Entscheidungsstichwort (Thema)

Einlegung der Revision durch postulationsunfähigen Prozeßbevollmächtigten

 

Orientierungssatz

1. Die Revisionsschrift muß von einem nach SGG § 166 Abs 2 zugelassenen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet werden.

2. Ein fristgebundenes Rechtsmittel, das ein nicht Postulationsfähiger einlegt, wird auch nicht dadurch rückwirkend wirksam (zulässig), daß der Bevollmächtigte nach Einlegung des Rechtsmittels die Postulationsfähigkeit erwirbt und nach Ablauf der Rechtsmittelfrist das bisherige Verfahren genehmigt (vgl BSG 1960-10-13 10 RV 1031/60 = SozR Nr 28 zu § 166 SGG). Der Vertretungszwang vor dem BSG ist im Interesse der Beteiligten und im Interesse des Revisionsgerichts vorgeschrieben (vgl BSG 1970-03-20 11 RA 139/69 = SozR Nr 39 zu § 166 SGG mit weiteren Hinweisen), die Beschränkung der Postulationsfähigkeit durch SGG § 166 dient dem Interesse der Rechtspflege im Revisionsverfahren. Dies erfordert es, eine von einem Postulationsfähigen eingelegte Revision stets als unwirksam anzusehen (vgl BSG 1955-05-17 8 RV 187/54 = SozR Nr 5 zu § 166 SGG) und keine nachträgliche "Heilung" zuzulassen.

3. Es kann auch eine auf den Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung rückwirkende Begründung der Postulationsfähigkeit nicht zugelassen werden. Die Postulationsfähigkeit "kraft Satzung oder Vollmacht" nach SGG § 166 Abs 2 kann durch Satzung oder Vollmacht nur für die Zukunft, nicht aber rückwirkend begründet werden (vgl BSG 1968-12-18 11 RA 144/68 = SozR Nr 37 zu § 166 SGG).

 

Normenkette

SGG § 166 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1974-07-30

 

Verfahrensgang

SG Osnabrück (Entscheidung vom 08.05.1979; Aktenzeichen S 5 LW 5/78)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 8. Mai 1979 wird verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin hat gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) Osnabrück vom 8. Mai 1979 die in der Urteilsformel zugelassene Revision eingelegt. Diese war in Anwendung des § 169 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen, da die Revisionsschrift nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt. Bereits die Revisionsschrift muß von einem nach § 166 Abs 2 SGG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet werden. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, der die am 31. Mai 1979 bei dem Bundessozialgericht (BSG) eingegangene Revisionsschrift unterschrieben hat, gehörte bei Einlegung der Revision nicht zu diesem Personenkreis. Er war als Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Berufsverbandes B.e.V. weder kraft Satzung noch kraft Vollmacht des Verbandes zur Prozeßvertretung vor dem BSG befugt.

Die Prozeßvertretung gehört nicht zur "laufenden Führung der Geschäfte", die gemäß Artikel 15 der Vereinssatzung vom 3. Februar 1978 dem Geschäftsführer obliegt. Eine entsprechende Vollmacht hat der Prozeßbevollmächtigte von dem hierzu zuständigen Vorstand des Verbandes erst unter dem 8. Juni 1979 erhalten. Er war daher bei Einlegung des Rechtsmittels nicht nach § 166 Abs 2 SGG als Prozeßbevollmächtigter zugelassen (postulationsfähig).

Ein fristgebundenes Rechtsmittel, das ein nicht Postulationsfähiger einlegt, wird auch nicht dadurch rückwirkend wirksam (zulässig), daß der Bevollmächtigte nach Einlegung des Rechtsmittels die Postulationsfähigkeit erwirbt und nach Ablauf der Rechtsmittelfrist das bisherige Verfahren genehmigt (BSG SozR § 166 Nr 28 sowie BSG SozR 1500 § 166 Nr 3). Der Vertretungszwang vor dem BSG ist im Interesse der Beteiligten und im Interesse des Revisionsgerichts vorgeschrieben (SozR Nr 39 zu § 166 SGG mit weiteren Hinweisen), die Beschränkung der Postulationsfähigkeit durch § 166 SGG dient dem Interesse der Rechtspflege im Revisionsverfahren. Dies erfordert es, eine von einem Postulationsunfähigen eingelegte Revision stets als unwirksam anzusehen (vgl SozR Nr 5 zu § 166 SGG) und keine nachträgliche "Heilung" zuzulassen.

Aus diesem Grunde kann auch eine auf den Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung rückwirkende Begründung der Postulationsfähigkeit nicht zugelassen werden. Die Postulationsfähigkeit "kraft Satzung oder Vollmacht" nach § 166 Abs 2 SGG kann durch Satzung oder Vollmacht nur für die Zukunft, nicht aber rückwirkend begründet werden (so schon der erkennende Senat in SozR SGG § 166 Nr 37). Dem steht nicht entgegen, daß das Bundesarbeitsgericht im Rahmen des § 11 Abs 1 Arbeitsgerichtsgesetz eine rückwirkende Begründung der Postulationsfähigkeit zugelassen hat (BAG AP Nr 30 zu § 11 ArbGG 1953).

Denn dort handelte es sich um den - hier nicht vorliegenden - Fall eines gerichtlichen Beschlusses über die Zulassung von Anwälten; davon abgesehen dienen die in dieser Vorschrift enthaltenen Bestimmungen über die Postulationsfähigkeit von Rechtsanwälten vor den Arbeitsgerichten nur den Interessen der Prozeßparteien und damit nicht dem gleichen Zweck wie § 166 SGG. Es ist somit unerheblich, daß der Vereinsvorstand den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 8. Juni 1979 "rückwirkend" zur Prozeßvertretung vor dem BSG bevollmächtigt und der Prozeßbevollmächtigte seine bisherige Prozeßführung genehmigt hat. Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zu verwerfen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649906

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