Verfahrensgang

LSG Hamburg (Urteil vom 23.05.1962)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 23. Mai 1962 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger hat durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten gegen das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Hamburg vom 23. Mai 1962 form- und fristgerecht Revision einlegen lassen. Am letzten Tag der bis 17. Oktober 1962 verlängerten Revisionsbegründungsfrist ging beim Bundessozialgericht (BSG) eine von dem nunmehrigen Prozeßbevollmächtigten des Klägers unterzeichnete Revisionsbegründungsschrift vom 15. Oktober 1962 ein. Dieser Prozeßbevollmächtigte teilte dem BSG mit Anschreiben vom 16. Oktober 1962 mit, daß ihm eine Durcharbeitung des Streitstoffes und der Rechtsfragen nicht möglich gewesen sei, da der Kläger zur Vorlage des gesamten Materials nicht in der Lage gewesen sei. Der Kläger habe ihm heute den Entwurf einer Revisionsbegründung übergeben, den er zur Wahrung der Rechtsmittelfrist anliegend von ihm unterzeichnet als Revisionsbegründung überreiche. Weiteres Vorbringen bitte er ihm nachzulassen.

Diese Revisionsbegründung genügt nicht den Erfordernissen der §§ 166, 164 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Nach § 166 SGG müssen sich die Beteiligten vor dem BSG, soweit es sich nicht um Behörden usw. handelt, durch Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen. Die Revision mußte gem. § 164 Abs. 1 SGG binnen zweier Monate nach Zustellung und nach der bewilligten Fristverlängerung bis zum 17. Oktober 1962 durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten begründet werden. Auf diese Erfordernisse ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils hingewiesen worden. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einer wirksamen Revisionsbegründung, da der Schriftsatz vom 15. Oktober 1962 nicht als eine Revisionsbegründungsschrift des prozeßbevollmächtigten des Klägers gewertet werden kann.

Wie das BSG bereits im Zusammenhang mit einer Revisionsbegründung, die sich lediglich auf das Armenrechtsgesuch bezog, entschieden hat, muß die Revisionsbegründung erkennen lassen, daß der zugelassene Prozeßbevollmächtigte den Prozeßstoff geprüft hat (BSG 7, 35, 39). Die Revisionsbegründung soll die Vorarbeiten des Berichterstatters erleichtern; außerdem soll damit erreicht werden, daß der zugelassene Prozeßbevollmächtigte (Rechtsanwalt) die Rechtslage genau durchdenkt, bevor er durch seine Unterschrift die Verantwortung für die Revision übernimmt und daß er infolgedessen unter Umständen von der Durchführung aussichtsloser Revisionen absieht. Diese für das Verfahren nach der Zivilprozeßordnung (ZPO) gültigen Maßstäbe gelten auch für die Auslegung des § 164 Abs. 2 SGG (vgl. BSG in SozR SGG § 164 Bl. Da 9 Nr. 27). Zwar hat der zugelassene Prozeßbevollmächtigte im vorliegenden Fall den Begründungsschriftsatz des Klägers selbst unterzeichnet. Die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten reicht in der Regel auch aus, um die von ihm nicht selbst gefertigte Revisionsbegründung wirksam werden zu lassen, da es der Sinn einer Unterzeichnung ist, daß der Unterzeichner die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernimmt. Das gilt jedoch dann nicht, wenn der Prozeßbevollmächtigte ausdrücklich oder auf andere Weise – etwa durch Benennung des eigentlichen Verfassers des Schriftstückes – zu erkennen gibt, daß er seine Unterschrift nicht auf Grund einer von ihm selbst vorgenommenen Prüfung geleistet hat und somit die eigene volle Verantwortung für den gesamten Inhalt des Schriftsatzes nicht übernimmt (vgl. BGH in LM Nr. 16 zu § 519 ZPO = JR 54, 463 mit zustimmender Anmerkung von Prof. Lent; BAG in NJW 1961, 1599; Wieczorek ZPO, § 519 Anm. B I b 1; ebenso Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 1 zu § 166 SGG).

Im vorliegenden Fall hat der zugelassene prozeßbevollmächtigte nicht nur durch den ausdrücklichen Hinweis auf den Verfasser der Revisionsbegründungsschrift zu erkennen gegeben, daß er die volle eigene Verantwortung (vgl. BSG in SozR SGG § 166 Bl. Da 1 Nr. 3 a.E.) für den Inhalt des Schriftsatzes nicht übernimmt, sondern auch noch hinzugefügt, daß ihm selbst eine Durcharbeitung des Streitstoffs und der Rechtsfragen nicht möglich gewesen sei, und er zur Wahrung der Rechtsmittelfrist den vom Kläger übersandten „Entwurf einer Revisionsbegründung” … „als Revisionsbegründung” überreiche. Damit hat der Prozeßbevollmächtigte die nicht von ihm verfaßte Rechtsmittelschrift „nur rein formal unterzeichnet” (vgl. BGH aaO). Dieser Schriftsatz stellt daher keine formgerechte Revisionsbegründung im Sinne der §§ 164, 166 SGG dar. Auch in früheren Schriftsätzen der Prozeßbevollmächtigten ist keine formgerechte Revisionsbegründung enthalten. Im Revisionsschriftsatz vom 15. August 1962 heißt es lediglich, es würden Verletzungen des formellen und materiellen Rechts gerügt. Ebenso heißt es im Schriftsatz vom 16. August 1962 nur, die Revision sei zulässig wegen Vorliegens wesentlicher Verfahrensmängel und weil grundsätzliche Rechtsfragen zu entscheiden seien. Abgesehen davon, daß eine nicht zugelassene Revision durch die Rüge der Verletzung materiellen Rechts oder der unrichtigen Entscheidung von grundsätzlichen Rechtsfragen nicht statthaft werden könnte, sind solche Rügen auch gar nicht irgendwie näher bezeichnet; das gleiche gilt für die angeblichen Verfahrensmängel. Hier handelt es sich sonach nur um Ankündigungen dessen, was gerügt werden sollte. Im übrigen wären auch die zwingenden Erfordernisse des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG nicht erfüllt, wonach die Revisionsbegründung die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen und Beweismittel bezeichnen muß, die den Mangel ergeben. Der Schriftsatz vom 13. September 1962 enthält nur eine Begründung für den Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist.

Nach alledem fehlt es an einer formgerechten Revisionsbegründung (§§ 164, 166 SGG), weshalb die Revision gemäß § 169 Satz 2 SGG als unzulässig zu verwerfen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Unterschriften

Dr. Weiß, Dr. Schwankhart, Dr. Maisch

 

Fundstellen

NJW 1963, 270

MDR 1963, 256

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