Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Entscheidungen des Zulassungsausschusses entfalten Drittwirkung. Status des zugelassenen Vertragsarztes und der genehmigten Anstellung sichern die vertragsärztliche Tätigkeit im Rechtsverhältnis zu Dritten ab. Ausnahmefall von der Drittbindungswirkung. Medizinisches Versorgungszentrum. Verzicht auf Zulassung. Tätigkeit als angestellter Arzt
Orientierungssatz
1. Die Entscheidungen des Zulassungsausschusses entfalten Drittbindungswirkung (Tatbestandswirkung) in dem Sinne, dass andere Gerichte und Behörden an diese Entscheidung ohne Rücksicht auf ihren Inhalt gebunden sind.
2. Der Status des zugelassenen Vertragsarztes und der genehmigten Anstellung sichern die vertragsärztliche Tätigkeit im Rechtsverhältnis zu Dritten ab. Solange der Status, bei dem es sich um höchstpersönliche Rechte des Statusinhabers handelt, nicht beseitigt ist, darf der betreffende Arzt insbesondere seine organschaftlichen Mitwirkungsrechte innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) wahrnehmen (vgl BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 57).
3. Ein Ausnahmefall von der Drittbindungswirkung liegt dann vor, wenn - wie im Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung - allein das Rechtsverhältnis zwischen der KÄV und ihrem Mitglied betroffen ist; in diesem rein dualen Verhältnis kann beispielsweise die Frage, ob die Kriterien einer Gemeinschaftspraxis wirklich erfüllt waren, erneut zur Prüfung gestellt werden (vgl BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R aaO)
4. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und Vertragsärzte können die Privilegien, die § 103 Abs 4a und 4b SGB 5 im Rahmen der Nachbesetzung vermittelt, grundsätzlich nur in Anspruch nehmen können, wenn und soweit der Arzt auf seine Zulassung gerade mit dem Ziel verzichtet, selbst in dem MVZ oder bei dem Vertragsarzt als angestellter Arzt tätig zu werden (vgl BSG vom 4.5.2016 (B 6 KA 21/15 R - BSGE 121, 143 = SozR 4-2500 § 103 Nr 20 RdNr 25).
Normenkette
SGB V § 79 Abs. 4 S. 7, § 95 Abs. 5 S. 1, Abs. 9, § 103 Abs. 4a, 4b; SGB X § 39 Abs. 2
Verfahrensgang
SG München (Urteil vom 27.06.2018; Aktenzeichen S 43 KA 961/16) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 10.07.2019; Aktenzeichen L 12 KA 65/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger, der im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist und an der hausärztlichen Versorgung teilnimmt, wendet sich mit seiner Wahlanfechtungsklage gegen die Ordnungsgemäßheit der Wahl zur Vertreterversammlung (VV) der beklagten KÄV für die Wahlperiode 2017 bis 2022.
An der Wahl zur VV beteiligten sich mehrere Wahlvorschläge. Den Wahlvorschlag mit der Ordnungsnummer 1 (Facharztliste Bayern - Allianz der Berufsverbände) führte der stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der Beklagten Dr. S. an, der die meisten Stimmen (7585) erhielt. Dr. S hatte nach Aufnahme seiner Tätigkeit als stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes auf seine bis dahin bestehende Zulassung als Augenarzt in B. mit Wirkung zum 31.3.2011 verzichtet. Unter dem 25.8.2015 beantragte der Facharzt für Augenheilkunde Dr. H. die Genehmigung zur Beschäftigung von Dr. S. als angestellter Arzt mit einem Beschäftigungsumfang von 20 Wochenstunden ab dem 1.4.2016 an seinem Praxissitz in S. Diesem Antrag gab der Zulassungsausschuss (ZA) statt und legte für die Vertragsarztpraxis Leistungsobergrenzen fest (Beschluss vom 2.3.2016). Parallel dazu beantragte Dr. H. beim ZA das Ruhen der Anstellung unter Verweis auf die hauptamtliche Vorstandstätigkeit von Dr. S. Der ZA gestattete das Ruhen der Anstellung befristet bis 31.1.2017 (Beschluss vom 2.3.2016).
Der Kläger, der bei der Wahl unter dem Wahlvorschlag mit der Ordnungsnummer 11 (Kooperative Liste Bayern) kandidiert hatte (243 Stimmen), erhob Einwände gegen die Gültigkeit der Wahl. Es habe an der passiven Wahlberechtigung von Dr. S. gefehlt. Durch den Verzicht von Dr. S. auf seinen Vertragsarztsitz zum 31.3.2011 habe dessen Mitgliedschaft bei der Beklagten geendet. Er sei daher nach § 4 Abs 1 Satz 1 der Wahlordnung der KÄV Bayerns vom 10.5.2004 (zuletzt geändert durch Beschluss der VV vom 13.3.2010, Bayerischer Staatsanzeiger Nr 30 vom 30.7.2010, im folgenden WahlO) nicht mehr wählbar gewesen. Zwar habe er sich ab 1.4.2016 in der Augenarztpraxis von Dr. H. im Umfang von 20 Arbeitsstunden wöchentlich anstellen lassen, zugleich aber das Ruhen dieser Anstellung vereinbart. Dieses Vorgehen sei nach allen Erkenntnissen ein illegitimer, wahlrechtswidriger Winkelzug zur unrechtmäßigen Erlangung seiner Wählbarkeit. Es handele sich um eine Scheinanstellung zur Erlangung des passiven Wahlrechts. § 79 Abs 4 Satz 7 SGB V sehe lediglich vor, dass der Vertragsarzt als Vorstand in begrenztem Umfang weiter vertragsärztlich tätig bleiben oder seine Zulassung ruhen lassen könne. Eine dritte Handlungsalternative gebe es nicht.
Der Landeswahlausschuss der Beklagten wies die Anträge des Klägers, die Wahl insgesamt für ungültig zu erklären bzw hilfsweise eine auf die Person des Dr. S. beschränkte Neuwahl anzuordnen, zurück (Beschluss vom 23.11.2016). Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteile des SG vom 27.6.2018 und des LSG vom 10.7.2019).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Rechtsprechungsabweichungen sowie Verfahrensfehler (Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG) geltend.
II. Die Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.
1. Soweit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht wird, ist die Beschwerde nicht begründet. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 29.11.2006 - B 6 KA 23/06 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 12/15 B - SozR 4-2500 § 116 Nr 11 RdNr 5).
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Der Kläger bezeichnet die folgende Rechtsfrage als grundsätzlich bedeutsam: |
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"Ist das von § 79 IV S. 7 SGB V geschaffene Privileg zu Gunsten eines in den hauptamtlichen Vorstand einer Kassenärztlichen Vereinigung gewählten Arztes, seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nach seiner Wahl in den hauptamtlichen Vorstand ruhen zu lassen, über den Wortlaut der Vorschrift hinaus extensiv auch dahin auszudehnen, daß ein nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Arzt sich für die Dauer eines neuen Wahlvorganges eigens zur vertragsärztlichen Versorgung zulassen läßt, diese Zulassung dabei jedoch zugleich uno actu zum Ruhen bringen läßt, damit (oder zumindest: wodurch) er zu keinem Zeitpunkt tatsächlich als Vertragsarzt tätig werden muß?" |
a. Wie auch der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu entnehmen ist, liegt dieser Frage die Annahme zugrunde, dass das passive Wahlrecht von Dr. S. fehlt, wenn die Voraussetzungen der Genehmigung zu seiner Beschäftigung als angestellter Arzt ab 1.4.2016 nicht vorgelegen haben und Dr. S. daher die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 WahlO für seine Wählbarkeit, nämlich die Mitgliedschaft in der beklagten KÄV, nicht erfüllt hat. Das trifft indes nicht zu, weil die hierzu ergangenen Bescheide in Bestandskraft erwachsen sind, nachdem dagegen kein Widerspruch eingelegt worden ist. Insofern kommt es für die Entscheidung auf die formulierte Rechtsfrage nicht an.
Bestandkräftige Bescheide, die nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sind, bleiben nach § 39 Abs 2 SGB X wirksam (vgl BSG Beschluss vom 12.12.2018 - B 6 KA 6/18 B - juris RdNr 9). Die Entscheidungen des ZA entfalten Drittbindungswirkung (Tatbestandswirkung) in dem Sinne, dass andere Behörden bzw Gerichte an diese Entscheidung ohne Rücksicht auf ihren Inhalt gebunden sind (Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, Vor § 39 RdNr 4). Drittbindungswirkung hat der Senat beispielsweise auch einem Arztregistereintrag im Rahmen eines Zulassungsverfahrens (BSG Urteil vom 13.12.2000 - B 6 KA 26/00 R - SozR 3-2500 § 95a Nr 2 S 4 ff und BSG Urteil vom 6.11.2002 - B 6 KA 37/01 R - SozR 3-2500 § 95c Nr 1 S 6 ff) und der Approbationsentscheidung im Rahmen einer Arztregistereintragung (BSG Urteil vom 31.8.2005 - B 6 KA 68/04 R - BSGE 95, 94 = SozR 4-2500 § 95c Nr 1 RdNr 6) beigemessen (vgl auch bei Zulassung als Heilmittelerbringer nach berufsrechtlicher Zulassung BSG Urteil vom 29.11.1995 - 3 RK 36/94 - BSGE 77, 130, 135 = SozR 3-2500 § 124 Nr 2 S 18 und Urteil vom 27.3.1996 - 3 RK 25/95 - BSGE 78, 125, 130 = SozR 3-2500 § 124 Nr 5 S 42; zur Institutsermächtigung nach hochschulbehördlicher Anerkennung als Ausbildungsstätte BSG Urteil vom 5.2.2003 - B 6 KA 26/02 R - SozR 4-2500 § 117 Nr 1 RdNr 25).
Es entspricht zudem ständiger Rechtsprechung des Senats, dass wegen der Drittbindungswirkung der Genehmigungsentscheidung sowohl die KÄVen bei der Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes als auch die Zulassungsgremien bei der Auswahl des Praxisnachfolgers vom Bestehen einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) ausgehen müssen, wenn diese von den Zulassungsgremien genehmigt worden ist (BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 49/12 R - BSGE 115, 57 = SozR 4-2500 § 103 Nr 13, RdNr 47; BSG Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 13/11 R - BSGE 110, 43 = SozR 4-2500 § 103 Nr 9, RdNr 16 ff; BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 43/13 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 37 RdNr 17). Dies gilt selbst dann, wenn die Gründung der BAG nur zu dem Zweck erfolgt ist, Einfluss auf die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes zu nehmen oder die Zusammenarbeit der Partner nicht den Anforderungen an eine BAG entspricht (BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 43/13 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 37 RdNr 18).
b. Soweit der Kläger meint, in der konkreten Situation liege es auf der Hand, dass es sich bei der Anstellung von Dr. S. um eine Scheinanstellung zur unrechtmäßigen Erlangung seiner Wählbarkeit gehandelt habe, ändert das die Bewertung nicht. Der Status des zugelassenen Vertragsarztes und der hier genehmigten Anstellung sichern die vertragsärztliche Tätigkeit im Rechtsverhältnis zu Dritten ab. Solange der Status, bei dem es sich um höchstpersönliche Rechte des Statusinhabers handelt (zur fehlenden Klagebefugnis Dritter wegen der Tatbestandswirkung von Statusentscheidungen vgl auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr 14b), nicht beseitigt ist, darf der betreffende Arzt insbesondere seine organschaftlichen Mitwirkungsrechte innerhalb der KÄV wahrnehmen (BSG Urteil vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 57).
c. Auch ein Ausnahmefall von der Drittbindungswirkung liegt nicht vor. Einen solchen hat der Senat bejaht, wenn - wie im Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung - allein das Rechtsverhältnis zwischen der KÄV und ihrem Mitglied betroffen ist; in diesem rein dualen Verhältnis kann beispielsweise die Frage, ob die Kriterien einer Gemeinschaftspraxis wirklich erfüllt waren, erneut zur Prüfung gestellt werden (BSG Urteil vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 58). Denn im Innenverhältnis zur KÄV schützt der verliehene, aber rechtswidrig erlangte Status den betroffenen Arzt in vergütungsrechtlicher Hinsicht nicht. Ein derartiges nur duales Verhältnis zwischen Arzt und KÄV steht vorliegend aber nicht in Frage. Vielmehr macht hier ein anderer Arzt Rechte aus dem Rechtsverhältnis zwischen der beklagten KÄV und ihrem Mitglied Dr. S. geltend.
Im Übrigen kann hier im Unterschied zur Fallgestaltung in der Entscheidung des Senats vom 23.6.2010 von einer "missbräuchlichen Nutzung von Gestaltungsformen" (aaO RdNr 54) bzw von einer Verschaffung der "Vertragsarztzulassung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen" (aaO RdNr 53) nicht ausgegangen werden. Dr. H. (als anstellender Vertragsarzt) und Dr. S. (als anzustellender Vertragsarzt) haben im Rahmen des Anstellungsgenehmigungsverfahrens gegenüber dem ZA von Anfang an offengelegt, dass die beantragte Anstellungsgenehmigung aufgrund der hauptamtlichen Vorstandstätigkeit von Dr. S. von Beginn an ruhen sollte. Zudem bestand für Dr. S. - hierauf hat das LSG zutreffend hingewiesen - ein legitimes Interesse, im Vorfeld der anstehenden Wahl Handlungsoptionen für die Zeit nach seiner Vorstandstätigkeit zu ermöglichen. Er konnte mit dieser Entscheidung für eine Anstellungsgenehmigung mit befristetem Ruhen auch Vorkehrungen für den Fall treffen, dass eine erneute Wiederwahl in den Vorstand der VV scheitert.
d. Etwas anderes könnte somit nur gelten, wenn die Bescheide des ZA, mit denen die Anstellungsgenehmigung und das Ruhen der Anstellung verfügt worden sind, unwirksam wären. Unwirksam ist nach § 39 Abs 3 SGB X allein ein nichtiger Verwaltungsakt. Ein besonders schwerwiegender Fehler iS des § 40 Abs 1 SGB X, der zur Nichtigkeit führt, liegt nur vor, wenn der Verwaltungsakt in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen und tragenden Verfassungsprinzipien steht (BVerwG Urteil vom 17.10.1997 - 8 C 1/96 - NVwZ 1998, 1061), dass es unerträglich wäre, wenn die beabsichtigten Rechtswirkungen eintreten würden (BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 82/92 - SozR 3-1300 § 40 Nr 2 S 17; BSG Urteil vom 12.9.1995 - 12 RK 24/95 - BSGE 76, 250, 256 = SozR 3-2600 § 282 Nr 2 S 13 f; BSG Urteil vom 20.8.2019 - B 2 U 35/17 R - SozR 4-2700 § 121 Nr 2 RdNr 19; Schneider-Danwitz, juris-PK SGB X, 2. Aufl 2017, Stand 1.12.2017, § 40 RdNr 27; Steinwedel in KassKomm, SGB X, Stand Dezember 2019, § 40 RdNr 2).
An einem solchen schwerwiegenden und offensichtlichen Fehler leiden die Bescheide über die Anstellungsgenehmigung und das Ruhen der Anstellung jedenfalls nicht. Denn der ZA war grundsätzlich befugt und verpflichtet, über Anträge auf Anstellungsgenehmigungen und auf Ruhen der Anstellung durch Verwaltungsakt zu entscheiden (vgl §§ 95 Abs 9, 79 Abs 4, 95 Abs 5 Satz 1 SGB V). Er hat demnach mit dem Erlass der Bescheide nichts getan, was ihm die Rechtsordnung grundsätzlich verwehrte. Selbst wenn die Bescheide - wie der Kläger meint - § 79 Abs 4 Satz 4 SGB V (hier noch in der Fassung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes vom 16.7.2015, BGBl I 1211, heute § 79 Abs 4 Satz 7 SGB V) verletzen sollten, läge kein besonders schwerwiegender Fehler iS von § 40 Abs 1 SGB X vor. Denn eine "einfache" Gesetzesverletzung steht den in § 40 Abs 2 SGB X aufgeführten, eine Nichtigkeit begründenden Fehlern nicht gleich (vgl BSG Urteil vom 14.12.1965 - 2 RU 113/63 - BSGE 24, 162, 165 = SozR Nr 108 zu § 54 SGG; BSG Urteil vom 1.4.1981 - 9 RV 43/80 - juris RdNr 21).
2. Auch die geltend gemachte Rechtsprechungsabweichung liegt nicht vor. Eine Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) setzt voraus, dass das LSG seiner Entscheidung einen Rechtssatz tragend zugrunde gelegt hat, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG widerspricht. Eine Divergenz iS der genannten Vorschrift liegt nicht schon vor, wenn das LSG einen Rechtssatz aus einer oberstgerichtlichen Entscheidung nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.11.2017 - B 6 KA 43/17 B - juris RdNr 13 mwN).
a. Der Kläger macht geltend, das LSG-Urteil enthalte den Rechtssatz, dass auch derjenige Arzt, der nie die Absicht gehabt habe, auf einer von ihm zur Zulassung erstrebten ärztlichen Stelle jemals tatsächlich zu arbeiten, das Recht habe, eine solche Rechtsposition anzustreben und zu erwirken. Demgegenüber sei der Entscheidung des BSG vom 4.5.2016 (B 6 KA 21/15 R - BSGE 121, 143 = SozR 4-2500 § 103 Nr 20) der Rechtssatz zu entnehmen, dass nur derjenige Arzt, der zum Zeitpunkt seiner erwirkten Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit tatsächlich die Absicht gehabt habe, die Tätigkeit auf dieser Stelle auch wirklich mindestens drei Jahre ausüben zu wollen, sich auf ein Recht zur Zulassung berufen dürfe.
b. Bereits der Rechtssatz, den der Kläger der Entscheidung des Senats vom 4.5.2016 entnommen haben will, ist dort so nicht enthalten. In jener Entscheidung heißt es vielmehr, dass das Recht zur Nachbesetzung einer in ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) eingebrachten Stelle (vgl § 103 Abs 4a Satz 3 SGB V) dem MVZ grundsätzlich nur zusteht, wenn der Arzt dort mindestens drei Jahre tätig war oder - wenn er früher ausscheidet - jedenfalls ursprünglich die Absicht gehabt haben muss, dort mindestens drei Jahre tätig zu sein. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass beim Einbringen eines Vertragsarztsitzes in ein MVZ (§ 103 Abs 4a Satz 1 SGB V) oder in die Praxis eines Vertragsarztes (§ 103 Abs 4b Satz 1 SGB V) der Vertragsarzt trotz Zulassungsverzichts seine Tätigkeit innerhalb des Systems der vertragsärztlichen Versorgung nur mit einem anderen Status - dem des Angestellten - fortführt. Daraus folgt, dass MVZ und Vertragsärzte die Privilegien, die § 103 Abs 4a und 4b SGB V im Rahmen der Nachbesetzung vermittelt, grundsätzlich nur in Anspruch nehmen können, wenn und soweit der Arzt auf seine Zulassung gerade mit dem Ziel verzichtet, selbst in dem MVZ oder bei dem Vertragsarzt als angestellter Arzt tätig zu werden (BSG aaO RdNr 25). Dabei begründet nicht jede beliebige Dauer einer angestrebten Angestelltentätigkeit den Anspruch auf die Erteilung einer Genehmigung nach § 103 Abs 4a Satz 1 SGB V (BSG aaO RdNr 27). Endet die Tätigkeit des Arztes, der unter Umwandlung seiner Zulassung in eine Anstellung bei einem MVZ "tätig werden wollte", vor Ablauf von drei Jahren, hängt das Nachbesetzungsrecht des MVZ davon ab, ob nach den Umständen davon ausgegangen werden kann, dass der ursprünglich zugelassene Arzt zunächst tatsächlich zumindest drei Jahre im MVZ tätig werden wollte, diese Absicht aber aufgrund von Umständen, die ihm zum Zeitpunkt des Verzichts auf die Zulassung noch nicht bekannt waren, nicht mehr realisieren konnte (BSG aaO RdNr 29). Die vom Kläger benannte Aussage, dass sich ein Arzt nur dann auf ein Recht zur Zulassung berufen könne, wenn er zum Zeitpunkt seiner erwirkten Zulassung tatsächlich die Absicht hat, die Tätigkeit mindestens drei Jahre ausüben zu wollen, enthält die Entscheidung demgegenüber nicht.
c. Das LSG hat in seiner Entscheidung auch keinen der Entscheidung des Senats vom 4.5.2016 widersprechenden Rechtssatz aufgestellt. Denn in der hier mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung geht es schon nicht um die Nachbesetzung einer in ein MVZ oder bei einem Vertragsarzt eingebrachten Stelle nach § 103 Abs 4a und 4b SGB V, sondern um die Anstellung von Dr. S. bei einem Vertragsarzt (Dr. H.) im Wege des Jobsharing (§ 95 Abs 9 iVm § 101 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V).
3. Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel geltend macht, ist die Beschwerde bereits unzulässig. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, das LSG habe unter Verletzung von § 128 Abs 2 SGG "einen Beweis, der nie erhoben wurde … und auch nie hat erhoben werden müssen" gewürdigt. Denn es führe in den Entscheidungsgründen als "ansatzlos spekulativ ersonnenen Sachverhalt" aus: "Nachdem es Dr. S. in der Vergangenheit offensichtlich gelungen war, seine Vorstandstätigkeit in dem von seinem Wohnort über 300 km entfernten München nachzugehen, bestanden für den Zulassungsausschuß auch keine Gründe, an einer Machbarkeit der Überbrückung von 90 km zur Praxis Dr. H. zu zweifeln." Darin sei eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu sehen, denn hätte das LSG seine dahingehenden Überlegungen rechtzeitig vor Schluss der mündlichen Verhandlung offengelegt, wäre er - der Kläger - diesen Mutmaßungen des Gerichts entgegengetreten und hätte ggf entsprechende Beweisantritte formuliert und aufrechterhalten.
Vorliegend hat der Kläger bereits nicht dargelegt, warum die Entscheidung des LSG darauf beruhen kann, dass er zu der zitierten Urteilspassage nicht angehört wurde. Denn das LSG hat diese Ausführungen allein im Zusammenhang mit den vom Kläger in das Verfahren eingebrachten Vortrag gemacht (vgl Urteil des LSG S 16 unten: "Soweit der Klägerbevollmächtigte die räumliche Entfernung von fast 100 km zwischen dem (damaligen) Wohnsitz des Dr. S. und dem Anstellungsort als Grund dafür nennt, dass das Anstellungsverhältnis zu keinem Zeitpunkt gelebt werden sollte, sei nur auf die Entfernung zwischen dem Wohnort und dem Sitz der Beklagten in München hinzuweisen."). Diese Erwägungen stellen zudem nicht die tragende Begründung der Entscheidung dar. Vielmehr stützt das LSG seine Entscheidung darauf, dass der Status von Dr. S. als angestellter Arzt auf dem bestandskräftigen Beschluss des ZA vom 2.3.2016 beruht (Urteil des LSG S 11 f) und führt zudem aus, dass der ZA gerade nicht gehalten war, die "innere Willensrichtung" von Dr. S. zu erforschen (Urteil des LSG S 15).
Im Übrigen gibt es keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (vgl BSG Beschluss vom 1.2.2017 - B 1 KR 90/16 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 7.8.2018 - B 1 KR 15/18 B - juris RdNr 11). Der Kläger wendet sich letztlich hier nur dagegen, dass das LSG seiner Rechtsauffassung nicht gefolgt ist. Ein Beschwerdeführer kann aber nicht zulässig im Wege einer Gehörsrüge als Verfahrensfehler geltend machen, dass das LSG seinem Vorbringen in seiner Entscheidung inhaltlich nicht gefolgt ist und sich zu Beweiserhebungen nicht veranlasst gesehen hat.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).
5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3, § 52 Abs 2 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13890880 |