Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. September 2023 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Streitig sind Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Mit Bescheid vom 12.5.2020 bewilligte die Beklagte dem Kläger dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Mit weiterem Bescheid vom 19.6.2020 erklärte sie sich grundsätzlich bereit, dem Kläger einen Gründungszuschuss zu bewilligen. Der Widerspruch des Klägers, mit dem er von der Beklagten eine höhere und länger zu zahlende Geldleistung begehrte, blieb erfolglos(Widerspruchsbescheid vom 13.8.2020) . Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 12.5.2023 hat die Beklagte erklärt, dass der Bescheid vom 12.5.2020, mit dem die Teilnahme an einer Berufsfindung und Arbeitserprobung in einem Berufsförderwerk vorgeschlagen wurde, weiterhin Bestand habe und sie dem Kläger nunmehr zeitnah ein konkretes Angebot von der entsprechenden Reha-Abteilung unterbreiten werde. Der Kläger hat daraufhin erklärt, das Angebot der Beklagten, das auch schon im Bescheid vom 12.5.2020 enthalten gewesen sei, anzunehmen. Das SG hat die Beteiligten im Anschluss darauf hingewiesen, dass sich das Verfahren damit erledigt habe. Das LSG hat die Berufung des Klägers "gegen die Entscheidung/Beschluss/Niederschrift vom 12.5.2023 vom SG Düsseldorf" mit Beschluss vom 22.9.2023 als unzulässig verworfen. Die Voraussetzungen des § 158 Satz 2 SGG seien erfüllt. Die Berufung sei bereits nicht statthaft, weil sie sich nicht gegen ein Urteil oder einen Gerichtsbescheid wende.
Der Kläger hat mit am 28.10.2023 beim BSG eingegangenen Schreiben Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG (Zustellung 29.9.2023) eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Er meint, es würden Verfahrensfehler vorliegen.
II
1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichtsakten ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Die Revision kann nach ordnungsgemäß begründeter Beschwerde nur zugelassen werden, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) ,
- die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) .
a) Dass dem Verfahren des Klägers eine grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte, ist nicht erkennbar. Grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Rechtsvorschrift mit höherrangigem Recht aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Dass solche Fragen hier von Bedeutung sein könnten, ist nicht ersichtlich. Es ergibt sich bereits unmittelbar aus § 143 SGG iVm§ 105 Abs 2 Satz 1 SGG , dass die Berufung nur gegen Urteile und Gerichtsbescheide der Sozialgerichte statthaft ist.
b) Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass das LSG bei seiner Entscheidung einen Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hätte und damit von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen wäre(Zulassungsgrund der Divergenz,§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) .
c) Ebenso wenig ist ein Verfahrensmangel ersichtlich, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann ein geltend gemachter Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
aa) Soweit der Kläger sich dagegen wendet, dass die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss ergangen ist, ist ein Verfahrensmangel nicht erkennbar. Das SGG sieht im Berufungsverfahren - als Ausnahme von der Regel, dass durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden ist( § 153 Abs 1 SGG iVm§ 124 Abs 1 ,§ 125 SGG ) - die vereinfachte Form der Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung allein durch die Berufsrichter vor, wenn die Berufung nicht statthaft oder unzulässig ist(§ 158 SGG ) . Damit hat der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass auch im Berufungsverfahren nicht stets die Notwendigkeit besteht, die aufwändigere Entscheidungsform der mündlichen Verhandlung zu wählen, sondern hat den Berufsrichtern die Möglichkeit eingeräumt, unter bestimmten Voraussetzungen eine vereinfachte Entscheidung im Beschlusswege treffen zu können. Dies dient der Entlastung der Berufungsinstanz und der raschen Erledigung aussichtsloser Berufungen(vglBSG Beschluss vom 10.7.2012 - B 13 R 53/12 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 6 = juris RdNr 15 mwN) . Die Entscheidung steht im Ermessen des Berufungsgerichts(vgl§ 158 Satz 2 SGG ) . Dem entspricht das Vorgehen des LSG. Mangels einer rechtsmittelfähigen Entscheidung des SG in Form eines Urteils oder Gerichtsbescheids(vgl§ 143 SGG ,§ 105 Abs 2 Satz 1 SGG ) , ist die Berufung des Klägers bereits nicht statthaft gewesen, sodass der Anwendungsbereich des § 158 SGG eröffnet gewesen ist. Hierauf hat das LSG den Kläger zunächst mit Verfügung vom 16.8.2023 hingewiesen. Mit Verfügung vom 1.9.2023 hat es den Kläger zu einer beabsichtigten Entscheidung nach § 158 SGG angehört und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Anhaltspunkte, dass das LSG von seinem Ermessen erkennbar fehlerhaft Gebrauch gemacht hat, dh etwa sachfremde Erwägungen oder eine grobe Fehleinschätzung zu Grunde gelegt hat, sind nicht ersichtlich.
bb) Sofern der Kläger beanstandet, das LSG habe sich nicht mit seinen Beweisanträgen(Verletzung der Amtsermittlungspflicht gemäߧ 103 Satz 1 SGG ) auseinandergesetzt, keine Entscheidung nach § 159 Abs 1 Nr 2 SGG getroffen und auch nicht die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage(§ 88 SGG ) geprüft, vermag dies gleichfalls keinen Verfahrensmangel zu begründen. Mangels Statthaftigkeit der Berufung ist das LSG zu einer weiteren Amtsermittlung und einer Sachentscheidung, in deren Rahmen auch prozessordnungsgemäße Beweisanträge zu berücksichtigen sind oder eine Zurückverweisung nach § 159 Abs 1 Nr 2 SGG in Erwägung gezogen werden kann, nicht befugt gewesen. Es konnte vielmehr lediglich ein Prozessurteil erlassen, um das Berufungsverfahren, an dem der Kläger trotz Hinweises des LSG weiter festgehalten hat, zu beenden. Andernfalls läge ein Verfahrensmangel vor. Wird ein Sachurteil statt eines Prozessurteils erlassen oder umgekehrt ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen, so liegt ein Verfahrensmangel vor, weil es jeweils eine qualitativ andere Entscheidung ist(stRspr; BSGE 2, 245, 252 ff; BSG SozR 1500 § 160a Nr 55; P. Becker, SGb 2007, 328, 329 mwN) . Durch das Prozessurteil entsteht dem Kläger kein rechtlicher Nachteil. Die Entscheidung des LSG vom 22.9.2023 über die Verwerfung der Berufung stellt allein bindend fest, dass die Berufung mangels erstinstanzlicher Entscheidung unzulässig ist. Weitergehende Bindungswirkungen (in der Sache selbst) hat sie nicht. Sollte das mittlerweile vom Kläger vor dem SG fortgesetzte Verfahren mit Urteil oder Gerichtsbescheid abgeschlossen werden, stünde es dem Kläger grundsätzlich frei, erneut Berufung einzulegen. Die Rechtskraft der Verwerfungsentscheidung steht dem nicht entgegen.
cc) Die vom Kläger vorgebrachten Mängel, die sich auf das erstinstanzliche Verfahren vor dem SG beziehen (unterbliebene Amtsermittlung, unrichtige Protokollierung), sind unbeachtlich. Da sich die Zulassung der Revision gegen eine Entscheidung des LSG richtet(vgl§ 160 Abs 1 SGG ) , kommen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nur Mängel des Verfahrens vor dem LSG und nicht vor dem SG in Betracht, es sei denn, dass der Verfahrensmangel fortwirkt und damit zugleich einen Mangel des Verfahrens vor dem LSG bildet(vglBSG Beschluss vom 18.1.2023 - B 5 R 50/22 BH - juris RdNr 12 mwN; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160 RdNr 16a mwN) . Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Sollte das SG im fortgesetzten Verfahren zu dem Ergebnis kommen, dass das Verfahren infolge der Erklärungen der Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 12.5.2023 nicht unstreitig beendet worden ist, wird es sich auch mit dem Vorbringen des Klägers, dass die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage erfüllt seien, auseinandersetzen.
dd) Auch könnte der Kläger in einem Beschwerdeverfahren einen entscheidungserheblichen Verstoß gegen die Begründungspflicht(§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG ) nicht darlegen. Ein Urteil ist in diesem Sinne nur dann nicht oder nicht mit ausreichenden Entscheidungsgründen versehen, wenn ihm solche Gründe objektiv nicht entnommen werden können. Dies ist nicht der Fall, wenn das Gericht sich - wie hier - unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung einer bündigen Kürze befleißigt und nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandelt(vgl§ 313 Abs 3 ZPO : "kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht"; vgl auchBSG Beschluss vom 21.6.2022 - B 5 R 71/22 B - juris RdNr 12 mwN) .
ee) Soweit der Kläger eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung rügt, kann darauf eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden(stRspr; vgl zBBSG Beschluss vom 25.3.2021 - B 5 R 288/20 B - juris RdNr 14 mwN) .
d) Da dem Kläger mithin PKH nicht zusteht, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH( § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 121 Abs 1 ZPO ).
2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen ist unzulässig. Die Beschwerde konnte wirksam nur durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist eingelegt werden(§ 73 Abs 4 ,§ 160a Abs 1 Satz 2 SGG ) . Ausnahmen hiervon sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor.
Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des§ 183 Satz 1 ,§ 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16283384 |