirken, zumal hier weniger freiwillig Versicherte für eine Privatbehandlung in Betracht kämen als bei den Ersatzkassen und die Ärzte sich die Einnahmen aus den Krankenscheinbehandlungen des Gros der Kassenmitglieder nicht entgehen lassen könnten. Ebensowenig wie die freiwillig Versicherten der Ersatzkassen würden diejenigen der gesetzlichen Kassen einer finanziellen Gefährdung durch zu hohe Behandlungskosten ausgesetzt, weil sie jederzeit wieder auf die Sachleistungen zurückgreifen könnten. Wie die Ersatzkassen könnten auch die gesetzlichen Kassen die Kostenerstattung auf das beschränken, was bei Sachleistungsgewährung geleistet worden wäre, und dementsprechend die ärztliche Behandlungs- und Verordnungsweise auf ihre Wirtschaftlichkeit überwachen.

Die Beklagte erwidert, die Praxis der Ersatzkassen, ihren freiwillig versicherten Mitgliedern und deren Familienangehörigen sowie bestimmten Gruppen versicherungspflichtiger Mitglieder Kostenerstattung für Krankenpflegeleistungen zu gewähren, führe in der Tat zu einer Ungleichbehandlung der Versicherten der GKV sowie zu Wettbewerbsvorteilen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen und, da die freiwillig versicherten Ersatzkassenmitglieder auch Anspruch auf Sachleistungen hätten, gegenüber den Unternehmen der privaten Krankenversicherung (PKV). Grundlage der Kostenerstattungspraxis der Ersatzkassen sei eine Übereinkunft zwischen diesen und dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMAuS) vom 1. September 1971 (ErsK 1971, 398), nach der die Ersatzkassen im selben Umfange wie bis dahin Kostenerstattung vornehmen dürften. Die Übereinkunft sei eine Folge vorangegangener Bescheide gewesen, durch welche sie (die Beklagte) Ersatzkassen die Genehmigung von Satzungsänderungen versagt habe, die den Kreis der erstattungsberechtigten freiwilligen Ersatzkassenmitglieder erweitern sollten. Dabei habe sie (Beklagte) sich darauf gestützt, daß die Ermächtigung des Art 2 § 4 Abs 2 der Zwölften Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung (Ersatzkassen der Krankenversicherung) vom 24. Dezember 1935 (RGBl I S 1537; = 12. AufbauVO) durch § 508 Satz 1 RVO als höherrangige Rechtsnorm im Sinne des Sachleistungsprinzips eingeschränkt sei und die Einführung einer Kostenerstattung nicht trage. Das BSG habe sich zu dieser Problematik nicht abschließend geäußert, wohl aber bestätigt, daß das System der GKV nicht vom Kostenerstattungs-, sondern vom Sachleistungsprinzip geprägt sei. Damit könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Kostenerstattungspraxis der Ersatzkassen von der Rechtsprechung ausdrücklich gebilligt werde und deshalb die Möglichkeit eines Nebeneinanders von Sachleistungen und Kostenerstattung aus Gründen der Gleichbehandlung auch den gesetzlichen Krankenkassen zustehen müsse.

Die Klägerin hält dem entgegen, die von der Beklagten offenbar gesehene Lösung, allen Krankenversicherungsträgern ausschließlich die Gewährung von Sachleistungen zuzubilligen, bringe erhebliche Nachteile für die GKV mit sich. Die Versagung einer - auch von den RVO-Kassen bereits praktizierten - Kostenerstattung würde einen erheblichen Teil der freiwilligen Mitglieder der GKV zur Abwanderung zur PKV veranlassen, dadurch die Wettbewerbssituation zwischen GKV und PKV verschärfen und die Grundlage für eine tragbare Finanzierung der GKV erschüttern. Die freiwillig Versicherten seien aufgrund ihrer Einkommens- und Grundlohnhöhe unentbehrliche Finanzierungsträger der GKV. Ein auch nur teilweiser Abgang dieser erfahrungsgemäß guten Risiken zur PKV würde die Belastung der verbleibenden Versicherten zur Finanzierung der eigenen Leistungsaufwendungen und der Lasten der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) unzumutbar steigern und zu weiteren Abwanderungen mit der Folge erneuter Beitragserhöhungen führen. Dies liefe allen Bemühungen um Kostendämpfung und finanzielle Entlastung der Versicherten wie auch der Unternehmen zuwider. Hierzu dürfe nicht durch ein Verbot der Kostenerstattung Anlaß gegeben werden.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte und unter Beifügung der schriftlichen Zustimmungserklärung der Klägerin formgerecht eingelegte Sprungrevision der Beklagten ist zulässig. Der Senat hält das Rechtsmittel auch für begründet. Er möchte deswegen der Sprungrevision stattgeben und mit der Begründung, daß der von der Vertreterversammlung der Klägerin mit dem 6. Nachtrag eingefügte § 6 Nr 3 ihrer Satzung den gesetzlichen Vorschriften nicht genügt (§ 324 Abs 2 RVO), unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 1983 abweisen. Das würde bedeuten, daß der Klägerin auch zugunsten ihrer der Krankenversicherung freiwillig beigetretenen Mitglieder iS des § 176a Abs 1 Satz 1 RVO und ihrer freiwillig weiterversicherten Mitglieder iS des § 313 Abs 1 Satz 1 RVO, soweit deren Einnahmen zum Lebensunterhalt die für die Krankenversicherung maßgebende Beitragsbemessungsgrenze überschreiten, die satzungsrechtliche Einführung einer Kostenerstattung verwehrt wäre. Bezüglich dieser beiden Personenkreise sieht sich der Senat an der nach seiner Auffassung gebotenen Sachentscheidung gehindert. Er würde damit nämlich von dem Urteil des 3. Senats des BSG vom 9. September 1981 (BSG SozR 2200 § 182 Nr 74) abweichen. Der Senat hat deswegen beschlossen, hinsichtlich der vorerwähnten beiden Versichertengruppen die aus dem Beschlußtenor ersichtliche Anfrage an den 3. Senat zu richten.

Mit diesem geht auch der beschließende Senat davon aus, daß die Einführung einer - wenn auch lediglich wahlweisen - Kostenerstattung zugunsten freiwillig versicherter Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen (§ 225 RVO) überhaupt und damit auch speziell zugunsten freiwillig Versicherter iS der § 176a Abs 1 Satz 1, § 313 Abs 1 Satz 1 RVO durch die Satzungsvorschrift einer Krankenkasse der ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Im Gegensatz zur Rechtsansicht des 3. Senats ist jedoch nach Auffassung des beschließenden Senats eine solche Ermächtigung nicht vorhanden. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus § 321 Nr 2 RVO.

Hiernach hat die für jede Krankenkasse zu errichtende Satzung (§ 320 Abs 1 RVO) ua über Art und Umfang der Leistungen zu bestimmen. Nach einhelliger Auffassung im sozialrechtlichen Schrifttum (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 18. Aufl, Band 3, Stand 1. September 1986, § 321, Anm 3c, S 17/ 1238; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl, Stand Februar 1986, § 321, Anm 4.1.; Fischwasser BKK 1982, 74, 75; Wanner DOK 1982, 116) ermächtigt § 321 Nr 2 RVO zum Erlaß satzungsrechtlicher Vorschriften über Art und Umfang ausschließlich von Mehrleistungen iS des § 179 Abs 3 RVO, weil nur bezüglich dieser Leistungen die Satzung konstitutive Wirkung haben kann. In der Rechtsprechung des BSG findet sich - soweit ersichtlich - eine gleichlautend eindeutige Aussage nicht. Gleichwohl läßt sich dies zumindest inzidenter auch aus der Rechtsprechung herleiten. Das BSG ist wiederholt auf den Unterschied zwischen Regelleistungen und "satzungsmäßigen" Mehrleistungen eingegangen und hat dabei erstere als Leistungen definiert, zu deren Erbringung die Krankenkassen unmittelbar kraft Gesetzes verpflichtet seien (BSGE 50, 44 = SozR 2200 § 187 Nr 7 S 19; BSG SozR 2200 § 194 Nr 5 S 12). Für die "rechtlich schwächere Form" der Mehrleistung sei hingegen wesentlich, daß es sich um satzungs- und damit aufsichtsrechtlich genehmigungspflichtige Leistungen handele, zu denen sich die Krankenkassen mit Rechtsanspruch der Versicherten oder nach pflichtgemäßem Ermessen verpflichten könnten (BSGE 51, 115, 116 = SozR 2200 § 187 Nr 9 S 24). Entscheidend für den Begriff der Mehrleistung sei ihre ausdrückliche Einführung durch entsprechende Satzungsvorschriften; im übrigen seien satzungsrechtliche Mehrleistungen der Krankenkassen nur insoweit zulässig, als sie im Zweiten Buch der RVO ausdrücklich vorgesehen seien (BSGE 3, 18, 19f; 50, 44 = SozR 2200 § 187 Nr 7 S 19; BSG SozR 2200 § 194 Nr 5 S 13). Wenn aber die Krankenkassen zur Erbringung von Regelleistungen schon unmittelbar kraft Gesetzes verpflichtet sind und lediglich eine satzungsrechtliche "Mehrleistungs-" Autonomie besitzen (vgl BSGE 51, 115, 118f = SozR 2200 § 187 Nr 9 S 27), so folgt daraus zwangsläufig, daß sich auch unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung die gesetzliche Ermächtigung des § 321 Nr 2 RVO zur Bestimmung über Art und Umfang der Leistungen nur auf Mehrleistungen beziehen kann.

Diese Frage kann jedoch letztlich auf sich beruhen. Selbst wenn sich die gesetzliche Ermächtigung des § 321 Nr 2 RVO zur satzungsrechtlichen Bestimmung über Art und Umfang der Leistungen sowohl auf Mehrleistungen als aber auch auf Regelleistungen beziehen sollte, so ist doch jedenfalls für letztere ebenso wie für Mehrleistungen zu fordern, daß sie ihre Rechtsgrundlage in der RVO haben (vgl BSGE 40, 20, 21 = SozR 2200 § 187 Nr 5 S 13; speziell für Mehrleistungen BSGE 3, 18, 19; BSG SozR 2200 § 194 Nr 5 S 13). Eine Kostenerstattung allgemein oder für bestimmte Gruppen von Versicherten der GKV ist jedoch im 2. Buch der RVO nicht nur nicht vorgesehen, sondern nach Meinung des anfragenden Senats de lege lata sogar ausgeschlossen. Dabei wird unter Kostenerstattung hier und im folgenden die Zahlung eines Geldbetrages seitens eines Trägers der GKV an den Versicherten zwecks (vollständigen oder teilweisen) Ersatzes der von diesem für eine selbstbeschaffte Leistung der Krankenpflege (§ 182 Abs 1 Nr 1, §§ 182b ff RVO) aufgewendeten finanziellen Mittel verstanden (zur Abgrenzung der Kostenerstattung in diesem Sinne von anderen Geldleistungen der gesetzlichen Krankenkassen an ihre Versicherten vgl Zacher/ Friedrich-Marczyk ZfS 1980, 97, 99 f).

Der Ausschluß der Kostenerstattung ist die Konsequenz des das Leistungsrecht der GKV beherrschenden Sachleistungsprinzips.

Seinen sachlichen Inhalt erhält dieses Prinzip dadurch, daß in ihrer rechtlichen Beziehung zum Versicherten die GKV den Charakter einer Sachleistungen gewährenden Institution hat (vgl BSGE 19, 21, 23 = SozR Nr 14 zu § 184 RVO). Die Träger der GKV haben ihren Versicherten die Leistungen der Krankenpflege (§ 182 Abs 1 Nr 1 RVO) bzw den "Leistungsgegenstand als solchen" in Form der Sachleistung "zur Verfügung zu stellen" bzw zu "beschaffen" (BSGE 42, 117, 119 = SozR 2200 § 184 Nr 4 S 10; BSGE 42, 229, 230 = SozR 2200 § 182b Nr 2 S 2). Das ist allerdings nicht gleichbedeutend damit, daß die Krankenkassen ihren Versicherten Leistungen der Krankenpflege als Eigenleistungen erbringen müssen; offen ist, ob - worüber der Senat in dem Rechtsstreit 1/8 RR 36/83 zur Zulässigkeit sogen "Selbstabgabestellen" der Krankenkassen zu entscheiden haben wird - sich aus dem Sachleistungsprinzip zumindest ein Recht der Träger der GKV zur Eigenleistung herleiten läßt (verneinend Zacher/Friedrich-Marczyk, aaO, S 97; dagegen Beschlüsse des 8. Senats vom 19. Februar 1986 - 8 RK 43/84, 46/84, 20/85 - und vom 19. März 1986 - 8 RK 58/84 -, in denen die Überlassung von Hilfsmitteln seitens der Krankenkassen als Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Sachleistungsanspruchs des Versicherten als zulässig erachtet wird). Ausschlaggebend für den Inhalt des Sachleistungsprinzips ist vielmehr die "Verschaffungspflicht" der Krankenkassen. Sie haben (wenn schon nicht durch Eigenleistung, so jedenfalls) durch Abschluß von Verträgen mit den Lieferanten von Gegenständen der Krankenpflege, mit Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄVen) und mit Krankenhäusern die Erbringung von Leistungen der Krankenpflege zu gewährleisten und damit ihren Grundauftrag zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung ihrer Mitglieder zu erfüllen (BSGE 46, 179, 182 = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 61; vgl auch Vorlagebeschluß des 3. Senats in SGb 1986, 28, 29 ff). In diesem Sinne umfaßt - im Gegensatz zum zwischenstaatlichen Recht - im deutschen Krankenversicherungsrecht der Begriff der "Sachleistungen" nur "Naturalleistungen" und nicht auch Geldleistungen zur vollständigen oder teilweisen Erstattung der Aufwendungen des Versicherten für Leistungen oder Gegenstände der Krankenpflege (BSGE 57, 50, 55 = SozR 2200 § 198 Nr 2 S 7). Eine derartige Verschaffungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen gewährleistet, daß der Versicherte eine notwendige Leistung der Krankenpflege erhält, ohne sie sich selbst erst beschaffen und insbesondere ohne bei ihrer Inanspruchnahme eine unmittelbare finanzielle Gegenleistung erbringen zu müssen (Zacher/Friedrich-Marczyk, aaO, S 98; v Maydell, Zur Kostenerstattung in der gesetzlichen Krankenversicherung, PKV-Dokumentation Heft 7, März 1982, S 25 und 31).

Mit diesem sachlichen Begriffsinhalt ist das Sachleistungsprinzip zwar in der RVO - anders als in § 6 Abs 1 und § 29 Abs 1 des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883 (RGBl S 73) und des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) in der Neufassung vom 10. April 1892 (RGBl S 379) - nicht mehr ausdrücklich geregelt. Dennoch ist nicht nur seine Fortgeltung gleichsam als übernormatives Grundprinzip des Rechts der GKV auch für die Zeit seit Inkrafttreten der RVO vom 19. Juli 1911 (RGBl S 509) völlig unbestritten. Ihm werden vielmehr darüber hinaus einhellig ein hervorragender Rang und eine fundamentale Bedeutung zugesprochen. So wird nach ständiger Rechtsprechung des BSG das System der deutschen sozialen Krankenversicherung vom Sachleistungsprinzip geprägt oder getragen (BSGE 42, 117, 119 = SozR 2200 § 184 Nr 4 S 10; BSG USK 78160 S 678; BSG SozR 2200 § 184 Nr 13 S 19; BSG USK 79213 S 904 und USK 8002 S 4). Es ist ein wesentlicher Grundsatz der GKV (BSGE 46, 179, 181 = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 61; BSG SozR 2200 § 182 Nr 74 S 133) und unterscheidet diese dadurch von der PKV, die weitgehend auf dem Erstattungsprinzip beruht (Vorlagebeschluß des BSG vom 19. März 1986 - 8 RK 58/84 -). Auch im sozialrechtlichen Schrifttum wird das Sachleistungsprinzip als für die soziale Krankenversicherung seit ihrer Entstehung kennzeichnend (v Maydell ZfS 1982, 221), als Zentralbegriff des Regelungssystems der GKV (Meydam SGb 1977, 92, 95) und als deren beherrschendes oder dominantes Strukturelement gewertet (Narr SGb 1986, 32, 33).

Eine von dem die GKV beherrschenden Sachleistungsprinzip abweichende Kostenerstattung anläßlich der Inanspruchnahme von Regelleistungen der Krankenpflege (§ 179 Abs 1 Nr 2, Abs 2, § 182 Abs 1 Nr 1 RVO) generell oder zugunsten bestimmter Gruppen der Versicherten sieht die RVO weder unmittelbar noch - durch eine gesetzliche Ermächtigung zur satzungsrechtlichen Einführung einer solchen Kostenerstattung - mittelbar vor. Zwar ist dem 3. Senat (BSG SozR 2200 § 182 Nr 74 S 133) darin beizupflichten, daß die Erstattungsvorschriften der § 185 Abs 3, § 185b Abs 2 Satz 2 und § 182c iVm § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst d) RVO deutlich machen, daß das Kostenerstattungsprinzip der RVO nicht vollkommen fremd ist. Daraus auf die Zulässigkeit einer umfassenden Kostenerstattung zumindest für bestimmte Gruppen von Versicherten der GKV zu schließen, hält der Senat jedoch aus zwei Gründen für nicht zulässig. Einmal sind die genannten Vorschriften - wie auch der 3. Senat hervorhebt - abschließend aufgezählte Ausnahmen von dem in der GKV grundsätzlich herrschenden Sachleistungsprinzip. Über diese hinaus hat die Rechtsprechung weitere Ausnahmen lediglich in zwei Sonderfällen für zulässig erachtet, in denen die Inanspruchnahme von Sachleistungen unmöglich gewesen ist (Erstattung der Kosten einer in dringenden Bedarfslagen - BSGE 42, 117, 119 = SozR 2200 § 184 Nr 4 S 10 - oder einer deshalb selbstbeschafften Leistung, weil die Krankenkasse zuvor rechtswidrig die Gewährung einer Sachleistung abgelehnt hat und der Versicherte deswegen gezwungen gewesen ist, sich die erforderliche Leistung auf eigene Kosten zu verschaffen - vgl ua BSGE 46, 179, 182 = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 61; BSGE 48, 258, 260 = SozR aaO Nr 47 S 81; BSG USK 81179 S 742 mit eingehenden Nachweisen -). Davon abgesehen ist es der Krankenkasse jedoch nicht gestattet, ihren Versicherten Barleistungen zu gewähren und ihre gesetzlich statuierte Sachleistungspflicht durch Satzungsrecht abzuändern (vgl BSGE 42, 117, 119 = SozR 2200 § 184 Nr 4 S 10; BSGE 46, 179, 183 = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 62; BSG SozR 2200 § 184 Nr 13 S 19; zum Ausnahmecharakter von Kostenerstattungsvorschriften auch v Maydell, Zur Kostenerstattung ..., aaO, S 26; Fischwasser BABl 1981 Heft 11 S 35, 36; ders BKK 1982, 74, 75). Gerade dieser Ausnahmecharakter der Kostenerstattungsvorschriften unterstreicht den Willen des Gesetzgebers zur grundsätzlichen Einführung und Beibehaltung des Sachleistungsprinzips (Wanner DOK 1982, 116, 118). Zum anderen lassen § 185 Abs 3, § 185b Abs 2 Satz 2 und § 182c iVm § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst d) RVO eine Kostenerstattung nur aufgrund und nach der Inanspruchnahme ganz bestimmter und enumerativ aufgezählter Regelleistungen der Krankenhilfe (häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe, zahntechnische Leistungen bei Zahnersatz und Zahnkronen) zu. Sie stellen damit allein auf bestimmte Leistungssituationen ab, ohne dabei nach einzelnen Versichertengruppen zu differenzieren. Dann aber muß es als rechtsmethodisch bedenklich und sachlich nicht gerechtfertigt angesehen werden, aus diesen Ausnahmevorschriften auf die Zulässigkeit einer (satzungsrechtlichen Einführung der) von bestimmten Leistungssituationen gelösten und an die Inanspruchnahme jeglicher Regelleistung der Krankenpflege (§ 182 Abs 1 Nr 1 RVO) geknüpften Kostenerstattung zugunsten bestimmter Gruppen der Versicherten der GKV zu schließen (vgl v Maydell, Zur Kostenerstattung ..., aaO, S 28 f; ders ZfS 1982, 221, 223f; Wanner DOK 1982, 116, 118).

Speziell zugunsten der bei den gesetzlichen Krankenkassen freiwillig Versicherten iS der § 176a Abs 1 Satz 1, § 313 Abs 1 Satz 1 RVO läßt sich die Zulässigkeit (der satzungsrechtlichen Einführung) einer umfassenden Kostenerstattung auch nicht unter Hinweis auf Entstehungsgeschichte und Regelungszweck der einschlägigen Vorschriften mit einer geringeren sozialen Schutzbedürftigkeit dieser Gruppe der Versicherten begründen. Zwar trifft es zu, daß diese Versicherten insofern an der Durchführung und Aufrechterhaltung ihrer Versicherung eigenverantwortlich beteiligt sind, als sie zunächst - in diesem Zusammenhang kann allerdings auch die Regelung des § 405 RVO nicht unberücksichtigt bleiben - nach § 381 Abs 3 RVO die Beiträge allein zu tragen haben und nach § 314 RVO die Folgen eines Zahlungsverzuges in Gestalt des Erlöschens der Mitgliedschaft allein sie treffen. Indessen zeigen gerade diese Vorschriften wie auch die durch § 215 RVO eröffnete Möglichkeit einer Beschränkung der den freiwillig Versicherten zu gewährenden Regelleistungen (dazu Fischwasser BKK 1982, 74, 76), daß der Gesetzgeber selbst und ausdrücklich normiert hat, in welchen Bereichen und in welcher Weise einer geringeren sozialen Schutzbedürftigkeit der freiwillig Versicherten Rechnung zu tragen ist bzw getragen werden kann. Angesichts dessen kann und muß auch eine Kostenerstattung zugunsten dieser Versicherten im Hinblick auf eine etwaige geringere soziale Schutzbedürftigkeit (diese verneinend Fischwasser, aaO, S 75; vgl auch v Maydell, Zur Kostenerstattung ..., aaO, S 28 und 31) ausdrücklich vom Gesetzgeber geregelt werden. Das ist bislang nicht geschehen.

Der Argumentation des 3. Senats, daß zugunsten der freiwillig Versicherten iS der § 176a Abs 1 Satz 1, § 313 Abs 1 Satz 1 RVO im Hinblick auf deren geringere soziale Schutzbedürftigkeit abweichend vom Sachleistungsprinzip eine Kostenerstattung zulässig sei, beruht im übrigen auf der Erwägung, daß gesetzgeberisches Motiv und Rechtfertigung für die Einführung und Beibehaltung des Sachleistungsprinzips die soziale Schutzbedürftigkeit der Versicherten sei. Dem kann in dieser Ausschließlichkeit nicht zugestimmt werden. Dabei kann auf sich beruhen, ob seit Bestehen der GKV der Begriff der "Schutzbedürftigkeit" niemals als normativer Regelungsbegriff verwendet worden ist (Fischwasser, aaO, S 75) und als wesentliche Grundlage des Sachleistungsprinzips von Anfang an die Steuerungsmöglichkeiten im Sinne der Wirtschaftlichkeit und der Sicherstellung der Versorgung im Vordergrund gestanden haben (so Fries/Trenk-Hinterberger SGb 1983, 94, 96). Jedenfalls kann das Sachleistungsprinzip nicht allein mit Blick auf die Versicherten und deren höhere oder geringere soziale Schutzbedürftigkeit gesehen und gewertet werden. Vielmehr steht es zumindest gleichwertig auch im Zusammenhang mit dem Recht der Leistungserbringung und sonach insbesondere mit dem Kassenarztrecht. Dieser enge Zusammenhang ist in der Rechtsprechung des BSG wiederholt betont worden. Danach bedarf des zur Gewährleistung der ärztlichen Behandlung als Sachleistung eines umfassenden Systems ärztlicher Versorgung, welches Versicherte, Krankenkassen und KÄVen umspannt (BSGE 25, 195 = SozR Nr 7 zu § 4 der 12. AufbauVO vom 24. Dezember 1935). Ihre aus dem Sachleistungsprinzip resultierende Verpflichtung zur Verschaffung der vom Versicherten benötigten und ihm nach dem Gesetz zustehenden Dienste und Güter der Krankenpflege und damit ihren Grundauftrag zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung ihrer Mitglieder erfüllen die Krankenkassen durch Abschluß von Verträgen mit den KÄVen, den Krankenhäusern und den Lieferanten von Leistungen und Gegenständen der Krankenpflege (BSGE 42, 117, 119 = SozR 2200 § 184 Nr 4 S 10; BSGE 44, 41, 43 = SozR 2200 § 508 Nr 2 S 4; BSGE 46, 179, 181f = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 61; BSG SozR 2200 § 184 Nr 13 S 19f; BSG SGb 1986, 28, 29f). Diese Verschaffungspflicht der Krankenkasse ist wesentlich, weil sie dadurch die Möglichkeit der Überwachung und Prüfung erhält und auf diese Art in der Lage ist, ihren Versorgungsauftrag entsprechend dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 182 Abs 2 RVO) ordnungsgemäß zu erfüllen (BSGE 46, 179, 182 = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 61). Die das Sachleistungsprinzip bestimmenden Grundsätze für die Tätigkeit sowohl der Kassenärzte als auch der Angehörigen der nichtärztlichen Heilberufe sind Ausdruck des öffentlichen Interesses an der Funktionsfähigkeit der kassenärztlichen Versorgung, welche eine Aufgabe von Verfassungsrang ist. Kassenärzte wie auch andere Leistungserbringer werden in das Sachleistungssystem einbezogen und den dafür geltenden Grundsätzen unterworfen (Beschluß des BSG vom 19. März 1986 - 8 RK 58/84 -). Auch im sozialrechtlichen Schrifttum ist nachdrücklich auf den engen Zusammenhang zwischen dem Sachleistungsprinzip einerseits und dem Recht der Leistungserbringung sowie speziell dem Kassenarztrecht andererseits hingewiesen worden (vgl ua Hässler SozSich 1965, 290, 291; Meydam SGb 1977, 92f; Zacher/Friedrich-Marczyk ZfS 1980, 97; Fischwasser BKK 1982, 74, 76). Nach v Maydell (Zur Kostenerstattung ..., aaO, S 32) bilden die Vereinbarungen, welche die Krankenkassen mit den Lieferanten von Gegenständen der Krankenpflege mit KÄVen und mit Krankenhäusern treffen, um damit die Versorgung der Versicherten sicherzustellen, die zweite Seite des Sachleistungsprinzips und dienen der Ausgestaltung der Verpflichtung der Krankenkassen aus § 182 Abs 2 RVO zur ausreichenden und zweckmäßigen, das Maß des Notwendigen aber nicht überschreitenden Versorgung der Versicherten. Narr (SGb 1986, 32, 33) hält das Kassenarztrecht für die Rechtsmaterie, bei der die dominante Struktur des Natural- oder Sachleistungsprinzips am besten gesetzgeberisch ausgeformt worden sei; zwangsläufige Folge dieses Prinzips sei der gesetzliche Sicherstellungsauftrag der KÄVen.

Durch die Einführung einer Erstattung der zuvor dem Versicherten in Rechnung gestellten und von ihm verauslagten Kosten für die Inanspruchnahme von Regelleistungen der Krankenpflege (§ 182 Abs 1 Nr 1 RVO) würde hinsichtlich der Gruppe der derart begünstigten Versicherten der vom Gesetzgeber ausdrücklich hergestellte enge Zusammenhang zwischen dem Sachleistungsprinzip und dem Recht der Leistungserbringung, insbesondere dem Kassenarztrecht, aufgehoben werden. Das gilt vor allem bezüglich der Kosten für die Inanspruchnahme ambulanter ärztlicher Behandlung. Schon die Tatsache, daß diese Kosten dem erstattungsberechtigten Versicherten unmittelbar von dem behandelnden Arzt in Rechnung gestellt werden, widerspricht dem vom Sachleistungsprinzip geprägten Grundsatz des Kassenarztrechts, daß dem Kassenarzt ein Vergütungsanspruch ausschließlich gegen die KÄV (§ 368f Abs 1 Satz 2 RVO) und somit weder unmittelbar gegenüber dem Versicherten noch gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse zusteht. Insbesondere aber wird durch eine solche Kostenerstattung das kassenärztliche Gesamtvergütungssystem unterlaufen. Nach geltendem Recht (§ 368f Abs 1 Satz 1 und 2 RVO) entrichtet die Krankenkasse für die gesamte kassenärztliche Versorgung mit befreiender Wirkung an die KÄV eine Gesamtvergütung. Deren Verteilung unter die Kassenärzte und damit die Einzelhonorierung der ärztlichen Leistungen mit der sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung (§ 368n Abs 5 RVO) ist ausschließlich Angelegenheit der KÄV. Diese wäre im Falle einer Kostenerstattung aus dem Vergütungs- und Abrechnungsverfahren vollständig ausgeschaltet. Es kann dahinstehen, ob damit mangels eines dafür geeigneten Instrumentariums bei den gesetzlichen Krankenkassen eine Kontrolle der Leistungserbringung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr möglich ist und eine unwirtschaftliche Behandlung und Verordnung nicht mehr unterbunden werden kann (vgl v Maydell, Zur Kostenerstattung..., aaO, S 32; ders ZfS 1982, 221, 225; Fischwasser BKK 1982, 74, 77). Zumindest bedeutet eine Kostenerstattung einen derart einschneidenden Eingriff in das gesetzlich geregelte und zwingend vorgeschriebene Vergütungs-, Abrechnungs- und Prüfungssystem, daß sie ihrerseits nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung vorgenommen oder eingeführt werden könnte. Eine solche Regelung ist jedoch nicht vorhanden.

Der Senat verkennt nicht, daß in der Praxis - mit rechtsaufsichtlicher Genehmigung oder zumindest Billigung - zugunsten der freiwillig versicherten Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen und in geringerem Umfange sogar zugunsten der Pflichtversicherten eine Kostenerstattung tatsächlich vorgenommen wird. Dem kann angesichts der Konkurrenzsituation im Verhältnis zur PKV und vor allem im Hinblick darauf, daß den Ersatzkassen ungeachtet des grundsätzlich auch für sie geltenden Sachleistungsprinzips die Vornahme einer Kostenerstattung für einen begrenzten Kreis von freiwillig Versicherten ausdrücklich gestattet worden ist (vgl ErsK 1971, 397, 398), eine tatsächliche Berechtigung und Notwendigkeit möglicherweise nicht abgesprochen werden. Indes kann dieser gerade in jüngster Zeit durch die Öffnung der PKV für freiwillig in der GKV versicherte Beihilfeberechtigte wiederum verschärften Wettbewerbssituation nur durch ein Handeln des Gesetzgebers selbst Rechnung getragen werden, wie dies auch der Auffassung der initiativberechtigten (Art 76 Abs 1 des Grundgesetzes -GG-) und auch faktisch in erster Linie geforderten Bundesregierung entspricht (vgl Antwort der Bundesregierung vom 6. April 1982 - BT-Drucks 9/1566 - auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Müller/Remscheid und Genossen vom 25. März 1982 - BT-Drucks 9/1499 -). Zwar ist ungeachtet dieser Erkenntnis trotz eines Ablaufs von seither schon wieder fast fünf Jahren ein entsprechender Gesetzentwurf von der Bundesregierung bislang nicht vorgelegt worden. Auch dieser Umstand berechtigt jedoch nach Ansicht des beschließenden Senats die Rechtsprechung nicht, ihrerseits im Wege einer im Gesetz selbst nicht vorgezeichneten Interpretation die (satzungsrechtliche Einführung einer) Kostenerstattung für die freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen oder einzelne Gruppen dieser Versicherten für zulässig zu erklären (vgl dazu neuerdings Mayer-Maly JZ 1986, 557, 560, nach dessen zutreffender Ansicht auch die Untätigkeit einer demokratisch-parlamentarischen Legislative als Ausdruck einer politischen Entscheidung von den Gerichten respektiert werden sollte). Dagegen sprechen vor allem erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Der insbesondere der höchstrichterlichen Rechtsprechung zukommenden Aufgabe und Befugnis zur richterlichen Rechtsfortbildung sind durch den Grundsatz der Rechts- und Gesetzesbindung des Art 20 Abs 3 GG Grenzen gezogen (BVerfGE 65, 182, 190f). Eine dieser Grenzen besteht dort, wo weder Wortlaut noch Lücke des Gesetzes dem Richter Raum zur Rechtsfortbildung gewähren und diese deswegen letztlich eine verfassungswidrige richterliche Gesetzeskorrektur darstellen würde (vgl Leisner DVBl 1986, 705, 707 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG in Fn 35). Im übrigen ist es den Gerichten verwehrt, bestehendes Recht zugunsten oder zu Lasten einzelner Personen oder Personengruppen nicht anzuwenden (vgl BVerfGE 71, 354, 362 mwN). Der Gesetzgeber der RVO hat das Sachleistungsprinzip als übergreifenden Grundsatz des Leistungsrechts für alle Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen (§ 225 Abs 1 RVO) normiert und nicht einzelne Gruppen dieser Versicherten davon ausgenommen oder ihre Ausnahme durch Satzungsrecht gestattet. Dann aber würde eine darauf abzielende richterliche Entscheidung die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung überschreiten und zur verfassungswidrigen Nichtanwendung bestehenden Rechts zugunsten einzelner Gruppen der Normadressaten führen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662911

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