Verfahrensgang
SG Magdeburg (Entscheidung vom 26.09.2016; Aktenzeichen S 46 R 715/11) |
LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 16.01.2020; Aktenzeichen L 1 R 443/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. Januar 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten und höherer Entgeltpunkte (EP) für bestimmte Zeiträume bei der Berechnung der dem Kläger ab Mai 2011 bewilligten Altersrente für langjährig Versicherte. Das SG hat, nachdem die Beklagte ein vom Kläger angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben hatte, die Klage im Übrigen abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.9.2016). Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 16.1.2020). Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er rügt Verfahrensmängel und beruft sich zudem auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG formgerecht begründet wurde. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht.
a) Der Kläger rügt zunächst, das LSG habe die von ihm vorgelegten Nachweise (Abschlusszeugnisse, Zeugenerklärung) über die Höhe des Arbeitsentgelts sowie die Beitragszahlung für den Zeitraum seiner Lehre als Elektromonteur bei gleichzeitigem Besuch der Erweiterten Oberschule (1.9.1962 bis 31.8.1966) unter Verletzung der Vermutungsregelung in § 286c Satz 1 iVm § 248 Abs 3 Satz 1 SGB VI nicht anerkannt; auf diesem Verfahrensfehler beruhe die Entscheidung des LSG. Mit diesem Vorbringen macht der Kläger keinen Verfahrensmangel des LSG auf dem Weg zu seiner Entscheidung (sog "error in procedendo") iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, sondern die inhaltliche Fehlerhaftigkeit von dessen Entscheidung geltend (sog "error in iudicando"). Das Behaupten eines Fehlers in der materiellen Rechtsanwendung ist jedoch nicht geeignet, die Revisionszulassung zu eröffnen (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 14.2.2019 - B 9 SB 51/18 B - juris RdNr 31 mwN; BSG Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 8).
b) In diesem Zusammenhang beanstandet der Kläger zudem, das LSG habe seine Verpflichtung zur Amtsermittlung (§ 103 SGG) verletzt, weil es die Rentenakte der von ihm als Zeugin angebotenen Frau B. von der DRV Bund nicht beigezogen habe. Auch dieses Vorbringen enthält keine ordnungsgemäße Bezeichnung eines Verfahrensmangels, weil es keinen auf diese Amtsermittlung bezogenen Beweisantrag wiedergibt, dem das LSG nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG). Für die auf denselben Sachverhalt gestützte Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) fehlt es an jeglicher Begründung. Im Übrigen hat das LSG im Urteil vom 16.1.2020 ausgeführt, dass das vom Kläger ab 1.9.1963 bezogene Lehrlingsentgelt nach den einschlägigen Bestimmungen der DDR nicht sozialversicherungspflichtig gewesen und schon deshalb eine Beitragszahlung hierfür nicht glaubhaft gemacht sei.
c) Auch die weitere Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die von ihm ursprünglich in der Klageschrift vom 20.5.2011 geltend gemachte Berücksichtigung höherer EP (West) für seine Grundwehrdienstzeit in der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA - 1.11.1966 bis 30.4.1968) ist nicht schlüssig dargetan. Der Kläger trägt insoweit vor, das LSG habe zu der von ihm angesprochenen "verfassungsrechtlichen Problematik" in seinem Urteil nicht Stellung genommen und auf dieser Gehörsverletzung beruhe seine Entscheidung. Er zeigt jedoch nicht auf, weshalb das LSG unter Zugrundelegung des von ihm zuletzt in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags, der ausdrücklich nur noch die Zeiträume vom 1.9.1962 bis zum 31.8.1966, vom 1.9.1968 bis zum 31.8.1971 sowie vom 1.7. bis zum 31.12.1990 umfasste, hierzu hätte Stellung nehmen müssen (s dazu auch den anwaltlichen Schriftsatz vom 17.12.2014 im erstinstanzlichen Verfahren, mit dem die Klage auf bestimmte Zeiträume beschränkt wurde).
d) Soweit der Kläger auch hinsichtlich der Zeiträume 1.9.1968 bis 31.7.1971 (Studium der Ingenieurpädagogik als vom väterlichen Handwerksbetrieb delegierter "Werkstudent") bzw 1.7. bis 31.12.1990 (Inhaber eines elektromechanischen Betriebs) einen Verfahrensmangel darin begründet sieht, dass das LSG mit seiner ablehnenden Entscheidung § 286b iVm § 248 Abs 3 SGB VI verletzt habe, gilt das oben zu a) Ausgeführte entsprechend. Soweit sich die Rüge für den Zeitraum 1.7. bis 31.12.1990 auch auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht erstreckt, ist wiederum ein entsprechender Beweisantrag gegenüber dem Berufungsgericht nicht dargelegt (s oben unter b). Die bloße Behauptung, das LSG hätte weitere tatsächliche Umstände ermitteln müssen, reicht nach der ausdrücklichen Anordnung in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG für die ordnungsgemäße Darlegung einer Verletzung des § 103 SGG von vornherein nicht aus.
2. Der Kläger hat auch eine grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht ausreichend dargelegt. Eine Rechtssache hat nur dann iS dieser Vorschrift grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Daran fehlt es hier.
a) Der Kläger hält folgende Frage für klärungsbedürftig:
"Kann ein (Werk-)Stipendium, das einem Studierenden einer Fachschule monatlich vom delegierenden Betrieb in Höhe von etwa 80 % des Anfangsgehalts eines Absolventen einer Fachschule der DDR nach Rahmenkollektivvertrag zusätzlich zum staatlichen Stipendium der DDR gezahlt wurde, einen anderen Tatbestand im Sinne des § 248 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB VI darstellen und somit Beitragszeiten begründen?"
Er trägt selbst vor, das BSG habe in seinen Urteilen vom 31.7.1997 (4 RA 22/96 - juris RdNr 19 bzw 4 RA 76/96 - juris RdNr 16) bereits bestätigt, dass die Regelung in § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB VI der Anrechnung eines Zeitraums der Schul-, Fach- oder Hochschulausbildung als Beitragszeit dann nicht im Wege stehe, wenn die Ausbildung in ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis integriert war oder neben der Ausbildung eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt oder ein anderer eine Beitragszeit begründender Tatbestand erfüllt war. Er meint, mit der Wendung "ein anderer eine Beitragszeit begründender Tatbestand" habe das BSG einen unbestimmten Rechtsbegriff eröffnet, dessen Anwendungsbereich höchstrichterlich noch nicht geklärt sei. Er habe zusätzlich zum staatlichen Stipendium vom väterlichen Handwerksbetrieb ein Werkstipendium erhalten, welches mit zusätzlichen Pflichten gegenüber dem delegierenden Betrieb verbunden gewesen sei; zu klären sei, ob dies einen "sonstigen Tatbestand(es)" darstelle.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger den Inhalt der genannten Entscheidungen des BSG vom 31.7.1997 zutreffend einordnet. Jedenfalls hat er die Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage nicht ausreichend dargetan. Er setzt sich insbesondere nicht mit der Präzisierung im Urteil des Senats vom 30.8.2000 (B 5/4 RA 87/97 R - juris RdNr 28) auseinander. Dort hat der Senat den "anderen eine Beitragszeit begründenden Tatbestand", der neben einer Schul-, Fach- oder Hochschulausbildung zur Anwendung kommen kann, dahingehend umschrieben, dass "Sozialversicherungsbeiträge zwar während, aber nicht aufgrund der Ausbildung gezahlt worden sind". Hierzu hat das LSG festgestellt, dass der Kläger neben seinem Studium nicht zugleich anderweitig gearbeitet oder in einem beitragspflichtigen Beschäftigungs- oder betrieblichen Ausbildungsverhältnis gestanden habe. Der abgeschlossene Studienfördervertrag habe lediglich eine Verpflichtung des Betriebes begründet, dem Kläger in der studienfreien Zeit die Teilnahme an Praktika zu ermöglichen, sowie die Verpflichtung des Klägers, diese Möglichkeiten auch zu nutzen. Weshalb auf dieser Grundlage ein weiterer Bedarf nach höchstrichterlicher Klärung bestehen könnte, erläutert der Kläger nicht. Schließlich zeigt er auch nicht konkret auf, inwiefern der von ihm aufgeworfenen Frage über seinen Einzelfall hinaus Bedeutung zukommen könnte; allein die pauschale Behauptung, dass dem so sei, genügt nicht.
b) Soweit der Kläger als weitere Frage von grundsätzlicher Bedeutung die von ihm gerügte Verletzung von "Art 3 und Art 14 GG" aufgrund einer unterschiedlichen rentenrechtlichen Bewertung von Wehrdienstzeiten in der NVA einerseits und der Bundeswehr andererseits anführt, hat er bereits die Klärungsfähigkeit dieser Frage im vorliegenden Verfahren nicht dargetan (s auch die Ausführungen oben unter 1 c). Offenbleiben kann daher, ob die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG hinreichend begründet worden ist (zu möglichen rechtfertigenden Gründen für die unterschiedliche Behandlung vgl Diel in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 256a RdNr 214, Stand Oktober 2018).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14048092 |