Orientierungssatz

Zur Frage der grundsätzlichen Bedeutung, ob vor dem 1.1.1986 zurückgelegte Kindererziehungszeiten zugunsten nach dem 31.12.1920 geborener Mütter und Väter (vgl § 28a Abs 1 S 1 AVG idF des Art 2 Nr 8 des Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung - Hinterbliebenenrenten - und Erziehungszeiten-Gesetz -HEZG- vom 11.07.1985; BGBl I S 1450) als anrechnungsfähige Versicherungszeiten (vgl § 27 Abs 1 Buchst c AVG idF des Art 2 Nr 6 HEZG) und gegebenenfalls bei der Ermittlung der für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage (vgl § 32a Abs 1 S 1 Nr 3, Abs 5 AVG idF des Art 2 Nr 10 HEZG) nur bei nach dem 30.12.1985 eingetretenen bzw eintretenden Versicherungsfällen berücksichtigt (Art 2 § 6c S 1 des AngestelltenversicherungsNeuregelungsgesetzes -AnVNG- idF des Art 5 Nr 1 HEZG).

 

Normenkette

AVG § 28a Abs 1 S 1 Fassung: 1985-07-11, § 27 Abs 1 Buchst c Fassung: 1985-07-11, § 32a Abs 1 S 1 Nr 3 Fassung: 1985-07-11, § 32a Abs 5 Fassung: 1985-07-11; AnVNG Art 2 § 6c S 1 Fassung: 1985-07-11; SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 22.09.1988; Aktenzeichen L 5 A 101/87)

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 22. September 1988 ist unzulässig.

Auf die Beschwerde ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, wobei der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). In der Begründung der Beschwerde muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Diesen Formerfordernissen genügt die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin nicht.

Die Klägerin mißt der Rechtssache in zweifacher Hinsicht eine grundsätzliche Bedeutung zu. Einmal sei höchstrichterlich die Rechtsfrage zu klären, "ob die für Versicherungsfälle ab 1. Januar 1986 eingeführten Kindererziehungszeiten nach deren amtlicher Feststellung im Versicherungsverlauf eines nach dem 1. Januar 1986 erstellten Rentenbescheides auszuweisen sind oder nicht". Mit diesem Vorbringen ist indes eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt worden. Eine Rechtsfrage und damit die von ihr geprägte Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie klärungsbedürftig ist. An der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage fehlt es dann, wenn ihre Beantwortung insbesondere deshalb so gut wie unbestritten ist, weil sie unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen ist. Hält der Beschwerdeführer gleichwohl die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutend, hat er zu ihrer Klärungsbedürftigkeit im einzelnen darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist (BSG SozR 1300 § 13 Nr 1 S 1; 1500 § 160a Nr 59 S 79).

Vor dem 1. Januar 1986 zurückgelegte Kindererziehungszeiten werden zugunsten nach dem 31. Dezember 1920 geborener Mütter und Väter (vgl § 28a Abs 1 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG- idF des Art 2 Nr 8 des Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung - Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz -HEZG- vom 11. Juli 1985; BGBl I S 1450) als anrechnungsfähige Versicherungszeiten (vgl § 27 Abs 1 Buchst c AVG idF des Art 2 Nr 6 HEZG) und ggf bei der Ermittlung der für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage (vgl § 32a Abs 1 Satz 1 Nr 3, Abs 5 AVG idF des Art 2 Nr 10 HEZG) nur bei nach dem 30. Dezember 1985 eingetretenen bzw eintretenden Versicherungsfällen berücksichtigt (Art 2 § 6c Satz 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes -AnVNG- idF des Art 5 Nr 1 HEZG). Daraus folgt zwangsläufig, daß sie bei vor dem 31. Dezember 1985 eingetretenen Versicherungsfällen nicht zu berücksichtigen und demzufolge im Bescheid über die Gewährung einer Rente aus Anlaß eines vor dem 31. Dezember 1985 eingetretenen Versicherungsfalles nicht als Versicherungszeiten auszuweisen sind, mag auch der Bescheid als solcher erst nach dem 30. Dezember 1985 erlassen worden sein. Das ist unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen. Darüber, daß, von welcher Seite und mit welcher Begründung die sich hieraus ergebende Beantwortung der von der Klägerin aufgezeigten Rechtsfrage umstritten ist, enthält die Beschwerdebegründung der Klägerin keine Ausführungen.

Für grundsätzlich bedeutend hält die Klägerin ferner die Rechtsfrage, ob Art 2 § 12b Abs 4 AnVNG idF des Art 23 Nr 4 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I S 1857; HBeglG 1983) deswegen dem Art 3 des Grundgesetzes (GG) widerspreche, weil die durch § 32a Abs 4 AVG idF des Art 20 Nr 7 HBeglG 1983 eingeführte verbesserte Bewertung einer Zurechnungszeit rückwirkend nur auf Versicherungsfälle in der Zeit vom 1. Januar 1978 bis zum 31. Dezember 1982 erstreckt worden sei, während es in Art 2 § 12b Abs 1, 2, 3 und 5 AnVNG ausnahmslos heiße, daß die dort genannten Vorschriften in den angeführten Fassungen auch für Versicherungsfälle vor diesem Zeitpunkt gälten.

Diese Ausführungen lassen die gebotene Auseinandersetzung mit den einschlägigen Rechtsvorschriften vermissen und reichen daher zur Darlegung einer Verletzung des Art 3 GG nicht aus. Eine Zurechnungszeit ist ursprünglich nicht gesondert bewertet, sondern bei der Rentenberechnung mit dem Durchschnittswert aus allen Versicherungs- und Ausfallzeiten berücksichtigt worden. Durch das Gesetz zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Zwanzigstes Rentenanpassungsgesetz -20. RAG-) vom 27. Juni 1977 (BGBl I S 1040) ist mit Wirkung ab 1. Januar 1978 (vgl Art 3 § 6 des 20. RAG) und somit für ab diesem Zeitpunkt eintretende Versicherungsfälle eine Begrenzung des Wertes für Ausbildungs-Ausfallzeiten auf höchstens 8,33 eingeführt worden (vgl § 32a Nr 1 AVG idF des Art 2 § 2 Nr 11 Buchst a des 20. RAG). Dies hat zur Folge gehabt, daß für ab 1. Januar 1978 eintretende Versicherungsfälle auch die Bewertung einer Zurechnungszeit hat ungünstig beeinflußt werden können. Zur Vermeidung dessen ist durch Art 6 Nr 2 des Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 1982 vom 1. Dezember 1981 (BGBl I S 1205; RAG 1982) rückwirkend ab 1. Januar 1978 (vgl Art 20 Abs 2 Nr 1 RAG 1982) Art 2 § 12b AnVNG eingefügt worden, wonach sich auch für ab 1. Januar 1978 eingetretene Versicherungsfälle die Bewertung der Zurechnungszeit nach dem bis zum 31. Dezember 1977 geltenden Recht gerichtet hat und somit nicht mehr von der Begrenzung des Wertes der Ausbildungs-Ausfallzeiten ab 1. Januar 1978 berührt worden ist. Hieraus erklärt sich die Bestimmung des Anfangszeitpunktes "1. Januar 1978" in Art 2 § 12b Abs 4 Satz 1 AnVNG anläßlich der Neufassung der Vorschrift durch Art 23 Nr 4 HBeglG 1983. Angesichts dieser Besonderheiten der Entstehungsgeschichte und des Regelungsgehaltes des Art 2 § 12b Abs 4 AnVNG hätte die Klägerin zur Begründung ihrer Behauptung einer Verletzung des Art 3 GG im einzelnen darlegen müssen, daß entsprechende oder ähnliche Besonderheiten auch für Art 2 § 12b Abs 1, 2, 3 und 5 AnVNG bzw die darin genannten Vorschriften gelten und worin diese Besonderheiten bestehen. Dazu ist der Beschwerdebegründung nichts zu entnehmen.

Als Verfahrensmangel rügt die Klägerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) dadurch, daß das LSG ihren in der mündlichen Verhandlung am 22. September 1988 gestellten Beweisanträgen nicht gefolgt sei. Diese Rüge entspricht nicht den formellen Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG an die "Bezeichnung" eines Verfahrensmangels. Insofern ist zunächst zu berücksichtigen, daß das Übergehen eines Beweisantrages nur im Rahmen und in den Grenzen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG als Verfahrensmangel geltend gemacht werden kann. Der Beschwerdeführer muß also neben einer genauen Bezeichnung des nach einer Behauptung übergangenen Beweisantrages (dazu BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 S 83 mwN) darlegen, daß das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung - dh ohne einen Grund, der hinreichend für die Annahme ist, daß das LSG sich nicht hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5 S 6) - nicht gefolgt ist. Dazu gehört insbesondere die Angabe der Gründe, aus denen sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt sehen müssen, den von ihm abgelehnten Beweis zu erheben. Der Beschwerdeführer hat diese Gründe einerseits durch Angabe der sachlich-rechtlichen Auffassung des LSG und andererseits durch Darstellung des Beweisergebnisses zu dieser Auffassung konkret zu bezeichnen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 34 S 50).

Dies ist in der Beschwerdebegründung nicht geschehen. Daß das LSG dem Antrag der Klägerin, "über die Rechtswirksamkeit der freiwilligen Beitragsentrichtung" für die Monate April 1966 bis November 1970 ihren Ehemann als Zeugen zu vernehmen, für die Zeit vom 1. Januar bis 30. November 1970 hätte entsprechen müssen, ist schon deswegen nicht ersichtlich, weil in diesem Umfang die Berufung der Klägerin Erfolg gehabt und das LSG die angefochtenen Bescheide dahin geändert hat, daß die Renten der Klägerin ohne die für das Jahr 1970 entrichteten freiwilligen Beiträge neu zu berechnen sind. Bezüglich des übrigen Zeitraums (April 1966 bis Dezember 1969) hat das LSG ausgeführt, es sei mehr als nur lebensfremd anzunehmen, daß der Ehemann der Klägerin ohne deren Wissen und Willen die freiwilligen Beiträge entrichtet habe; hierzu sei er auch aufgrund ehelichen Unterhaltsrechts verpflichtet oder jedenfalls berechtigt gewesen; und schließlich habe die Klägerin die Beitragsentrichtung jedenfalls dadurch genehmigt, daß sie im Jahre 1972 beantragt habe, den damals noch fehlenden freiwilligen Beitrag für Januar 1971 einzahlen zu dürfen. Die Klägerin hält diese Ausführungen zwar für unzutreffend und tritt ihnen in der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde mit umfassenden Erörterungen insbesondere zu einem angeblichen Herstellungsanspruch wegen unzureichender Beratung entgegen. Diese Erörterungen sind indes rechtsunerheblich. Maßgebend ist allein, ob sich das LSG auf der Grundlage seiner vorstehenden Ausführungen zu einer Beweiserhebung durch Einvernahme des Ehemannes der Klägerin als Zeugen hätte gedrängt sehen müssen. Dazu ergibt die Beschwerdebegründung nichts.

Zum Antrag der Klägerin, über den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles ua ein Sachverständigengutachten zu erheben, hat das LSG ausgeführt, angesichts der internistischen Begutachtung durch Dr. E.   und Dr. H.       im April 1972 sowie des Berichts des Kreiskrankenhauses Bad D.        nach der stationären Behandlung vom 13. Juli bis 18. Dezember 1971 sei die Anordnung einer weiteren Begutachtung zur Frage des Eintritts des Versicherungsfalles nicht notwendig, zumal weitere Befunde für den streitigen Zeitraum vor November 1970 nicht vorlägen und auch von der Klägerin nicht behauptet worden seien. Dem hält die Klägerin entgegen, nach heutigem medizinischem Wissen auf dem Gebiet der Krankheit, an der sie leide, könne aus einer Rückextrapolation der vom 10. November 1970 bis zum heutigen Tage in regelmäßigen Abständen ermittelten Laborwerte auf den mit Sicherheit vor dem 10. November 1970 liegenden Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles objektiv geschlossen werden. Diese Tatsachenbehauptung besagt nichts darüber, ob und ggf aus welchen Gründen sich das LSG auf der allein maßgebenden Grundlage seiner Rechtsauffassung zu einer weiteren Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. Insbesondere hat die Klägerin nicht dargelegt, daß sie das LSG auf die angeblich neuen Beweismöglichkeiten hingewiesen hat.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach alledem mangels formgerechter Darlegung eines Zulassungsgrundes in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661220

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