Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensmangel. Verletzung rechtlichen Gehörs. Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen. Lückenhaftigkeit eines einzelnen Gutachtens. Unerheblichkeit bei Beurteilung der Verletzung durch mehrere Sachverständige
Orientierungssatz
Die mögliche Lückenhaftigkeit eines einzelnen Gutachtens reicht nicht aus, um die Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen zu begründen, wenn das Gericht seiner Entscheidung - wie hier - die Beurteilung mehrer Sachverständiger zu Grunde gelegt hat.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 103
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger begehrt Versorgungsrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen der Folgen eines am 20. September 1991 auf dem Heimweg von der Dienststelle erlittenen Verkehrsunfalls. Dieses Begehren lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 16. August 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1994 ab. Auch die Klage (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut ≪SG≫ vom 21. Februar 2002) und Berufung (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 28. August 2003) sind ohne Erfolg geblieben.
Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Durch die in erster und zweiter Instanz des sozialgerichtlichen Verfahrens eingeholten drei Gutachten der Dres. F., B. und K. auf orthopädischem und neurologisch/psychiatrischem Gebiet habe weder der Nachweis erbracht werden können, dass der Kläger durch den streitgegenständlichen (leichten) Auffahrunfall einen dauerhaften Gesundheitsschaden erlitten, noch dass dieser Primärschaden die geltend gemachten Gesundheitsstörungen mit Wahrscheinlichkeit verursacht habe. Dieses Ergebnis werde auch durch die gutachterliche Stellungnahme des Rechtsmediziners Prof. Dr. M. vom 20. Oktober 1998 gestützt, der das - im Wege des Urkundenbeweises - verwertete Gutachten von Prof. Dr. E. vom 6. Oktober 1993 bestätigt habe. Dr. K. habe im Gutachten vom 9. April 2003 festgestellt, dass der Unfall im September 1991 beim Kläger nicht zu einem nennenswerten Körperschaden geführt habe, insbesondere habe demnach keine Halswirbelsäulen-Distorsionsverletzung bzw kein HWS-Schleudertrauma vorgelegen. Diese Feststellung sei durch das orthopädische Gutachten des Sachverständigen Dr. F. vom 16. März 1998 sowie das nervenärztliche Gutachten des Sachverständigen Dr. B. vom 1. November 2001 bestätigt worden. Dr. B. habe auch im Hinblick auf die vom Kläger geäußerte allgemeine Gefühlsminderung des gesamten rechten Arms - inclusive aller Finger - keine verwertbaren neurologischen Normabweichungen festgestellt. Sämtliche gerichtlichen Sachverständigen hätten sich der verletzungsmechanischen Betrachtung von Prof. Dr. M. bzw von Prof. Dr. E. angeschlossen. Danach habe es sich um einen Bagatellunfall mit kollisionsbedingter Geschwindigkeitsänderung des Kraftfahrzeugs des Klägers im Bereich von 5 bis 10 km/h gehandelt. Die gerichtlichen Sachverständigen hätten auch der Mitteilung des Bundeswehrkrankenhauses U. im Arztbrief vom 13. Juni 1994 widersprochen, wonach ein linksseitiger flacher Bandscheibenvorfall C 5/C 6 als Hauptursache für die geklagten Schmerzen im Bereich des Nackens, der rechten Schulter und des rechten Armes anzusehen sei. Für die vom Bundeswehrkrankenhaus zusätzlich angenommene Läsion des Armplexus rechts fehlten ebenfalls nach wie vor objektive Nachweise. Den im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. August 2003 gestellten Beweisanträgen des Klägers auf Einholung eines biomechanischen Gutachtens von Dr. L. und eines neurologischen Gutachtens von Prof. Dr. S. sei nicht zu folgen, da der Sachverhalt in biomechanischer und neurologischer Hinsicht durch die vorliegenden Sachverständigengutachten ausreichend geklärt sei. Nachdem vom SG bereits ein neurologisches Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. B. eingeholt worden sei, habe es keinen Anlass zur nochmaligen neurologischen Begutachtung gegeben. Das Gutachten eines Technikers wie Dr. L. sei auf der Grundlage von § 109 SGG nicht einzuholen.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Er macht Verfahrensfehler geltend.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Soweit der Kläger geltend macht, das LSG habe § 103 SGG verletzt, indem es seinem Antrag auf Einholung eines biomechanischen Gutachtens von Dr. L. ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei, liegt kein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vor.
Das LSG hat zu der Frage der biomechanischen Unfallvorgänge insbesondere ausgeführt, die gerichtlichen Sachverständigen hätten sich der "verletzungsmechanischen Betrachtung" von Prof. Dr. M. bzw von Prof. Dr. E. angeschlossen. Die in den beiden Tatsacheninstanzen eingeholten drei Gutachten der Dres. F., B. - und K. auf orthopädischem und neurologischem/psychiatrischem Gebiet - würden in dieser Hinsicht durch die gutachtliche Stellungnahme des Rechtsmediziners Prof. Dr. M. gestützt, der das im Urkundenbeweis verwertete Gutachten von Prof. Dr. E. bestätigt habe. Unter diesen Umständen musste sich das LSG in biomechanischer Hinsicht nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen.
Das Beschwerdevorbringen des Klägers ist nicht geeignet, die insoweit tragenden Erwägungen des LSG zu erschüttern. Er trägt dazu lediglich vor, "zu diesem Punkt" (nämlich ob die von ihm geschilderten Beschwerden unter biomechanischen Gesichtspunkten als unfallbedingt angesehen werden können) habe im Laufe des gesamten Rechtsstreits lediglich der Gutachter Dr. F. Stellung genommen. Prof. Dr. M. habe mit Erklärung vom 20. Oktober 1998 mitgeteilt, er fühle sich nicht kompetent festzustellen, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit die Gesundheitsstörungen des Klägers auf den Unfall vom 20. September 1991 zurückzuführen seien. Damit stellt der Kläger nicht in Frage, dass die "verletzungsmechanische Betrachtung von Prof. Dr. M. bzw von Prof. Dr. E." Grundlage sämtlicher gerichtlicher Sachverständiger gewesen ist. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum das LSG nicht davon ausgehen konnte, Prof. Dr. M. habe zwar die gestellte Beweisfrage nach unfallbedingten Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet nicht beantworten können, sich aber für eine Beurteilung aus traumatomechanischer Sicht kompetent gefühlt.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, eine Verletzung der rechten Schulter habe sich durchaus einstellen können, da sein PKW - was namentlich der Sachverständige Dr. F. nicht beachtet habe - mit so genannten Hosenträgergurten ausgestattet gewesen sei, setzt er sich nicht damit auseinander, dass das LSG diesen Vortrag berücksichtigt hat (vgl S 8 des Urteilsabdrucks). Darüber hinaus wird nicht deutlich, warum das LSG nach Auswertung der ihm vorliegenden verletzungsmechanischen Beurteilungen nicht zu der Ansicht gelangen konnte, dass es angesichts der geringen Aufprallwirkung auf die genaue Art des Sicherheitsgurtes nicht ankomme. Immerhin reichte nach der insoweit maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung des LSG die bloße Möglichkeit einer Schulterverletzung nicht aus. Im übrigen sind die vom Kläger angegebenen rechtsseitigen Schmerzen Gegenstand eingehender Darlegungen des LSG gewesen (vgl insbesondere S 17 der Urteilsgründe des LSG).
Das weitere Argument des Klägers, das LSG habe die Begutachtung durch Dr. L. nur am Maßstab des § 109 SGG scheitern lassen, übersieht, dass das LSG vorrangig eine Beweiserhebung nach § 106 SGG verneint hat.
2. Auch die weitere Rüge des Klägers hinsichtlich der Unterlassung einer Begutachtung auf neurologischem Fachgebiet hat keinen Erfolg. Dessen in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, zum Kausalzusammenhang der Armplexusschädigung von dem Neurologen Prof. Dr. S. (Stadtkrankenhaus H.) ein Gutachten einzuholen, hat das LSG im Hinblick auf die bereits vorliegenden nervenärztlichen Sachverständigengutachten abgelehnt. Es hat sich dafür vor allem auf das erstinstanzlich von Dr. B. nach § 109 SGG erstattete neurologische Gutachten gestützt und weiter ausgeführt, es seien keine besonderen Umstände für die Notwendigkeit einer nochmaligen neurologischen Begutachtung gegeben.
Der Hinweis des Klägers darauf, das orthopädische Gutachten von Dr. K. sei insoweit lückenhaft und auf entscheidende Fragen (Vorliegen einer Armplexusschädigung, Verschiebung eines Bandscheibenvorfalls) nicht eingegangen, verfehlt den Ansatzpunkt des LSG und ist deshalb nicht geeignet, dessen Begründung in Frage zu stellen. Die mögliche Lückenhaftigkeit eines einzelnen Gutachtens reicht nicht aus, um die Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen zu begründen, wenn das Gericht seiner Entscheidung - wie hier - die Beurteilung mehrerer Sachverständiger zu Grunde gelegt hat. Gerade soweit es um das neurologische Fachgebiet geht, hat sich das LSG eingehend mit dem Fachgutachten des Sachverständigen Dr. B. vom 1. November 2001 auseinander gesetzt, und zwar auch hinsichtlich der Beschwerden an der rechten oberen Extremität. Inwieweit gleichwohl weiterer Aufklärungsbedarf auf neurologischem Fachgebiet bestehen könnte, erschließt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen