Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 10.11.2017; Aktenzeichen L 5 KR 72/17) |
SG Speyer (Entscheidung vom 17.03.2017; Aktenzeichen S 19 KR 308/16) |
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. November 2017 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
I
Die beklagte Krankenkasse versorgte die bei ihr versicherte Klägerin, eine alleinerziehende Mutter zweier 2004 und 2008 geborener Kinder, vom 4. bis 25.6.2014 mit einer Mutter-Kind-Maßnahme in einer Vorsorgeeinrichtung. Die Klägerin beantragte am 5.2.2016 erneut die Bewilligung einer Mutter-Kind-Maßnahme in einer Einrichtung mit Unterkunft und Verpflegung. Sie ist mit ihrem Begehren bei der Beklagten und den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat unter teilweiser Bezugnahme auf die Gründe des SG-Urteils ausgeführt, nach den eingeholten Befundberichten und der im Verwaltungsverfahren gefertigten Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) erfülle der Gesundheitszustand der Klägerin nicht die in § 24 Abs 2 iVm § 23 Abs 5 S 4 SGB V geregelte Voraussetzung für eine vorzeitige Mutter-Kind-Vorsorgemaßnahme, dass die Maßnahme aus medizinischen Gründen dringend erforderlich sei. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 13 Abs 3a S 6 SGB V. Die Klägerin habe am 5.2.2016 zunächst nur eine Mutter-Kind-Maßnahme als Maßnahme der Rehabilitation (§ 41 SGB V) beantragt, wie die beigefügte Begründung der behandelnden Ärztin zeige. Eine Mutter-Kind-Vorsorgemaßnahme habe die Klägerin erst am 16.2.2016 beantragt. Diesen Antrag habe die Beklagte fristgerecht abgelehnt (Urteil vom 10.11.2017).
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der abschließend geregelten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Daran fehlt es. Die Klägerin formuliert bereits keine konkrete Rechtsfrage. Sie verweist lediglich darauf, dass zur Auslegung des § 13 Abs 3a SGB V in Gestalt der Fristenproblematik und der Anforderungen Revisionsverfahren anhängig seien und die Norm höchst auslegungs- und klärungsbedürftig sei.
Sofern die Klägerin sinngemäß die Rechtsfrage stellen wollte, ob der sich aus § 2 Abs 2 SGB I ergebende Auslegungsgrundsatz auch auf die Anträge iS des § 13 Abs 3a S 1 SGB V Anwendung findet, legt die Klägerin schon eine Klärungsbedürftigkeit nicht dar. Sie verweist vielmehr unter Bezugnahme auf Entscheidungen des BSG (BSGE 49, 71 = SozR 2200 § 1241d Nr 1; BSGE 51, 89) darauf, dass dieses in ständiger Rspr die Beachtung des Günstigkeitsprinzips bei der Auslegung von Anträgen fordere. Im Übrigen setzt sie sich nicht mit den Anforderungen an einen fiktionsfähigen Antrag nach der Rspr des BSG auseinander (vgl zB BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 13 Nr 36 vorgesehen) und geht nicht auf Fragen ein, die über den Einzelfall hinaus von Bedeutung sind. Sie wendet sich im Kern gegen das Auslegungsergebnis des LSG, also die Richtigkeit der Entscheidung. Dies reicht indes nicht aus, um die Revision zuzulassen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10; BSG Beschluss vom 22.5.2017 - B 1 KR 9/17 B - Juris RdNr 9 mwN).
2. Die Klägerin bezeichnet den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechenden Weise. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in dem herangezogenen höchstrichterlichen Urteil andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN). Auch daran fehlt es. Die Klägerin spricht keine abstrakten Rechtssätze an.
3. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Daran fehlt es.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass LSG habe kein Sachverständigengutachten zu ihrem Gesundheitszustand und der in ihrem Fall vorhandenen dringenden medizinischen Erforderlichkeit einer Mutter-Kind-Maßnahme eingeholt, sondern ohne eigenen medizinischen Sachverstand selbst die ärztlichen Befundberichtete bewertet, und die Klägerin damit sinngemäß die Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung rügt, beachtet sie nicht, dass ein Verfahrensmangel nach der dargelegten ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung grundsätzlich nicht auf eine Verletzung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung gestützt werden kann. Dies gilt selbst dann, wenn offensichtliche Widersprüche zwischen der Folgerung des Gerichts und der Aussage des Sachverständigen vorliegen (vgl BSG Beschluss vom 25.10.2017 - B 1 KR 18/17 B - Juris RdNr 5). Es gehört hingegen zu den Kernaufgaben der richterlichen Beweiswürdigung, medizinische Unterlagen im Hinblick darauf zu prüfen, ob diese wegen Widersprüchen, logischer Brüche, nicht fundierter Aussagen oder ähnlicher Mängel nicht zu überzeugen vermögen (vgl BSG Beschluss vom 29.5.2015 - B 13 R 129/15 B - Juris RdNr 14). Letztlich wendet sich die Klägerin nur gegen die auf die MDK-Stellungnahme gestützte Beweiswürdigung des LSG.
Selbst wenn die Klägerin mit dem Verweis auf die unterlassene Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens (auch) eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) rügen will, bezeichnet sie einen derartigen Verfahrensmangel nicht in zulässiger Weise. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - Juris RdNr 3 mwN; BSG Beschluss vom 14.10.2016 - B 1 KR 59/16 B - Juris RdNr 5). Hierzu gehört die Darlegung, dass ein - wie hier - anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl zB BSG Beschluss vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - Juris RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Wird ein Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entschieden, tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG (BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 4 f). Mit der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten oder neue Beweisanträge stellen will, die Aufrechterhaltung dieser Anträge ausdrücklich mitteilen oder neue förmliche Beweisanträge stellen (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 14.7.2017 - B 1 KR 95/16 B - Juris RdNr 7 mwN). Dass der Beschwerdeführer so vorgegangen ist, hat er ebenfalls darzulegen. Daran fehlt es. Die Klägerin benennt bereits keinen Beweisantrag.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11903144 |