Verfahrensgang
SG Lübeck (Entscheidung vom 08.07.2020; Aktenzeichen S 34 U 92/17) |
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 13.06.2022; Aktenzeichen L 8 U 49/20) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. Juni 2022 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu gewähren, wird abgelehnt.
Der Antrag der Klägerin, ihr für das oben genannte Verfahren einen Notanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob Unfallfolgen des am 2.12.2015 erlittenen Arbeitsunfalles festzustellen sind.
Die Beklagte erkannte den am 2.12.2015 von der Klägerin erlittenen Autounfall als Arbeitsunfall an, lehnte jedoch die Feststellung weiter bestehender Unfallfolgen ab (Bescheid vom 6.7.2016 und Widerspruchsbescheid vom 12.7.2017). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 8.7.2020) und das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 13.6.2022).
Die Klägerin hat nach Zustellung des Urteils des LSG an ihre Prozessbevollmächtigten am 6. 7. bzw 8.7.2022 am 5.8.2022 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt, da alle bei ihr bestehenden gesundheitlichen Beschwerden durch den Autounfall vom 2.12.2015 verursacht worden seien. Neben der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat sie umfangreiche Unterlagen eingereicht. Am 8.8.2022 hat sie die Beiordnung eines Not-Rechtsanwalts beantragt und ua Unterlagen über abschlägig beschiedene Anfragen zur Mandatsübernahme bei Rechtsanwälten vorgelegt. Des Weiteren hat sie bezugnehmend auf die Entscheidung des LSG vom 13.6.2022 mit am 24.10.2022 eingegangenem Schriftsatz vom 22.10.2022 Beschwerde eingelegt und diese unter Vorlage weiterer Unterlagen begründet. Schließlich hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 6.2.2023 weitere Unterlagen übersandt.
II
1. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen.
Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, dass ein nach Gewährung von PKH beigeordneter Rechtsanwalt in der Lage wäre, eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit Erfolg einzulegen und zu begründen. Es ist nicht erkennbar, dass Zulassungsgründe iS des § 160 Abs 2 SGG vorliegen könnten.
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher die Zulassung der Revision rechtfertigender Grund ist weder den Ausführungen der Klägerin noch den von ihr eingereichten, umfangreichen Unterlagen aufgrund der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung des Streitstoffes zu entnehmen. Ein Zulassungsgrund ergibt sich auch nicht aus der Durchsicht der Verwaltungsakten der Beklagten und der vorinstanzlichen Gerichtsakten.
So ist nicht ersichtlich, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 1 Nr 1 SGG haben könnte. Dass die Rechtssache klärungsbedürftige und in einem Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung zu den Voraussetzungen für die Feststellung von Unfallfolgen aufwerfen könnte (vgl BSG Beschluss vom 1.12.2022 - B 2 U 194/21 B - juris RdNr 5 mwN), ist nicht erkennbar. Zwar führt die Klägerin aus, aus welchen Gründen sie das Urteil des LSG für unzutreffend hält. Auf eine mögliche unzutreffende Rechtsanwendung allein kann jedoch die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 1.2.2022 - B 9 SB 62/21 B - juris RdNr 10 mwN).
Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Es ist dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen und auch aufgrund des Inhaltes der Akten nicht ersichtlich, dass das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG seiner Entscheidung zugrunde gelegt haben könnte (vgl BSG Beschluss vom 8.12.2016 - B 2 U 123/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 17 juris RdNr 5 mwN).
Aus dem Vorbringen der Klägerin, den von ihr eingereichten Unterlagen sowie dem Inhalt der Akten ergibt sich auch nicht, dass ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen könnte, der zur Zulassung der Revision führen kann. Ein Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zwar legt die Klägerin in ihren Schriftsätzen und den eingereichten Unterlagen ausführlich dar, aus welchen Gründen sie es für erwiesen hält, dass die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen Folgen des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 2.12.2015 sind. Damit wendet sie sich jedoch gegen die Beweiswürdigung durch das LSG und rügt insoweit eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG. Hierauf kann jedoch die Zulassung der Revision nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG gerade nicht gestützt werden. Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG den Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG verletzt haben könnte, indem es einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Dass die Klägerin die Entscheidung der Vorinstanz für falsch hält, geht - wie ausgeführt - über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Rüge eines bloßen Rechtsanwendungsfehlers nicht hinaus (vgl auch BSG Beschlüsse vom 28.6.2022 - B 2 U 181/21 B - juris RdNr 11 mwN; vom 25.5.2020 - B 9 V 3/20 B - juris RdNr 6 und vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen des PKH-Verfahrens (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
2. Auch der Antrag auf gerichtliche Beiordnung eines Notanwalts ist abzulehnen. Gemäß § 78b Abs 1 ZPO hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, wenn sie einen zur ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Diese Vorschrift ist gemäß § 202 Satz 1 SGG auf das Verfahren vor dem BSG wegen des dort geltenden Vertretungszwangs (§ 73a Abs 4 Satz 1 SGG) entsprechend anzuwenden. Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwalts liegen hier nicht vor.
Die Rechtsverfolgung durch eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG erscheint aussichtslos. Aussichtslosigkeit besteht, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann. Diese Einschränkung der gerichtlichen Beiordnung eines Notanwalts soll einen Rechtsanwalt, der die Verantwortung für den Inhalt und die Fassung seiner Schriftsätze trägt, vor einer ihm nicht zumutbaren Vertretung in vornherein aussichtslosen Sachen bewahren. Bei einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision liegt eine solche Aussichtslosigkeit vor, wenn die Voraussetzungen für einen der in § 160 Abs 2 SGG aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision offenbar nicht vorliegen (vgl dazu BSG Beschlüsse vom 4.6.2020 - B 2 U 6/20 BH - juris RdNr 9 und vom 16.3.2022 - B 1 KR 6/20 BH - juris RdNr 6). Die beabsichtigte Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde durch einen Rechtsanwalt ist danach hier aussichtslos, weil - wie oben dargelegt - nicht ersichtlich ist, dass ein Rechtsanwalt diese mit Erfolg begründen könnte. Es kann daher dahinstehen, ob die Klägerin fristgemäß durch Angaben und ggf unter Vorlage entsprechender Korrespondenz hinreichend dargelegt hat, dass sie sich bei mehreren Rechtsanwälten erfolglos um die Übernahme der Vertretung bemüht hat (vgl dazu zB BSG Beschlüsse vom 18.8.2021 - B 2 U 129/21 B - juris RdNr 4 sowie vom 16.10.2007 - B 6 KA 3/07 S - juris RdNr 2).
3. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen.
Die Klägerin kann, worauf sie bereits in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden ist, die Beschwerde wirksam nur durch zugelassene Prozessbevollmächtigte einlegen lassen (§ 73 Abs 4 SGG). Das von der Klägerin privatschriftlich eingelegte Rechtsmittel entspricht mithin nicht der gesetzlichen Form. Die Verwerfung erfolgt durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15702568 |