Verfahrensgang
LSG für das Land Brandenburg (Urteil vom 21.02.1996) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 21. Februar 1996 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Versorgungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.
Der Beklagte hat den Antrag der Klägerin abgelehnt. Ihr Widerspruch blieb erfolglos. Das Sozialgericht (SG) hat nach Beiziehung der Strafakten das beklagte Land verurteilt, der Klägerin Versorgung nach dem OEG wegen der Folgen der am 9. Juli 1990 begangenen Gewalttat zu gewähren. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat nicht feststellen können, daß die von der Klägerin geltend gemachte gesundheitliche Schädigung auf einem tätlichen Angriff beruht. Es hat ua festgestellt, daß der Schädiger die Klägerin nicht von der in Frankfurt/Main gelegenen Kaimauer gestoßen hat und die Klägerin nicht, wie diese behauptet, in panischer Angst wegen der zeitlich vorangegangenen Tätlichkeit des Schädigers noch vor Betreten des am Mainufer gelegenen „Eisernen Steges” auf die Mauer geklettert und anschließend abgestürzt oder gesprungen ist.
Die Revision hat das LSG nicht zugelassen. Mit der Beschwerde macht die Klägerin geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, wegen Abweichung der Entscheidung des LSG von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und vorliegender Verfahrensfehler zuzulassen.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klägerin hat ihre Beschwerde u.a. darauf gestützt, das Urteil des LSG weiche von den Entscheidungen des BSG (BSGE 49, 98, 103 und Urteil vom 24. September 1992 – 9a RVg 5/91 –) ab, weil das LSG die Grundsätze des BSG über den OEG-rechtlichen Zusammenhang für die Frage, ob ein tätlicher Angriff gegen sie – die Klägerin – vorgelegen habe, nicht beachtet habe, insbesondere nicht von einem einheitlichen Lebensvorgang ausgegangen sei, sondern die vorangegangene Mißhandlung und die spätere Aggressivität des Schädigers voneinander getrennt habe. Insoweit hat sie die Abweichung nicht gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet. Zur Bezeichnung einer Abweichung ist nämlich kenntlich zu machen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegt. Zu diesem Zweck muß die Beschwerdebegründung die konkrete rechtliche Aussage herausarbeiten, die der Entscheidung des LSG zugrunde liegt und diese den rechtlichen Aussagen gegenüberstellen, die die Entscheidung des BSG tragen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 67; ständige Rechtsprechung). Dem entspricht die Begründung der Klägerin nicht, denn sie hat keinen abstrakten, die Entscheidung tragenden Rechtssatz des LSG angeführt, der einem abstrakten Rechtssatz des BSG in den genannten Urteilen entgegensteht. Sie rügt vielmehr pauschal und unter Wiedergabe des Sachverhalts, wie er sich entgegen den Feststellungen des LSG nach ihrer Auffassung abgespielt hat, nur die unrichtige Anwendung von Grundsätzen des BSG über den OEG-rechtlichen Zusammenhang unter Bezugnahme auf den in den genannten Urteilen zu entscheidenden, jeweils besonders gelagerten Sachverhalt (Aussetzung eines hilfloses 83jährigen Mannes; Mord an der Tochter der Klägerin – Schockschaden mit nachfolgender Depression) durch das LSG. Sie weist damit allenfalls auf einzelfallbezogene Auslegungen des Begriffs „tätlicher Angriff” hin.
Die Klägerin hat auch die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie mindestens eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder – fortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht – bedürftig und fähig ist. Es muß daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angegeben werden, welche Rechtsfragen sich stellen, daß diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb ihre Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und daß das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten läßt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; § 160a Nr 65; SozR 3-1500 § 160 Nr 8; ständige Rechtsprechung). Diesen Anforderungen ist hier nicht genügt. Ob die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen konkret genug sind, bedarf keiner Erörterung, denn selbst wenn man dies ihrem Vorbringen entnehmen könnte, fehlt es an der Darlegung ihrer Klärungsbedürftigkeit. Dafür ist unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG vorzutragen, daß das BSG hierzu entweder noch keine Entscheidung gefällt hat oder durch schon vorliegende Urteile die aufgeworfene Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 65), und zwar unter Auseinandersetzung mit höchstrichterlichen Entscheidungen, auch solchen, die zur Auslegung vergleichbarer Regelungen anderer Rechtsgebiete ergangen sind (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Nicht nur dazu, sondern auch zu der weiteren Voraussetzung, daß die Fragen über den Einzelfall hinaus Bedeutung haben, fehlt es an einem entsprechenden Vortrag. Die Entscheidung in einem Revisionsverfahren kann in einer die Allgemeinheit berührenden Weise das Recht nämlich nur dann fortentwickeln und vereinheitlichen, wenn sich die Rechtsfrage als solche in der Rechtspraxis in einer Vielzahl von Fällen stellt. Daß der Ausgang des Rechtsstreits auch für andere Personen von Interesse ist, genügt nicht (vgl BVerwG, 31.7.1970, Buchholz 235.16 § 5 LBesG Niedersachsen Nr 1 und 1.10.81, 436.0 § 40 BSHG Nr 9). Einzelfälle oder nur gelegentlich auftauchende Vergleichsfälle rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Daß es anders liegt, hat die Klägerin nicht dargelegt.
Soweit die Klägerin die Beschwerde auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln stützt (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Ein solcher Verfahrensmangel muß dadurch iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet werden, daß die ihn vermeintlich begründenden Tatsachen im einzelnen (schlüssig) dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 SGG (Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärungspflicht) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. An derartigen Darlegungen fehlt es indessen.
Mit ihren Ausführungen greift die Klägerin die Richtigkeit der Feststellungen des LSG und damit zugleich die vorgenommene Beweiswürdigung an. Sie rügt einen Verstoß gegen Denkgesetze und eine Verletzung objektiven Beweisrechts unter Berufung auf das Urteil des Senats vom 12. (nicht 10.) Dezember 1995 – 9 RVg 6/95. Soweit sie die Beweiswürdigung angreift, sind derartige Rügen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch ausgeschlossen. Soweit sie die Richtigkeit von Feststellungen bzw daraus gezogene Schlußfolgerungen in Frage stellt, hätte die Klägerin für die Behauptung, das LSG habe Denkgesetze verletzt, überdies vortragen müssen, daß aus dem festgestellten Sachverhalt nur eine einzige Schlußfolgerung hätte gezogen werden dürfen, jede andere aber nicht denkbar sei. Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nämlich nicht schon dann vor, wenn ein Gericht eine falsche Folgerung gezogen hat, etwa eine von mehreren möglichen Folgerungen für richtig gehalten hat oder wenn der Schluß nicht zwingend gewesen ist (vgl Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 5. Aufl 1993, § 128 RdNr 12 mwN).
Entspricht die Beschwerdebegründung mithin nicht den gesetzlichen Anforderungen, ist sie in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen