Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaftliches Unternehmen. Drogentherapie. klärungsbedürftige Rechtsfrage
Orientierungssatz
Das Gesetz stellt für die Prüfung der Frage, ob ein landwirtschaftliches Unternehmen iS von § 776 Abs 1 Nr 1 RVO vorliegt, nicht darauf ab, mit welcher Motivation - etwa aus Gründen der Drogentherapie - der landwirtschaftliche Betrieb ausgeübt wird.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3; RVO § 776 Abs 1 Nr 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Feststellung, daß für den von ihr erworbenen landwirtschaftlichen Hof F in C -S die Beigeladene als Träger der allgemeinen Unfallversicherung und nicht die Beklagte als Träger der landwirtschaftlichen Unfallversicherung der zuständige Unfallversicherungsträger ist, ohne Erfolg geblieben (Bescheide der Beklagten vom 8. Februar, 25. Juli und 8. Oktober 1985, Urteile des Sozialgerichts -SG- vom 16. Januar 1987 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 17. Dezember 1987).
Zur Begründung ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Das LSG verkenne insbesondere, daß mit der Entscheidung wesentliche Interessen der Allgemeinheit berührt würden, weil es um die Frage der Unfallversicherung in der Drogentherapie gehe. Bei dem Hofgut F handele es sich nicht um ein landwirtschaftliches Unternehmen iS des § 776 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO), denn Sinn und Zweck der Einrichtung sei es nicht in erster Linie, einen auf Gewinnerzielung gerichteten gewerblichen Betrieb zu unterhalten, sondern Drogenabhängigen und -gefährdeten ein Leben ohne Drogen und Kriminalität zu lehren.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Grundsätzliche Bedeutung hat das angestrebte Revisionsverfahren nur, wenn der Rechtsstreit sich in seiner Bedeutung nicht in diesem Einzelfall erschöpft, sondern dazu dienen kann, die Rechtseinheit zu wahren oder die Entwicklung des Rechts zu fördern. Das ist dann der Fall, wenn die für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, S 29 mvN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die Beantwortung der vom Beschwerdeführer bezeichneten Rechtsfrage unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen ist, also schon aus sich ohne weiteres zu beantworten ist, ferner wenn die Rechtsfrage überhaupt oder so gut wie unbestritten ist oder wenn sie schließlich revisionsrechtlich bereits ausreichend geklärt ist (BSG SozR 1300 § 13 Nr 1 mwN). Schon das erstere ist hier der Fall.
Nach den Feststellungen des LSG bewirtschaftet die Klägerin das von ihr erworbene Hofgut als typisch landwirtschaftlichen Betrieb weiter. Auf 81 ha Ackerland werden landwirtschaftliche Feldfrüchte (ua Weizen, Gerste, Raps und Ackerbohnen) angebaut und geerntet; ein Teil der Ernte wird selbst verbraucht und der Rest verkauft. Weitere 31,26 ha sind Grünland, das voll für die Viehwirtschaft (23 Stück Milchvieh im Jahre 1985) genutzt wird. Die nicht selbst verbrauchte Milch wird ebenfalls verkauft. Ferner werden auf dem Hofgut mit einer Hof- und Gebäudefläche von 4,61 ha Kleinvieh (Ziegen, Gänse und Hühner) gehalten. Daß bei derartig umfassenden landwirtschaftlichen Tätigkeiten die Klägerin landwirtschaftliche Unternehmerin iS des § 658 Abs 2 Nr 1 iVm § 776 Abs 1 Nr 1 RVO ist, steht mit dem angegriffenen Urteil des LSG außer Frage. Das Gesetz stellt nicht darauf ab, mit welcher Motivation - hier aus Gründen der Drogentherapie - der landwirtschaftliche Betrieb ausgeübt wird. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht hinreichend dargelegt, daß die Art und die Verrichtung der auf dem Hofgut weiterhin anfallenden Arbeiten sich durch die damit unterstützte Therapie so wesentlich von den anderen landwirtschaftlichen Unternehmen unterscheiden, daß deshalb ggf eine andere rechtliche Beurteilung in Betracht käme. Insoweit sind die besonderen Umstände des Einzelfalls entscheidend. Es ist somit auch nicht erkennbar, inwieweit eine klärungsbedürftige Rechtssache iS ihrer Ausführungen vorliegt.
Auch aus der Regelung des § 644 Abs 2 RVO ergibt sich, wie die Beklagte zu Recht hinweist, kein Raum für die von der Beschwerdeführerin als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage. Grundgedanke dieser Vorschrift ist, landwirtschaftliche Betriebe, die über einer bestimmten Mindestgröße (nämlich 5 ha) liegen, unter allen Umständen in der Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft zu belassen (Lauterbach/Watermann, Unfallversicherung, 3. Aufl, § 644 RdNr 9). Auch hier kommt es wiederum nicht darauf an, ob die landwirtschaftlichen Arbeiten durch Drogengefährdete verrichtet werden und als resozialisierend zu werten sind. Durch diese Vorschrift wird eine einheitliche Durchführung der - speziellen - Unfallverhütungsvorschriften der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften ermöglicht; sie gewährleistet eine optimale Unfallverhütung.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen