Orientierungssatz
Zur grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob die Übergangsvorschrift des Art 2 § 17a AnVNG idF des Art 5 Nr 2 des Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz - HEZG-) vom 11.7.1985 (BGBl I 1985, 1450) deshalb gegen das GG verstößt, weil sie nicht eine Regelung zugunsten des Anwartschaftsberechtigten auf Hinterbliebenenrente für den Fall enthält, daß der Rentenberechtigte innerhalb der bis zum 31.12.1988 laufenden Frist für die Ausübung des Wahlrechts für die Anwendbarkeit des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts verstirbt und nach dessen Tod das Wahlrecht nur noch vom Berechtigten auf Hinterbliebenenrente ausgeübt werden kann.
Normenkette
AnVNG Art 2 § 17a Fassung: 1985-07-11; ArVNG Art 2 § 18; GG
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 07.09.1988; Aktenzeichen L 4 An 16/88) |
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (LSG) vom 7. September 1988 ist unzulässig.
Auf die Beschwerde ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). In der Begründung der Beschwerde muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Dazu ist erforderlich, daß die zu entscheidende Rechtsfrage klar bezeichnet wird; außerdem muß ersichtlich sein, weshalb ihrer Klärung eine grundsätzliche Bedeutung zukommt (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; BSG SozR aaO Nr 17 S 24). Zur grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage gehört zunächst deren Klärungsbedürftigkeit. Sie ist regelmäßig nicht (mehr) gegeben, wenn die Rechtsfrage insbesondere durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts bereits geklärt ist. Von dieser Regel kann ausnahmsweise abgewichen und die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage bejaht werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen worden ist und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht worden sind. Eine Klärungsbedürftigkeit in diesem Sinne hat der Beschwerdeführer darzulegen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19f). Zur grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage gehört ferner deren Klärungsfähigkeit. Insofern hat der Beschwerdeführer darzulegen, daß zumindest eine klärungsbedürftige Rechtsfrage nach und aufgrund einer Zulassung der Revision vom Revisionsgericht zu entscheiden sein wird, weil nur unter dieser Voraussetzung die angestrebte Entscheidung geeignet ist, in künftigen Revisionsverfahren die Rechtseinheit zu wahren oder zu sichern oder die Fortbildung des Rechts zu fördern (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48 mwN).
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin entspricht diesen formellen Anforderungen nicht.
Die Klägerin macht zur Begründung ihres Vorbringens, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, in erster Linie sinngemäß geltend, die Übergangsvorschrift des Art 2 § 17a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) idF des Art 5 Nr 2 des Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz -HEZG-) vom 11. Juli 1985 (BGBl I S 1450) verstoße deshalb gegen das Grundgesetz (GG), weil sie nicht eine Regelung zugunsten des Anwartschaftsberechtigten auf Hinterbliebenenrente für den Fall enthalte, daß der Rentenberechtigte innerhalb der bis zum 31. Dezember 1988 laufenden Frist für die Ausübung des Wahlrechts für die Anwendbarkeit des bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts verstirbt und nach dessen Tod das Wahlrecht nur noch vom Berechtigten auf Hinterbliebenenrente ausgeübt werden könne. Der beschließende Senat hält diese Rechtsfrage für klärungsbedürftig (vgl Beschluß vom 8. November 1989 - 1 BA 163/88 -). Jedoch ist ihre Klärungsfähigkeit im vorliegenden Verfahren nicht dargetan worden. Das Vorbringen der Klägerin läßt nicht erkennen, daß nach und aufgrund einer Zulassung der Revision der beschließende Senat über die klärungsbedürftige Rechtsfrage sachlich entscheiden könnte. Dem steht entgegen, daß daß "Wahlrecht" nach Art 2 § 17a Abs 2 AnVNG nur Ehegatten zugestanden hat, die beide vor dem 1. Januar 1936 geboren sind. Die Klägerin ist hingegen am 6. Februar 1937 geboren, so daß allein deshalb und unabhängig davon, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen im Falle des Vorversterbens eines der Ehegatten innerhalb der am 31. Dezember 1988 endenden Frist dem überlebenden Ehegatten ein einseitiges Wahlrecht zustehen muß, die Übergangsregelung des Art 2 § 17a Abs 2 AnVNG für die Klägerin und ihren verstorbenen Ehemann nicht anwendbar gewesen ist.
Allerdings hat die Klägerin auch bezüglich des Mindestalterserfordernisses für die übereinstimmende Ausübung des Wahlrechts nach Art 2 § 17a Abs 2 AnVNG (Geburtsdatum beider Ehegatten vor dem 1. Januar 1936) eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht mit der Begründung, die Altersregelung von 50 Jahren am Stichtag der Rechtsänderung sei willkürlich; sachbezogen müsse vielmehr die Dauer der Ehe im Vordergrund stehen. In diesem Umfang fehlt es jedoch an einer Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage. Durch Beschluß vom 12. Februar 1987 (BVerfG SozR 5750 Art 2 § 18 ArVNG) und somit lange Zeit vor Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat die 2. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit ausführlicher Begründung entschieden, daß weder die Einfügung der Stichtagsregelung des Art 2 § 17a Abs 2 AnVNG als solche noch die konkrete Wahl des Stichtages 1. Januar 1936 von Verfassungs wegen zu beanstanden seien. Mit diesem Beschluß, auf den im übrigen im Urteil des LSG vom 7. September 1988 (S 6) ausdrücklich hingewiesen worden ist, hätte sich die Klägerin in der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde auseinandersetzen und darlegen müssen, daß ungeachtet dieses Beschlusses die von ihr aufgezeigte Rechtsfrage klärungsbedürftig (geblieben) ist. Das ist nicht geschehen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist somit mangels formgerechter Darlegung eines Zulassungsgrundes unzulässig und bereits deswegen in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Damit erübrigt sich eine förmliche Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumnis der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen