Entscheidungsstichwort (Thema)
Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit
Orientierungssatz
Zur Frage des Unfallversicherungsschutzes bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers, hier die Feststellung der Blutalkoholkonzentration durch eine nachträglich durchgeführte Harnalkoholuntersuchung.
Normenkette
RVO § 548 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Kläger sind mit ihrem Begehren auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach ihrem am 17. August 1984 im Sultanat Oman bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten Ehemann und Vater teilweise ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 21. Mai 1985; zusprechendes Urteil des Sozialgerichts vom 24. Mai 1988, die Klage teilweise abweisendes Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 14. August 1990). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Rechtsstreit durch die Rücknahme der Berufung erledigt sei, soweit Sterbegeld, Überbrückungsgeld und Erstattung der Überführungskosten im Streit gewesen seien. Im übrigen hat das LSG unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abgewiesen, weil der Unfall des Versicherten allein wesentlich auf nicht betriebsbedingte Alkoholbeeinflussung zurückzuführen sei. Der Versicherte sei bei einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von mindestens 1,3 %o absolut fahruntüchtig gewesen. Damit sei die ebenfalls vorliegende grundsätzlich versicherte Wegegefahr derart in den Hintergrund gedrängt, daß die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit als die allein wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen sei.
Mit der hiergegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger geltend, das angefochtene Urteil weiche von Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) ab, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung und das Urteil beruhe auf Verfahrensfehlern (§ 160 Abs 2 Nrn 1 bis 3 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Die Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung verlangen diese Vorschriften, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47, 54 und 58). Daran fehlt es der Beschwerde zu allen geltend gemachten Zulassungsgründen.
1. Die Kläger meinen, das LSG sei mit dem angefochtenen Urteil
von den vom BSG aufgestellten Grundsätzen zur Frage des Unfallversicherungsschutzes bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers abgewichen. Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann ausreichend begründet, wenn erklärt wird, mit welchem konkreten, entscheidungserheblichen und damit tragenden Rechtssatz das angegriffene Urteil von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29 und 54). Einen in diesem Sinne abweichenden und tragenden Rechtssatz des angefochtenen Urteils haben die Kläger jedoch nicht aufgezeigt. Das LSG ist vielmehr auf dem Wege der im Beschwerdeverfahren nicht nachprüfbaren Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG) zu der Überzeugung gelangt, daß beim Versicherten im Unfallzeitpunkt eine BAK von mindestens 1,57 %o vorlag. Dazu hat es festgestellt, daß beim Versicherten in Oman eine BAK von 2,27 %o gemessen worden sei, diese Messung zutreffe und der Versicherte trotz des - eingeschränkten Alkoholverbots - die Gelegenheit gehabt habe, alkoholische Getränke auch in größeren Mengen zu sich zu nehmen. Auch sei nicht anzunehmen, daß die beim Versicherten entnommene Blutprobe nachträglich verfälscht worden sei. Die Richtigkeit dieses Meßergebnisses werde schließlich auch durch das Ergebnis der in Deutschland durchgeführten Harnalkoholuntersuchung mit einer Harnalkoholkonzentration (HAK) von 3,27 %o bestätigt. Von dieser HAK könne rechnerisch auf eine BAK von 1,57 %o geschlossen werden. Dementsprechend ist das LSG - unter Beachtung auch der von den Klägern angeführten Rechtsprechung des BSG (s insbesondere BSGE 43, 293, 294; vgl auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 487m/n, jeweils mwN) zu der Überzeugung gelangt, daß der Versicherte im Unfallzeitpunkt absolut fahruntüchtig gewesen sei und diese alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit seinen Tod wesentlich verursacht habe.
Die weiteren in diesem Zusammenhang von den Klägern erhobenen Rügen (das LSG habe sich zB nicht mit den Aussagen von Kollegen auseinandergesetzt, der Versicherte habe nur "gelegentlich mal ein Bier getrunken" und die Unfallstelle sei wegen der Witterungsverhältnisse im Unfallzeitpunkt wegen des Monsunregens und der Nachtzeit sehr unübersichtlich gewesen) betreffen die Beweiswürdigung durch das LSG, auf die, wie bereits erwähnt, eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden kann.
2. Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision ferner zuzulassen,
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 106). Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen werden, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht - ausreichend - geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Die Kläger sehen es als grundsätzlich bedeutsam an, "ob allein aus einer Urinalkoholkonzentration auf eine bestimmte Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt der Entnahme einer Blutprobe oder zum Unfallzeitpunkt zuverlässig zurückgerechnet werden kann." Diese Frage ist jedoch für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht klärungsbedürftig. Denn, wie bereits erörtert, hat das LSG es gerade nicht "allein" auf die HAK abgestellt.
3. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen,
wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
Soweit sich die Kläger darauf berufen, sie hätten in der Sitzung vom 23. Januar 1990 einen Antrag nach § 109 SGG auf Anhörung von Prof. Dr. B gestellt, dem das LSG nicht entsprochen habe, ist diese Rüge unschlüssig. Sie kann schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG die Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG gestützt werden kann.
Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht des LSG) kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160 Abs 2 Satz 3 SGG der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Im vorliegenden Fall fehlt es an der schlüssigen Darlegung auch dieses Zulassungsgrundes, insbesondere an dem Vorhandensein eines entsprechenden Beweisantrags. Die Kläger haben zwar im Termin am 23. Januar 1990 neben dem Sachantrag hilfsweise beantragt, den Sachverständigen Prof. Dr. B zu hören. Das Berufungsgericht ist aber nach einer ergänzenden Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. H (s dessen Gutachten vom 24. April 1990) diesem Antrag nicht gefolgt. Dies konnten die Kläger sowohl dem am Ende der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 1990 verkündeten Beschluß auf Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. H als auch aus der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 14. August 1990 entnehmen. Die Kläger hätten deshalb in der maßgebenden mündlichen Verhandlung am 14. August 1990 ihren Beweisantrag nochmals zumindest hilfsweise zu dem Sachantrag stellen müssen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger keine Beweisanträge, sondern lediglich Anträge zur Sache gestellt. Dazu hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß es jedenfalls rechtskundig vertretenen Beteiligten obliegt, in der dem Urteil vorangehenden maßgeblichen mündlichen Verhandlung alle diejenigen Anträge zur Niederschrift des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll (s ua Beschluß des Senats vom 8. Januar 1990 - 2 BU 196/89 - mwN). Es ist der Sinn der erneuten Antragstellung, zum Schluß der mündlichen Verhandlung auch darzustellen, welche Anträge nach dem Ergebnis der für die Entscheidung maßgeblichen letzten mündlichen Verhandlung noch abschließend gestellt werden, mit denen sich das LSG dann im Urteil befassen muß, wenn es ihnen nicht folgt.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen