Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 13.04.2022; Aktenzeichen L 2 SO 2796/21)

SG Ulm (Entscheidung vom 11.08.2021; Aktenzeichen S 13 SO 1265/21)

 

Tenor

Die Beschwerden der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. April 2022 werden als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Im Streit sind Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

Die Kläger sind verheiratet. Der an Demenz leidenden Klägerin ist seit 1.10.2020 der Pflegegrad 4 zuerkannt; sie ist in einem Seniorenstift untergebracht. Ihr Antrag auf Hilfe zur Pflege ist vom Beklagten unter Hinweis auf vorhandenes Vermögen iHv ca 95 000 Euro abgelehnt worden (Bescheid vom 9.12.2020; Widerspruchsbescheid vom 29.4.2021). Die Klage, mit der vorgebracht worden ist, das Vermögen sei im Wesentlichen dem Kläger zuzuordnen, ist erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ≪SG≫ Ulm vom 11.8.2021; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 13.4.2022). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Klage des Klägers sei mangels Beschwer unzulässig; die angefochtenen Bescheide richteten sich nur an die Klägerin. Diese habe wegen fehlender Hilfebedürftigkeit keinen Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII. Ein Härtefall liege nicht vor.

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden. Sie machen die grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend. Die Berücksichtigung von zur Altersabsicherung und zur Vorsorge für Notfälle angesparten Vermögens des Klägers begegne durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerden ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Kläger haben die Frage aufgeworfen, ob § 19 Abs 3 SGB XII mit höherrangigem Recht vereinbar ist, wenn festgelegt werde, "dass bei Prüfung eines Antrags auf Sozialleistungen erworbenes Vermögen des Ehegatten uneingeschränkt und ohne jede Ausnahme zu berücksichtigen" sei. Insoweit fehlt es schon an jeder Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG, in welchen Fällen überhaupt innerhalb einer Einsatzgemeinschaft dem nicht pflegebedürftigen Ehegatten der Einsatz seiner Mittel zu Gunsten des Pflegebedürftigen zuzumuten ist (§ 19 Abs 3 SGB XII iVm § 90 SGB XII; insbesondere zur Beurteilung der Härte in solchen Fällen etwa BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R - RdNr 22; BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 20/06 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 15 f mwN).

Es fehlt aber auch an einer hinreichenden den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Darlegung der abstrakten Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage. Die Kläger haben sich nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auseinandergesetzt, wonach der soziale Rechtsstaat darauf angewiesen ist, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen tatsächlich Bedürftigkeit vorliegt (BVerfG vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353 = SozR 4-4200 § 9 Nr 15, RdNr 39; BVerfG vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68 = NZS 2020, 13, RdNr 124) und dass insbesondere zwischen einander unterhaltspflichtigen (§§ 1360 ff Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫) Ehegatten ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (vgl BVerfG vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3; BVerfG vom 16.6.1987 - 1 BvL 4/84 ua - BVerfGE 75, 382 = SozR 4100 § 138 Nr 16). Welche Fragen sich über die damit entwickelten Rechtsgrundsätze hinaus noch stellen sollten, wird mit der Beschwerdebegründung nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Krauß

Bieresborn

Luik

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15523903

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