Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Begründung. Verfahrensmangel. Berufungsfrist. Versäumung. Wiedereinsetzung. Glaubhaftmachung Eidesstattliche Erklärung: Fristenbuch
Orientierungssatz
1. In der Beschwerdebegründung wegen eines Verfahrensmangels sind die Tatsachen anzugeben, die die unverschuldete Versäumung der Berufungsfrist als Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft machen können. Dazu gehört neben der Darlegung, zu welchem Zeitpunkt der Briefumschlag mit dem Berufungsschriftsatz von welcher Person auf welche Weise zur Post gegeben worden ist auch die Glaubhaftmachung der Tatsachen etwa durch eine eidesstattliche Erklärung der Person, die den Brief aufgegeben hat (vgl BFH vom 13.1.2004 - VII B 127/03 = BFH/NV 2004, 655).
2. Die Vorlage einer Kopie des Portobuches, aus der sich lediglich die Absendung einer Postsendung ergibt, ohne dass der Inhalt oder auch nur das Datum ersichtlich ist, reicht zur Darlegung bzw Glaubhaftmachung nicht aus. Es ist notwendig aufzuzeigen, dass die Absendung der Berufung durch einen entsprechenden Eintrag im Fristenbuch kontrolliert bzw vermerkt ist (vgl BFH vom 7.2.1997 - III B 146/96 = BFH/NV 1997, 674).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 3, §§ 151, 67
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 25.05.2004; Aktenzeichen L 1 AL 76/04) |
SG Trier (Gerichtsbescheid vom 06.01.2004; Aktenzeichen S 5 AL 184/02) |
Tatbestand
Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Überprüfung und Aufhebung von zwei bestandskräftigen Sperrzeitentscheidungen abgelehnt. Das Sozialgericht Trier (SG) hat die Klage (Az: S 5 AL 184/02) mit dem am 8. Januar 2004 zugestellten Gerichtsbescheid vom 6. Januar 2004 abgewiesen. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 6. Februar 2004 Berufung eingelegt. Die schriftliche Berufung ist beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) am 8. April 2004 zugleich mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist eingegangen. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Prozessbevollmächtigte geltend gemacht, die bisher nicht zugegangene Berufungsschrift sei am 6. Februar 2004 abgeschickt worden, und zwar zugleich mit einer Berufungsschrift gegen einen weiteren Gerichtsbescheid des SG, der denselben Kläger betraf. Diese Berufung sei beim LSG eingegangen. Ihm, dem Prozessbevollmächtigten, sei der Nichtzugang der Berufung im Rechtsstreit SG Trier - S 5 AL 184/02 - aufgefallen, weil er für drei beinahe zeitgleich eingelegte Berufungen vom LSG Eingangsbestätigung erhalten habe, für diese Berufung aber keine. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers versicherte die Tatsache der Absendung der Berufung anwaltlich und erklärte, falls erforderlich, könnten weitere Mittel zur Glaubhaftmachung nachgereicht werden. Das LSG hat die Berufung durch Beschluss vom 25. Mai 2004 ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verworfen. Es hat es als nicht glaubhaft gemacht angesehen, dass der Kläger ohne sein Verschulden gehindert war, die Berufungsfrist zu wahren. Werde geltend gemacht, dass die Berufungsschrift auf dem Postweg verloren gegangen sei, reiche zur Glaubhaftmachung der ein Verschulden ausschließenden Umstände nicht aus, wenn der Anwalt lediglich versichere, den maßgebenden Schriftsatz fristgerecht zur Post gegeben zu haben. Er müsse vielmehr substantiiert darlegen, dass und auf welche Weise er die Berufungsschrift erstellt und abgeschickt habe und wie dies dokumentiert worden sei. Dies sei hier nicht geschehen.
Gegen den am 27. Mai 2004 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 25. Juni 2004 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Er rügt Verfahrensmängel des LSG. Das LSG hätte die Berufung nicht als unzulässig verwerfen dürfen, sondern ihm die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren müssen.
Er trägt dazu vor, seine Prozessbevollmächtigten hätten am 6. Februar 2004 den Schriftsatz zur Einlegung der Berufung angefertigt. Dieser Schriftsatz sei am vorgenannten Tage diktiert, nach Diktat zum Schreiben gegeben und so auch aufgesetzt. Noch am selben Tage, einem Freitag, sei er von der Auszubildenden Frau E. in den nahe der Kanzlei befindlichen Briefkasten auf dem T. H. eingeworfen worden. Dies sei spätestens unmittelbar nach Feierabend der Kanzlei um 17.00 Uhr geschehen. Der betreffende Briefkasten sei an diesem Tag noch um 17.45 Uhr und 18.30 Uhr geleert worden. Warum der Berufungsschriftsatz nicht beim LSG eingegangen sei, entziehe sich der Kenntnis der Prozessbevollmächtigten des Klägers. Mit dem Wiedereinsetzungsantrag sei der vorstehende Sachverhalt im Wesentlichen geschildert worden und auf die ordnungsgemäße Bestätigung der übrigen drei ebenfalls beim LSG anhängigen Berufungssachen hingewiesen worden. Der Kläger habe im Wiedereinsetzungsschriftsatz deutlich gemacht, dass er erforderlichenfalls noch weitere Mittel zur Glaubhaftmachung außer der anwaltlichen Versicherung nachreichen könne. Das LSG hätte gemäß § 106 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) darauf hinwirken müssen, dass ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
Darüber hinaus könnten die Tatsachen zur Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe auch nach Ablauf der Monatsfrist nachgeschoben werden. Der nunmehr vorgetragene Sachverhalt könne deshalb zusätzlich zur Beurteilung der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags herangezogen werden. Die Absendung der Berufungsschrift werde durch das Portobuch der Kanzlei dokumentiert, in dem (wie aus der beigefügten Fotokopie ersichtlich) unter dem 6. Februar 2004 die Absendung von zwei Schriftstücken des Klägers an das LSG vermerkt werde.
Die Beklagte hat sich nicht zur Nichtzulassungsbeschwerde geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig, denn in der Begründung ist ein Verfahrensfehler nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet.
Die Beschwerde macht geltend, der Sachverhalt, der in der Beschwerdebegründung dargestellt werde, hätte durch das Gericht schon bei Nachfrage festgestellt werden können. Sie rügt damit eine ungenügende Sachaufklärung und in der Sache eine Verletzung der in § 103 SGG angeordneten Amtsermittlungspflicht durch das LSG. Auf einer Verletzung des § 103 SGG kann die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG aber nur gestützt werden, soweit gerügt wird, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Gründe nicht gefolgt sei. Einen solchen Beweisantrag hat der Kläger nicht gestellt. Ist ein Beweisantrag nicht gestellt, kann nicht über den Umweg der behaupteten Verletzung des § 106 SGG ein nicht gestellter Beweisantrag zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 13 und BSG Beschluss vom 24. Juli 2002 - B 7 AL 228/01 B ≪SozSich 2004, 35 - nur Leitsatz -≫). Unabhängig hiervon ist ein Verfahrensmangel mit der Beschwerdebegründung aber auch deshalb nicht ausreichend bezeichnet, weil diese nicht aufzeigt, dass die angefochtene Entscheidung auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann. Da die Entscheidung des LSG auf dem Verfahrensmangel nur beruhen könnte, wenn es anderenfalls Wiedereinsetzung hätte gewähren müssen, hätten in der Beschwerdebegründung die Tatsachen angegeben werden müssen, die die unverschuldete Fristversäumung als Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft machen. Dazu gehört neben der Darlegung, zu welchem Zeitpunkt der Briefumschlag mit dem Schriftsatz von welcher Person und auf welche Weise zur Post gegeben worden ist auch die Glaubhaftmachung der Tatsachen etwa durch eine eidesstattliche Erklärung der Person, die den Brief aufgegeben hat (vgl zB BFH Beschluss vom 13. Januar 2004, Az: VII B 127/03 - BFH/NV 2004, 655 mwN). In der Beschwerdebegründung wird zwar angegeben, wann die Auszubildende Frau E. den Berufungsschriftsatz in den Briefkasten eingeworfen habe. Eine eigene Erklärung der Frau E. über diese Umstände wird jedoch nicht vorgelegt. Außerdem wird in der Beschwerdebegründung zwar eine Kopie des Portobuchs vorgelegt. Aus dieser Kopie ergibt sich jedoch lediglich, dass an das LSG eine Postsendung abgesandt wurde, ohne dass der Inhalt oder auch nur das Datum ersichtlich wäre. Es wird auch nicht aufgezeigt, dass die Absendung der Berufung durch einen entsprechenden Eintrag im Fristenbuch kontrolliert bzw vermerkt ist, wie dies notwendig gewesen wäre (vgl BFH Beschluss vom 7. Februar 1997, Az: III B 146/96 = BFH/NV 1997, 674).
Ein Verfahrensmangel des LSG wird schließlich auch nicht mit dem Vorbringen aufgezeigt, die Tatsachen zur Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe könnten auch nach Ablauf der Monatsfrist nachgeschoben werden. Das Revisionsgericht kann im Revisionsverfahren zwar selbstständig überprüfen, ob das LSG die Wiedereinsetzung zu Recht abgelehnt hat. In diesem Fall kann es unabhängig von der Antragsfrist des § 67 Abs 2 Satz 1 SGG die zur Glaubhaftmachung notwendigen Tatsachen ermitteln. Im Beschwerdeverfahren ist jedoch für die Entscheidung, ob ein Verfahrensfehler des LSG vorliegt, der vom LSG festgestellte Sachverhalt zu Grunde zu legen, soweit gegen diese Feststellung keine Verfahrensrügen durchgreifen.
Die unzulässige Beschwerde ist zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 2, § 169 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen