Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Erfordernis der Darlegung der Zulassungsgründe. Revisionszulassung
Orientierungssatz
Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht dafür vorgesehen, die inhaltliche Richtigkeit des Berufungsurteils erneut umfassend zu überprüfen; erforderlich ist vielmehr allein die Darlegung der Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG, aus denen sich nach Meinung des Beschwerdeführers der Bedarf nach revisionsgerichtlicher Klärung offener bzw unterschiedlich beantworteter Rechtsfragen oder nach Überprüfung behaupteter Verfahrensfehler des LSG ergeben soll.
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nrn. 1-3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die 1938 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Klägerin begehrt - bislang erfolglos - die Erstattung der Kosten (2.901,72 EUR) für eine Operation zur Behandlung ihres Bandscheibenvorfalls mittels epiduraler Wirbelsäulenkathetertechnik nach Prof. Racz. Nachdem die Beklagte ihren Kostenübernahmeantrag im Februar 2003 abschlägig beschieden hatte, ließ die Klägerin die Operation im März 2003 in einem Vertragskrankenhaus in München von den Ärzten Dr. S. und Dr. M. (Narkosearzt) durchführen und beanspruchte sodann Kostenerstattung. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid zurückgewiesen und ausgeführt, es gehe hier um eine stationäre Behandlung, sodass neuartige Verfahren vor einem Einsatz in der Krankenversicherung nicht automatisch mangels Empfehlung in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen bzw des Gemeinsamen Bundesausschusses ausgeschlossen gewesen seien. Zwar sei eine Behandlung der Klägerin notwendig gewesen und habe ausweislich der ärztlichen Verordnung auch die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung bestanden. Zur Behandlung des Bandscheibenvorfalls habe jedoch "eine Vielzahl herkömmlicher, bewährter und anerkannter Verfahren" zur Verfügung gestanden. Die Notwendigkeit, eine Therapie zu wählen, die sich nach der - vom LSG eingeholten - Auskunft des Bundesausschusses noch in einem experimentellen Stadium befinde, sei jedoch nicht gegeben. Die Solidargemeinschaft in der Krankenversicherung müsse es auch nicht tragen, dass die Klägerin Angst vor einer herkömmlichen Operation gehabt habe (Urteil vom 20. April 2004).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung von Revisionszulassungsgründen.
Für den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert und ausgeführt werden, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). An diesen Voraussetzungen richtet sich die Beschwerde nicht aus, sondern stellt losgelöst davon den Sachverhalt aus Klägersicht dar und beanstandet im Wesentlichen die Feststellungen und Wertungen des LSG zu den vermeintlich verfügbar gewesenen Behandlungsalternativen. Dabei wird verkannt, dass das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht dafür vorgesehen ist, die inhaltliche Richtigkeit des Berufungsurteils - an der man zweifeln könnte - erneut umfassend zu überprüfen; erforderlich ist vielmehr allein die Darlegung der Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG, aus denen sich nach Meinung des Beschwerdeführers der Bedarf nach revisionsgerichtlicher Klärung offener bzw unterschiedlich beantworteter Rechtsfragen oder nach Überprüfung behaupteter Verfahrensfehler des LSG ergeben soll. Die Beschwerdebegründung leidet daran, dass schon keine ausdrückliche oder hinreichend klar erkennbare sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage formuliert wird. Es wird im Kern nur geltend macht, die grundsätzliche Bedeutung liege darin, "dass dann, wenn eine herkömmliche anerkannte Heilmethode mit der Gefahr für den Patienten - einer Querschnittslähmung - behaftet ist, diese nicht einer alternativen neuen und wirksamen Methode vorgezogen werden kann". Dabei wird weder auf bereits vorliegende, zum krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsanspruch der Versicherten ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eingegangen noch beachtet, dass in einem Revisionsverfahren grundsätzlich nur von den vom LSG getroffenen Feststellungen ausgegangen werden darf (vgl § 163 SGG). Insoweit enthalten die Ausführungen in der Beschwerdeschrift zur grundsätzlichen Bedeutung aber Prämissen tatsächlicher Art (zB Gefahr der Querschnittslähmung; Überlegenheit der angewandten Behandlungsmethode), die von entsprechenden Feststellungen des LSG nicht gedeckt sind. Der Senat hat bei alledem auch nicht darauf einzugehen, weshalb bei einer stationären Behandlung der Klägerin in einem Vertragskrankenhaus eine Kostentragungspflicht der Beklagten (über die Krankenhauspflegesätze) ausgeschlossen gewesen sein sollte bzw darauf - wie die Beklagte nunmehr geltend macht -, ob hier nicht ohnehin von einer ambulanten belegärztlichen Behandlung auszugehen ist.
Die Klägerin macht ferner als Verfahrensfehler (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend, das LSG sei von Amts wegen zu weiterer Sachaufklärung und Einholung eines Gutachtens zu den Risiken der Behandlungsmethode nach Prof. Racz verpflichtet gewesen. Dieses Vorbringen berücksichtigt nicht die beschränkte Zulässigkeit von Sachaufklärungsrügen. Wird - wie hier - eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) gerügt, muss mit Blick auf § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ausgeführt werden, dass sich der Verfahrensmangel auf einen "Beweisantrag" bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Insoweit hätte konkret dargelegt werden müssen, dass im Verfahren formelle Beweisanträge gestellt und vor der abschließenden Entscheidung des LSG bei den Schlussanträgen aufrecht erhalten geblieben sind (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 12 und Nr 29; ausführlich: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl 2002, Kap IX RdNr 130, 209 mwN). Vortrag dazu fehlt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen