Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, welche Anforderungen an den Nachweis zu stellen sind, daß eine Partei einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht hat finden können.
Normenkette
SGG § 202 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 78a Abs. 1 Fassung: 1959-08-01
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Wahrnehmung ihrer Rechte zwecks Durchführung eines Revisionsverfahrens vor dem Bundessozialgericht wird abgelehnt.
Gründe
Nach § 78 a der Zivilprozeßordnung (ZPO) i.V.m. § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Prozeßgericht, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Partei auf ihren Antrag für den Rechtszug einen besonderen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Über den Antrag kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die Klägerin hat nicht dargetan, daß sie in Berlin einen Rechtsanwalt nicht hat finden können, der bereit war, für sie Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 6. Oktober 1970 beim Bundessozialgericht (BSG) einzulegen. Für eine Großstadt wie Berlin, in der es eine große Anzahl von niedergelassenen Rechtsanwälten gibt, die alle vor dem BSG auftreten können (§ 166 Abs. 2 SGG), kann es selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Sozialversicherung ein besonderes Rechtsgebiet ist, auf dem tätig zu werden nicht jeder Rechtsanwalt bereit ist, nicht genügen, wenn sich die Klägerin auf die von ihr beigebrachten sechs Ablehnungen beruft. Denn zwei "Absagen", nämlich die der Rechtsanwälte P und A müssen unberücksichtigt bleiben, da sie bereits verstorben waren. Rechtsanwalt R in B hatte nach dem Inhalt seines Schreibens vom 14. Dezember 1970 die Klägerin gebeten, zwecks einer Rücksprache bei ihm vorzusprechen; dabei sollte geklärt werden, ob er etwas für sie tun könne. Warum dieser Versuch, einen beim BSG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten mit der Wahrnehmung der Interessen der Klägerin zu beauftragen, gescheitert ist, ist nicht dargetan.
Die Klägerin als Justizangestellte mußte wissen, daß die Anwaltskammer ihr Auskunft hätte geben können, welche Rechtsanwälte in B Streitfälle aus der Sozialgerichtsbarkeit übernehmen. Diese Auskunft hätte sie einholen müssen, zumal die Rechtsanwälte P und Dr. B in B in ihren Schreiben vom 10. und 12. Dezember 1970 die Klägerin auf diesen Weg ausdrücklich hingewiesen hatten. Dr. B hatte ihr sogar noch die Anschrift und die Telefon-Nummer der Rechtsanwaltskammer angegeben. Da die Klägerin diesen Weg nicht beschritten hat, kann ihrem Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht stattgegeben werden. Zugleich erübrigen sich damit Erörterungen darüber, ob die Klägerin ihre Bemühungen, einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt zu finden, nicht hätte fortsetzen müssen, um notfalls die Revisionseinlegungsfrist verstreichen zu lassen und dann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung zu beantragen, daß die Fristversäumnis unverschuldet gewesen sei.
Fundstellen
Haufe-Index 1668910 |
MDR 1971, 959 |