Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Mai 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen. Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Solche Zulassungsgründe sind nach summarischer Prüfung des Streitstoffs auf der Grundlage des Inhalts der Gerichtsakten sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht erkennbar.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Dies ist hier nicht der Fall. Das LSG hat auf den Antrag des Klägers, das Berufungsverfahren fortzuführen, entschieden, dass das Verfahren durch den Vergleich vom 14.7.2021 beendet worden sei. Es ist bereits höchstrichterlich geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein gerichtlicher Vergleich wirksam zustande kommt (etwa BSG vom 7.7.2020 - B 12 KR 18/18 R - juris RdNr 12) und unter welchen Voraussetzungen er erfolgreich angefochten werden kann (etwa BSG vom 7.7.2020 - B 12 KR 18/18 R - juris RdNr 13 ff, 19). Ob diese Voraussetzungen jeweils vorliegen, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalles, wirft aber keine grundsätzlichen Rechtsfragen auf.
Es ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Entgegen der Auffassung des Klägers hat das LSG keinen von der Rechtsprechung des BSG abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt. Vielmehr befindet es sich in Einklang mit den Maßstäben, die in den vom Kläger angeführten Urteilen des BSG enthalten sind.
Nach Aktenlage ist schließlich nicht ersichtlich, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Dies gilt insbesondere für die vom Kläger behaupteten Verfahrensmängel. Entgegen der Auffassung des Klägers muss die ihm zugestellte Abschrift des Urteils des LSG nicht die handschriftlichen Unterschriften der Berufsrichter enthalten, sondern die Abschrift ist von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen (§ 137 Satz 1 SGG), wobei die Unterschrift des Urkundsbeamten maschinell ersetzt werden darf (§ 63 Abs 2 SGG iVm § 169 Abs 3 ZPO; vgl BSG vom 31.8.2021 - B 5 R 21/21 BH - juris RdNr 8; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 137 RdNr 2); dies ist hier geschehen. Allerdings muss die Abschrift die Unterschriften der Berufsrichter maschinenschriftlich wiedergeben (BSG vom 17.12.1997 - 9 BV 122/97 - juris RdNr 10). Auch dies ist hier der Fall. Selbst ein Verstoß gegen § 137 Satz 1 SGG würde aber nicht die Wirksamkeit des Urteils infrage stellen, sondern allenfalls die Wirksamkeit der Zustellung des Urteils (BSG vom 24.7.2019 - B 5 R 31/19 B - juris RdNr 18). Dass in der LSG-Akte ebenfalls nur eine beglaubigte Abschrift des Urteils enthalten ist, begründet ebenso keinen Verfahrensmangel. Es ist zulässig, Originalurteile außerhalb der Gerichtsakte aufzubewahren (BSG vom 18.5.2015 - B 9 V 73/14 B - juris RdNr 6; BSG vom 19.8.2019 - B 14 AS 183/18 B - juris RdNr 5).
Es kann dahinstehen, ob eine unzutreffende Beurteilung der Wirksamkeit des Vergleichsschlusses oder der Unwirksamkeit der Anfechtung durch das LSG in jedem Fall einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG darstellen kann. Denn es ist nicht ersichtlich, dass dem LSG insofern Fehler unterlaufen sind. Der Vortrag des Klägers ist im Übrigen widersprüchlich, weil er zum einen behauptet, die protokollierte Erklärung gar nicht abgegeben zu haben ("Fälschung" des Protokolls), andererseits aber geltend macht, zur Anfechtung dieser Erklärung aufgrund Irrtums berechtigt zu sein.
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass das LSG den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt hätte. Dass das LSG der Rechtsauffassung des Klägers nicht gefolgt ist, stellt keine Gehörsverletzung dar. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass der Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört" wird (zuletzt BSG vom 1.6.2022 - B 9 SB 7/22 B - juris RdNr 10 mwN). Auch lässt sich eine Überraschungsentscheidung nicht feststellen (zu den Maßstäben zusammenfassend zuletzt BSG vom 1.7.2022 - B 4 AS 14/22 BH - juris RdNr 6 mwN). Da der Kläger mit seinem Begehren auf Fortführung des Berufungsverfahrens selbst die Unwirksamkeit des Vergleichsschlusses geltend gemacht hat, musste er damit rechnen, dass das LSG alle hierfür in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen prüfen würde.
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Burkiczak |
Fundstellen
Dokument-Index HI15581706 |