Verfahrensgang
SG Bremen (Entscheidung vom 06.04.2021; Aktenzeichen S 31 R 296/20) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 06.04.2022; Aktenzeichen L 12 R 48/21) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 6. April 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für eine dreijährige Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement.
Die im Jahr 1974 geborene Klägerin war zuletzt als Verkäuferin im Einzelhandel versicherungspflichtig beschäftigt. Ihr im November 2017 gestellter Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hatte im Klageverfahren Erfolg. Das SG verpflichtete die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Verwaltungsentscheidung, über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (Gerichtsbescheid vom 2.8.2018). Daraufhin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 23.9.2019 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach. Mit Bescheid vom 29.4.2020 lehnte die Beklagte die Förderung einer von der Klägerin konkret beantragten dreijährigen Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, Leistungen zur beruflichen Wiedereingliederung sollten nicht länger als zwei Jahre dauern. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2020).
Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 6.4.2021). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und einen Anspruch der Klägerin auf einen konkret begehrten Eingliederungszuschuss zugunsten des Ausbildungsbetriebs und auf Zahlung von Übergangsgeld verneint. Teilhabeleistungen eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung würden nach dessen pflichtgemäßem Ermessen entsprechend der Eignung, Neigung, bisherigen Tätigkeit sowie der Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bestimmt. Ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null liege nicht vor (Urteil vom 6.4.2022).
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht als Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Beschwerdebegründung legt keinen Zulassungsgrund in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dar. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Die Klägerin hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend vorgetragen. Eine Rechtssache hat nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§ 162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 21.10.2021 - B 5 RS 10/21 B - juris RdNr 5).
Die Klägerin stellt als Frage von grundsätzlicher Bedeutung:
"Kann aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 9 Absatz 1 SGB IX die Ermessensreduzierung auf Null angenommen werden aufgrund des bestehenden Wunsch- und Wahlrechts eines Leistungsbeziehers, welches sich auch aus Art. 12 GG ableiten lässt?"
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin damit eine aus sich heraus verständliche abstraktgenerelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert. Zweifel bestehen deshalb, weil sich aus der Frage schon nicht ergibt, auf welche Ermessensvorschrift sich die Klägerin konkret bezieht. Soweit es ihr sinngemäß um Klärung der Frage geht, welche Bedeutung dem Berufswunsch eines Versicherten bei Auswahl der Leistungen zur Teilhabe durch den Rentenversicherungsträger nach § 16 Satz 1 SGB VI iVm § 49 Abs 4 SGB IX zukommt, zeigt sie jedenfalls einen bestehenden (abstrakten) Klärungsbedarf nicht hinreichend auf.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht diese zwar noch nicht ausdrücklich beantwortet hat, jedoch bereits Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 28.10.2020 - B 12 KR 65/20 B - juris RdNr 9 mwN). In ihrer Beschwerdebegründung führt die Klägerin aus, das öffentliche Leistungsrecht sei im Zweifel zugunsten der Berufsfreiheit auszulegen und dürfe nur begrenzt berufslenkend wirken. Die Klägerin zitiert dazu zwar einschlägige Rechtsprechung des BSG, lässt aber unbeachtet, dass auch unter Berücksichtigung des Grundrechts der Berufsfreiheit die Verwaltung einem der Eignung entsprechenden Berufswunsch, der nur in einer länger als zwei Jahre dauernden Ausbildung zu erreichen ist, nicht immer entsprechen muss (vgl BSG Urteil vom 3.7.1991 - 9b/7 RAr 142/89 - BSGE 69, 128 = SozR 3-4100 § 56 Nr 3 S 13). Darüber hinaus wären weitere Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage auch im Hinblick darauf erforderlich gewesen, dass die Neigung eines Leistungsbeziehers nach § 49 Abs 4 SGB IX bei Auswahl der Leistungen "angemessen" zu berücksichtigen ist. § 53 SGB IX enthält zudem Regelungen zur Dauer von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Auch dazu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
Mit ihrem Vorbringen, der im Urteil des LSG dargestellte Sachverhalt und Verfahrensablauf sei falsch und nicht vollständig wiedergegeben, hat die Klägerin auch keinen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hinreichend bezeichnet. Zur Begründung einer möglichen Verletzung des § 136 Abs 1 Nr 5, Abs 2 SGG muss vorgetragen werden, dass die Fehler, die dem LSG bei der Abfassung des Tatbestands unterlaufen sein sollen, im Hinblick auf die Funktion des Tatbestands auch schwerwiegend sind (vgl BSG Beschluss vom 22.3.2022 - B 7/14 AS 393/21 - juris RdNr 9). Die Beschwerdebegründung enthält dazu keine Ausführungen.
Soweit die Klägerin darüber hinaus geltend macht, sie erfülle alle Anspruchsvoraussetzungen für die begehrten Teilhabeleistungen, wendet sie sich gegen eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der Berufungsentscheidung. Darauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 20.10.2021 - B 5 R 230/21 B - juris RdNr 6 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Düring Gasser Körner
Fundstellen
Dokument-Index HI15471111 |