Verfahrensgang
SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 14.03.2018; Aktenzeichen S 3 R 2661/17) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 15.11.2019; Aktenzeichen L 4 R 1584/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. November 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Erhebung eines Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) ab 1.1.2017 in Höhe von 6,04 Euro monatlich. Ab diesem Zeitpunkt gewährte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg dem Kläger Regelaltersrente, von der sie ua den Zusatzbeitrag abzog (Bescheid vom 7.11.2016; Widerspruchsbescheid vom 20.6.2017). Die dagegen gerichtete Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben (Urteil des SG Freiburg vom 14.3.2018; Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 15.11.2019). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat weder den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hinreichend dargelegt noch den gerügten Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) den gesetzlichen Anforderungen entsprechend bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung vom 20.2.2020 nicht.
Der Kläger misst folgender Frage eine grundsätzliche Bedeutung bei:
"Verstößt § 242 SGB V in seinen Absätzen 1 und 2 gegen Art. 14 Abs. 1 GG und gegen Art. 19 Abs. 4 GG?"
a) Damit ist schon keine Rechtsfrage zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Eine Rechtsfrage ist so konkret zu formulieren, dass sie als Grundlage für die Darlegung der weiteren Merkmale der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit, Breitenwirkung) geeignet ist (Voelzke in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGG, 1. Aufl 2017, § 160a SGG RdNr 97). Wird ein Verfassungsverstoß geltend gemacht, genügt es nicht, nach der Vereinbarkeit einer Vorschrift des Bundesrechts an sich zu fragen. Die Rechtsfrage muss vielmehr derart klar formuliert sein, dass deutlich wird, welche konkrete Regelung des einfachen Rechts als mit der Verfassung nicht in Einklang stehend erachtet wird. Daran fehlt es hier.
b) Unabhängig davon ist auch die notwendige Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Wird mit der Beschwerde die Frage nach einem Grundrechtsverstoß aufgeworfen, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG, im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der infrage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des GG zu benennen (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - juris RdNr 9 mwN; BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 24.5.2017 - B 1 KR 79/16 B - juris RdNr 7 mwN).
Der Kläger rügt die Verletzung des Art 14 Abs 1 GG, ohne sich mit der vom LSG in Bezug genommenen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG hinreichend auseinanderzusetzen. Der Senat hat mit Urteilen vom 21.1.2009 (B 12 R 1/07 R - juris) und 18.7.2007 (B 12 R 21/06 R - BSGE 99, 19 = SozR 4-2500 § 241a Nr 1) ausgeführt, dass Versicherte durch die alleinige Tragung des zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrags nicht in ihrem Eigentumsgrundrecht verletzt sind, weil für die Inhalts- und Schrankenbestimmung legitimierende Gründe bestehen. Die gegen die zuerst genannte Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG Beschluss vom 3.6.2014 - 1 BvR 79/09 ua - SozR 4-2600 § 68 Nr 4). Die Urteile betrafen zwar die bis zum 31.12.2008 geltende Regelung des § 241a SGB V, wonach für Mitglieder ein zusätzlicher Beitragssatz in Höhe von 0,9 vH galt. Eine Rechtsfrage ist aber auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden ist, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Dass sich die zu Art 14 Abs 1 GG aufgeworfene Frage nicht anhand der genannten Urteile beantworten lässt, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Abgesehen davon setzt sich der Kläger auch nicht mit der Ausprägung der Eigentumsgarantie an sich durch das BVerfG auseinander.
Auch soweit der Kläger einen Verstoß gegen Art 19 Abs 4 GG darin sieht, dass die Rechtsweggarantie verletzt sei, weil die Krankenkassen die Befugnis hätten, aufgrund einer Prognose die Beiträge zu erhöhen, legt der Kläger nicht dar, dass es Rechtsprechung des Senats zu dieser Frage noch nicht gebe. Er rügt insoweit die Beitragsfestsetzung im Satzungswege und macht geltend, es fehle an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage, ohne sich mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Festsetzung der Höhe von Beiträgen durch Satzung auseinanderzusetzen, die die Beitragsfestsetzung als Ausfluss des Rechts auf Selbstverwaltung einer Krankenkasse qualifiziert (vgl BSG Beschluss vom 28.9.2010 - B 1 SF 1/10 R - SozR 4-1500 § 51 Nr 9 RdNr 19 zu § 242 SGB V in der ebenfalls die Festsetzung im Satzungswege statuierenden Fassung vom 26.3.2007, BGBl I 378) und im Grundsatz auch verfassungsrechtlich nicht beanstandet hat (vgl zB BSG Urteil vom 22.6.2010 - B 1 A 1/09 R - BSGE 106, 199 = SozR 4-2500 § 53 Nr 1, RdNr 26-27; vgl auch BVerfG Beschluss vom 28.5.2008 - 1 BvR 2257/06 - SozR 4-2500 § 240 Nr 11 zur Festsetzung von Beiträgen im Satzungswege bei freiwillig Versicherten nach § 240 SGB V). Die Behauptung, dass es nach § 242 SGB V nunmehr in der Hand der Krankenkassen liege, die Höhe des Zusatzbeitrags festzulegen und hierdurch der Willkür und der Selbstbedienung der Krankenkassen Tür und Tor geöffnet worden sei, ersetzt die erforderliche Auseinandersetzung nicht. Aus ihr ergibt sich nicht, weshalb hier andere (verfassungsrechtliche) Maßstäbe gelten sollen.
2. Auch einen entscheidungserheblichen Verfahrensfehler bezeichnet der Kläger nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise.
a) Er behauptet, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, weil es im Berufungsurteil zu den Ausführungen in der Berufungsbegründung vom 4.5.2017, "die im Übrigen analytisch betrachtet logisch und in höchstem Maße nachvollziehbar" seien, "kaum eine rechtliche Erörterung" gebe. Insoweit seien die Entscheidungsgründe "fast nichts". Den an die Darlegung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu stellenden Anforderungen genügt der Kläger mit diesen Ausführungen nicht, weil er nicht - wie aber erforderlich - detailliert darlegt, welches konkrete Vorbringen vom LSG übergangen worden sein soll, und dass sich das vorinstanzliche Gericht auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung mit dem Vorbringen hätte auseinandersetzen müssen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 697 mwN). Das Recht auf rechtliches Gehör gebietet nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, es verpflichtet sie aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen, ihn also zu "erhören" (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN).
b) Schließlich betrachtet es der Kläger als verfahrensfehlerhaft, dass das LSG die Revision nicht zugelassen hat. Dieser behauptete Verfahrensmangel kann nur mit einer Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden. Eine solche hat der Kläger - wie dargelegt - nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise erhoben.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14069903 |