Leitsatz (amtlich)

Eine Berufung, mit der ein Anspruch nach BVG § 41 Abs 3 idF des 1. NOG KOV weiterverfolgt wird, betrifft die Höhe der Ausgleichsrente und ist nach SGG § 148 Nr 4 unzulässig.

 

Normenkette

BVG § 41 Abs. 3 Fassung: 1960-06-27; SGG § 148 Nr. 4 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt vom 8. September 1965 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin bezieht Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Das Versorgungsamt lehnte ihren Antrag auf Erhöhung der Ausgleichsrente gemäß § 41 Abs. 3 BVG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) ab. Das Vorverfahren hatte keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat zur Frage der wirtschaftlichen Betroffenheit der Klägerin im Sinne des § 41 Abs. 3 BVG Beweis erhoben und die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit dem oben bezeichneten Urteil die Berufung der Klägerin gegen das Urteil erster Instanz als unzulässig verworfen und die Auffassung vertreten, daß es sich bei dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Erhöhung der Ausgleichsrente nach § 41 Abs. 3 BVG um einen Streit über die Höhe der Ausgleichsrente im Sinne des § 148 Nr. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) handele. Gegen dieses der Klägerin am 16. September 1965 zugestellte Urteil hat sie mit einem am 29. September 1965 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom 28. September 1965 Revision eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Da das LSG die Revision nicht gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen hat und im vorliegenden Fall eine Gesetzesverletzung bei der Anwendung der in der Kriegsopferversorgung (KOV) geltenden Kausalitätsnorm im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG nicht in Betracht kommt, weil das LSG nicht über den ursächlichen Zusammenhang einer Gesundheitsstörung oder des Todes mit einer Schädigung im Sinne des BVG entschieden hat, wäre die Revision nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt wird und vorliegt (BSG 1, 150). Das ist hier jedoch nicht der Fall.

In ihrer Revisionsbegründung vom 28. September 1965, auf die Bezug genommen wird, rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie trägt hierzu vor, das LSG hätte eine Sachentscheidung treffen müssen, weil der Berufungsausschließungsgrund des § 148 Nr. 4 SGG nicht gegeben sei. Bei der Frage, ob der Klägerin die erhöhte Ausgleichsrente gemäß § 41 Abs. 3 BVG zustehe, sei nicht die Höhe der Ausgleichsrente, sondern - wie der vorliegende Fall beweise - der Grund dieser Erhöhung, nämlich die Frage der wirtschaftlichen Betroffenheit der Witwe durch den Tod ihres Ehemannes streitig. Müsse aber über diesen Grund entschieden werden, so falle dieser Streit nicht unter § 148 Nr. 4 SGG. Diese Auffassung geht fehl.

Nach § 148 Nr. 4 SGG ist die Berufung ausgeschlossen, wenn sie die Höhe der Ausgleichsrente betrifft. Das BSG hat hierzu entschieden, daß ein Streit über die Höhe der Ausgleichsrente im Sinne dieser Vorschrift auch dann vorliegt, wenn die Berechnung der Ausgleichsrente streitig ist (BSG 1, 62). Dagegen ist die Berufung dann nicht gem. § 148 Nr. 4 SGG ausgeschlossen, wenn sie nicht die rechnerisch zu ermittelnde Höhe der Ausgleichsrente, sondern den Grund der Ausgleichsrente betrifft (BSG 3, 124 (127); 8, 79 (86); SozR SGG § 148 Nr. 9). Im vorliegenden Fall wäre also die Berufung der Klägerin, mit der sie einen Anspruch nach § 41 Abs. 3 BVG i. d. F. des 1. NOG weiterverfolgte, nur dann statthaft gewesen, wenn die Berufung den Grund des Ausgleichsrentenanspruchs oder einen von der Höhe der Witwenausgleichsrente völlig unabhängigen selbständigen Anspruch betraf. Dies war aber nicht der Fall.

Nach § 41 Abs. 3 BVG "erhöht sich die volle Ausgleichsrente des Abs. 2 auf 150,- Deutsche Mark", wenn die Witwe durch den Verlust ihres Ehemannes wirtschaftlich besonders betroffen ist. Der Anspruch besteht also in einer "Erhöhung" der Ausgleichsrente und setzt voraus, daß eine Ausgleichsrente gezahlt wird. Dieser Wortlaut des Gesetzes läßt es nicht zu, den in der angezogenen Vorschrift normierten Anspruch als einen gesonderten und neben der Ausgleichsrente bestehenden Anspruch anzusehen. Zwar dient diese Erhöhung der Witwenausgleichsrente ebenso wie der Berufsschadensausgleich bei Beschädigten gemäß § 30 Abs. 3 BVG dem sozialen Ausgleich besonders schwerer wirtschaftlicher Folgen, die durch Gesundheitsstörungen bzw. den Verlust des Ehemannes eingetreten sind, jedoch hat das Gesetz diesen Schadensausgleich bei Beschädigten und Witwen unterschiedlich geregelt. Während dem Beschädigten zum Ausgleich nach § 30 Abs. 3 BVG neben der Grund- und Ausgleichsrente ein selbständiger Anspruch, der Anspruch auf einen "Berufsschadensausgleich" zusteht, hat die Witwe bei wirtschaftlichem Betroffensein zum Ausgleich einen Anspruch auf Erhöhung der vollen Ausgleichsrente um DM 50,-. Mag somit auch mit der Regelung in § 30 Abs. 3 und in § 41 Abs. 3 BVG insofern die gleiche Absicht verfolgt worden sein, nämlich einen Ausgleich bei besonderem wirtschaftlichen Betroffensein durch die Folgen des Krieges zu gewähren, so läßt doch die unterschiedliche Gestaltung dieses Ausgleichs es nicht zu, in dem durch § 41 Abs. 3 BVG geschaffenen Anspruch etwa deshalb einen selbständigen und von der Ausgleichsrente gesonderten Anspruch zu sehen, weil die entsprechende Regelung des Ausgleichs bei Beschädigten im § 30 Abs. 1 BVG zur Schaffung eines selbständigen Anspruchs geführt hat.

Die Begründung zu der dem jetzigen § 41 Abs. 3 BVG entsprechenden § 40 Abs. 3 des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der KOV (BT-Drucks. 1239, 3. Wahlperiode des Deutschen Bundestages) deutet gleicherweise darauf hin, daß es sich bei dem Anspruch auf Erhöhung der Witwenausgleichsrente bei einer besonderen wirtschaftlichen Betroffenheit nicht um einen neben der Ausgleichsrente zu gewährenden selbständigen Anspruch der Witwe handeln sollte. Die Erhöhung sollte danach nämlich gerade denjenigen Witwen zugute kommen, die nur ein geringes oder kein auf die Ausgleichsrente anrechenbares Einkommen im Sinne des § 41 Abs. 4 BVG haben. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin gibt der schriftliche Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (22. Ausschuß, BT-Drucks. 1828, 3. Wahlperiode des Deutschen Bundestages) keine Anhaltspunkte dafür, daß die Erhöhung nach § 41 Abs. 3 BVG als ein besonderer, neben der Ausgleichsrente nach § 41 Abs. 2 BVG bestehender Anspruch der wirtschaftlich betroffenen Witwe angesehen wurde. Vielmehr bestand schon bei der Vorberatung der Neuregelung der KOV im 22. Ausschuß des Deutschen Bundestages über eine "Berufsschadenszulage" und den Ausgleich eines wirtschaftlichen Schadens bei Witwen die Meinung, daß dem Beschädigten eine "Berufsschadenszulage" als neuer selbständiger Anspruch gewährt werden sollte, während bei wirtschaftlich besonders betroffenen Witwen nur ein Sozialausgleich stattfinden sollte (Protokoll des 22. Ausschusses des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode vom 1. Oktober 1958).

Der Anspruch der Witwe auf Erhöhung der Ausgleichsrente gemäß § 41 Abs. 3 BVG ist demnach kein selbständiger Anspruch der Witwe neben der Grund- und Ausgleichsrente, sondern ein Anspruch, der auf eine Erhöhung der vollen Ausgleichsrente gerichtet ist. Ein Streit um diesen Anspruch geht also um die Höhe der Ausgleichsrente, so daß die Berufung gem. § 148 Nr. 4 SGG unzulässig ist, wenn sie diesen Anspruch betrifft.

Ein Streit über den Anspruch nach § 41 Abs. 3 BVG ist auch nicht ein Streit um den Grund des Ausgleichsrentenanspruchs, wie dies die Klägerin unter Hinweis auf die Entscheidungen in BSG 1, 62; 3, 124; 8, 79 meint, in denen zwischen einem Streit über die Höhe des Ausgleichsrentenanspruchs und einem Streit über den Grund des Ausgleichsrentenanspruchs unterschieden und für den letztgenannten Fall die Berufung für zulässig erachtet wird. Die Klägerin, die dazu vorbringt, daß ebenso wie in den angezogenen Entscheidungen auch bei einem Streit über einen Anspruch nach § 41 Abs. 3 BVG nur eine Vorfrage zu klären sei, nämlich die, ob die Witwe wirtschaftlich besonders betroffen ist, verkennt, daß in den angezogenen Entscheidungen als Streit um den Grund der Ausgleichsrente immer nur ein Streit um die allgemeine Voraussetzung für die Gewährung der Ausgleichsrente schlechthin angesehen wurde, nie aber ein Streit um eine Voraussetzung, von der lediglich die Höhe der Ausgleichsrente abhängt. Schon im Hinblick darauf, daß der Anspruch nach § 41 Abs. 3 BVG die Gewährung einer Ausgleichsrente voraussetzt, muß gefolgert werden, daß es sich bei dem Streit um die Erhöhung der Ausgleichsrente gem. § 41 Abs. 3 BVG nicht um einen Streit über den Grund der Ausgleichsrente im Sinne der erwähnten Entscheidungen handeln kann. Vielmehr muß gerade auch im Hinblick auf die erwähnten Entscheidungen ein Streit um den Anspruch nach § 41 Abs. 3 BVG als ein Streit um die Höhe der Ausgleichsrente angesehen werden. Der erkennende Senat hat insbesondere in seiner Entscheidung vom 12. August 1958 (BSG 8, 79, 80) hinsichtlich der Erhöhung der Ausgleichsrente eines Schwerbeschädigten nach § 32 Abs. 3 Satz 1 BVG in der Fassung vor dem 1. NOG ua ausgesprochen, daß die Erhöhung nach dieser Vorschrift nur ein Bestandteil der Ausgleichsrente ist. Wenn die allgemeinen Voraussetzungen des Anspruchs auf Ausgleichsrente gem. § 32 Abs. 1 BVG erfüllt seien, so könne jeder weitere Streit um die Ausgleichsrente nur ein Streit über ihre Höhe sein. Selbst wenn die Erhöhung der Ausgleichsrente von der Beantwortung bestimmter sachlich-rechtlicher Fragen abhänge, so handele es sich dabei dann immer nur um Voraussetzungen, die für die Höhe der Ausgleichsrente bestimmend seien. Das trifft auch zu, soweit das besondere wirtschaftliche Betroffensein der Witwe Voraussetzung für die Erhöhung der Ausgleichsrente gem. § 41 Abs. 3 BVG ist. Die Frage, ob die Witwe im Sinne dieser Bestimmung wirtschaftlich durch den Verlust ihres Ehemannes besonders betroffen ist, stellt nur eine sachlich-rechtliche Vorfrage im Rahmen des Streites über die Höhe der Ausgleichsrente dar. Betrifft aber - wie im vorliegenden Fall - die Berufung einen solchen Streit über die Höhe der Ausgleichsrente im Sinne des § 148 Nr. 4 SGG, so ist es unerheblich, welche sachlich-rechtlichen Vorfragen im Rahmen dieses Streites beantwortet werden müssen und welche rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten diese Beantwortung aufgibt. Das geht aus Sinn und Zweck der Berufungsausschließungsgründe hervor. Durch die §§ 144 bis 149 SGG werden Fälle von rechtlich oder wirtschaftlich minderer Bedeutung rechtliche oder wirtschaftliche Bagatellsachen von der Berufung ausgenommen. Schließt das Gesetz die Berufung wegen der geringen rechtlichen Bedeutung des Streitfalles aus, so zB in § 148 Nr. 1 SGG, so ist es für die Frage der Zulässigkeit unerheblich, ob der Streit wirtschaftlich von Bedeutung ist, weil allein die Rechtsfrage nach dem Gesetz nicht hinreichend bedeutsam ist, um sie in jedem Falle der Berufungsinstanz zuzuführen. Ist andrerseits die Berufung wegen der geringen wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtsstreits ausgeschlossen, so in den Fällen des § 148 Nr. 2 bis 4 SGG, so muß sie folgerichtig unzulässig bleiben, auch wenn innerhalb dieses Rechtsstreits etwa bedeutungsvolle Rechtsfragen zu beantworten sind. Nur über eine Zulassung gem. § 150 Nr. 1 SGG wäre die Berufung in solchem Falle statthaft.

Da der von der Klägerin mit der Berufung geltend gemachte Anspruch gemäß § 41 Abs. 3 BVG die Höhe der Ausgleichsrente im Sinne des § 148 Nr. 4 SGG betraf, war die Berufung unzulässig. Das LSG hat daher § 148 Nr. 4 SGG nicht verletzt, wenn es die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen hat.

Die Rüge der Klägerin einer Verletzung materiellen Rechts, nämlich des § 41 Abs. 3 BVG, führt nicht zur Statthaftigkeit der Revision, da es sich insoweit nicht um die Rüge eines wesentlichen Verfahrensmangels im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG handelt.

Der von der Klägerin gem. § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügte wesentliche Mangel im Verfahren des LSG greift somit nicht durch. Da die Statthaftigkeit der Revision auch aus anderen Gründen nicht herzuleiten ist, war sie als unzulässig zu verwerfen.

Der Beschluß ergeht gem. § 169 SGG, die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324352

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