Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstand einer Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 1 SGG
Orientierungssatz
1. Gegenstand einer Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 1 SGG ist grundsätzlich nur die Bescheidung eines Antrags und nicht die Prüfung der materiellen Voraussetzungen eines Anspruchs oder die Bewilligung einer Leistung (vgl BSG vom 26.8.1994 - 13 RJ 17/94 = BSGE 75, 56 = SozR 3-1500 § 88 Nr 2).
2. Verurteilt werden kann daher auch nur zur Bescheidung, nicht aber zur Gewährung der beantragten Leistung oder des sonstigen materiellen Gegenstands des Antrags; eine Untätigkeitsklage kann somit auch nicht zur Verurteilung in der Sache ohne Durchführung eines Vorverfahrens führen (vgl BVerfG vom 3.3.2011 - 1 BvR 2852/10 = BVerfGK 18, 360).
3. Mit ihr kann also keinesfalls die Verurteilung auf Erlass eines Verwaltungsakts mit einem bestimmten Inhalt begehrt werden (vgl BSG vom 8.12.1993 - 14a RKa 1/93 = BSGE 73, 244 = SozR 3-1500 § 88 Nr 1).
Normenkette
SGG § 73a Abs. 1 S. 1, § 88 Abs. 1, § 131 Abs. 3, §§ 160, 160a; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 23.06.2014; Aktenzeichen L 6 R 405/13) |
SG Koblenz (Urteil vom 23.08.2013; Aktenzeichen S 10 R 1062/11) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundessozialgericht gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Juni 2014 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin S. aus K. beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 23.6.2014 hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz - nach Anhörung der Beteiligten - die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) Koblenz vom 23.8.2013 als unzulässig verworfen. Für ihre Berufung fehle der Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Beklagte sei vom SG in dem mit der Berufung angefochtenen Urteil im Rahmen der dort erhobenen Untätigkeitsklage bereits verurteilt worden, den Antrag der Klägerin vom Dezember 2008 auf Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation zu bescheiden. Sie habe daher bereits im erstinstanzlichen Verfahren genau das erlangt, was sie mit ihrem Berufungsantrag nunmehr erneut begehre. Es bestehe vorliegend auch kein gesondertes Bedürfnis, die Beklagte nochmals auf den ihr im Rahmen einer Entscheidung über einen Rehabilitationsantrag gemäß § 9 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch zustehenden Ermessensspielraum hinzuweisen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass sie diesen kenne und nutze. Der in Ausführung des SG-Urteils ergangene, die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ablehnende Bescheid der Beklagten vom 10.3.2014 sei nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens gemäß § 153 Abs 1 iVm § 96 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geworden.
Mit einem von ihr persönlich unterzeichneten Schreiben vom 10.7.2014, beim Bundessozialgericht (BSG) am selben Tag per Telefax eingegangen, hat die Klägerin das zulässige Rechtsmittel, mithin Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen LSG-Beschluss eingelegt und zugleich Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. aus K. gestellt. Sie beruft sich auf Verfahrensmängel.
II. 1. Der PKH-Antrag der Klägerin ist abzulehnen.
Gemäß § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 Zivilprozessordnung kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier nicht der Fall.
Es kann dahinstehen, ob im Fall der Klägerin die strengen Voraussetzungen für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil (vgl §§ 160, 160a SGG) überhaupt erfüllbar sind. Denn die hinreichende Erfolgsaussicht ist bei der Gewährung von PKH für die Nichtzulassungsbeschwerde nicht allein danach zu beurteilen, ob die Beschwerde Aussicht auf Erfolg hat. Vielmehr ist PKH auch dann zu versagen, wenn klar auf der Hand liegt, dass der Antragsteller letztlich nicht erreichen kann, was er mit dem Prozess erreichen will. PKH hat nicht den Zweck, Bedürftigen die Durchführung solcher Verfahren zu ermöglichen, welche im Ergebnis nicht zu ihrem Vorteil ausgehen können, die also ein vernünftiger Rechtsuchender nicht auch auf eigene Kosten führen würde (BSG SozR 3-6610 Art 5 Nr 1, stRspr).
Auf die Untätigkeitsklage der Klägerin hat das SG die Beklagte verurteilt, den Antrag der Klägerin vom Dezember 2008 auf Gewährung von medizinischen Rehabilitationsleistungen zu bescheiden. Selbst wenn man den im Berufungsverfahren gestellten Antrag der Klägerin bei interessegemäßer Würdigung ihres Vorbringens dahingehend auslegen wollte, dass sie vom LSG zusätzlich ein Bescheidungsurteil iS des § 131 Abs 3 SGG des Inhalts begehrt habe, dass die Beklagte nach Rechtsauffassung des Gerichts vom Vorliegen der Eingangsvoraussetzungen für die beanspruchte Reha-Leistung auszugehen habe, hätte sie mit ihrem Begehren schon im Hinblick auf den beschränkten Streitgegenstand einer Untätigkeitsklage keinen Erfolg haben können. Denn Gegenstand einer Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 1 SGG ist grundsätzlich nur die Bescheidung eines Antrags und nicht die Prüfung der materiellen Voraussetzungen eines Anspruchs oder die Bewilligung einer Leistung (BSGE 75, 56, 58 = SozR 3-1500 § 88 Nr 2 S 12 f; Wolff/Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 88 RdNr 1; Binder in Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 88 RdNr 4). Verurteilt werden kann daher auch nur zur Bescheidung, nicht aber zur Gewährung der beantragten Leistung oder des sonstigen materiellen Gegenstands des Antrags; eine Untätigkeitsklage kann somit auch nicht zur Verurteilung in der Sache ohne Durchführung eines Vorverfahrens führen (BVerfGK 18, 360, 364). Mit ihr kann also keinesfalls - wie von der Klägerin hier in der Sache erstrebt - die Verurteilung der Beklagten auf Erlass eines Verwaltungsakts mit einem bestimmten Inhalt begehrt werden (BSGE 73, 244, 247 = SozR 3-1500 § 88 Nr 1 S 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 88 RdNr 9, 12).
2. Die von der Klägerin persönlich erhobene Beschwerde ist bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht von einem gemäß § 73 Abs 4 SGG beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach dieser Vorschrift zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf ist die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Berufungsentscheidung hingewiesen worden.
3. Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen