Leitsatz (amtlich)

Wenn ein von einem Beteiligten Bevollmächtigter im Zeitpunkt der Einlegung der Revision noch nicht kraft Satzung oder Vollmacht einer Organisation iS des SGG § 166 Abs 2 zur Prozeßvertretung vor dem BSG befugt (postulationsfähig) war, so ist die Revisionseinlegung unwirksam.

 

Normenkette

SGG § 166 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 31. Mai 1960 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger hat gegen das ihm am 14. Juli 1960 zugestellte Urteil des Landessozialgerichts (LSG.) Berlin vom 31. Mai 1960, das seine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG.) Berlin vom 22. Juni 1956 zurückgewiesen hat, durch den von ihm bevollmächtigten Verbandsvertreter E vom Bund Deutscher Kriegsbeschädigter und Kriegerhinterbliebener e.V., Landesverband Berlin, mit Schriftsatz vom 11. August 1960, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG.) am 13. August 1960, Revision eingelegt. Mit Schreiben vom 16. August 1960 an den Verbandsvertreter E hat der erkennende Senat darauf hingewiesen, daß nach § 166 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sich die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, vor dem BSG. durch einen nach §§ 166, 217 SGG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten lassen müssen. Gleichzeitig hat der Senat E in dem genannten Schreiben die Auflage gemacht, um die Rechtswirksamkeit der von ihm für den Kläger in dem vorliegenden Rechtsstreit eingelegten Revision prüfen zu können, eine auf seine Person ausgestellte und gegebenenfalls von den nach § 26 BGB vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern seines Verbandes unterzeichnete Vollmacht vorzulegen, nach der er zur Prozeßvertretung vor dem BSG. befugt gewesen ist. Der Erste Vorsitzende des vorbezeichneten Kriegsopferverbandes hat daraufhin mit Schriftsatz vom 6. September 1960, eingegangen am 9. September, mitgeteilt:

"In der o.a. Streitsache gebe ich als Vorstand des Bundes Deutscher Kriegsbeschädigter und Kriegerhinterbliebener e.V., Landesverband Berlin, im Sinne des § 26 BGB die nachstehende - wie bereits im Aktenzeichen 8 RV 1013/60 erfolgt - Erklärung ab.

Herr U E ist Mitglied des BDKK, Landesverband Berlin. Der Landesverband Berlin ist als Verein in das Register des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Nach § 2 Abs. 1 der dem Amtsgericht Charlottenburg eingereichten und genehmigten Satzung übernimmt der Landesverband Berlin die Vertretung und Förderung der rechtlichen und sozialen Belange der deutschen Kriegsbeschädigten und Kriegerhinterbliebenen. Abs. 2 Buchst. d bestimmt, daß sich die Tätigkeit erstreckt insbesondere auf Zurverfügungstellung fachkundiger Beratung und Vertretung der Kriegsopfer in allen Versorgungs- und Fürsorgeangelegenheiten und des Arbeitsschutzes.

In Verfolg dieser Zielsetzung ist Herr E vom Landesverband Berlin beauftragt, die notwendigen Vertretungen vor Behörden und Gerichten als Bevollmächtigter wahrzunehmen."

Die in Bezug genommene Erklärung ist beim 8. Senat des BSG. zu dem Az. 8 RV 1013/60 am 1. September 1960 eingegangen, wie diese Akten ergeben.

Die durch den Verbandsvertreter E eingelegte Revision ist nicht formgerecht. Im Zeitpunkt der Einlegung der Revision, am 13. August 1960, gehörte der Verbandsvertreter E noch nicht zu den kraft Satzung oder Vollmacht vor dem BSG. zur Prozeßvertretung zugelassenen Prozeßbevollmächtigten (§ 166 Abs. 2 SGG). Der Nachweis, daß der Verbandsvertreter E kraft Vollmacht seines Verbandes vor dem BSG. zur Prozeßvertretung befugt ist, ist dem BSG. gegenüber in der Sache 8 RV 1013/60 erst am 1. September 1960 und in der vom erkennenden Senat zu entscheidenden Sache am 9. September 1960 geführt worden. Am 13. August 1960 war somit der Verbandsvertreter E vor dem BSG. noch nicht postulationsfähig, d.h. ihm stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Fähigkeit zu, mit dem Gericht und dem Prozeßgegner im Prozeß zu verhandeln. Die Postulationsfähigkeit (Verhandlungsfähigkeit) ist Prozeßhandlungsvoraussetzung (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., § 44 II 1). Die Prozeßhandlungen eines Postulationsunfähigen sind unwirksam (Rosenberg a.a.O.) und können auch nicht durch die spätere Genehmigung eines postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten rückwirkend geheilt werden (vgl. dazu Beschl. des 4. Senats des BSG. vom 8. April 1960 - 4 RJ 47/59 -). Die dem Vertretungszwang unterliegenden Beteiligten, wozu der Kläger zählt, können Prozeßhandlungen vor dem BSG. rechtswirksam nur durch einen im Zeitpunkt der Einlegung der Revision vor dem BSG. postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten vornehmen. Schon die Revisionsschrift muß somit von einem nach §§ 166 Abs. 2, 217 SGG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet sein. Der Kläger ist auf den Vertretungszwang in der Rechtsmittelbelehrung des LSG. und durch Schreiben des erkennenden Senats vom 16. August 1960 hingewiesen worden. Da die von dem im Zeitpunkt der Einlegung der Revision vor dem BSG. nicht postulationsfähigen Verbandsvertreter E unterzeichnete Revision vom 11./13. August 1960 nach alledem nicht dem zwingenden gesetzlichen Erfordernis entspricht, mußte die Revision nach § 169 SGG als unzulässig verworfen werden. Innerhalb der Revisionsfrist ist auch nicht von einem postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten eine neue Revision eingelegt worden.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2325860

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