Leitsatz (amtlich)
Eine von den Revisionskläger entgegen der Vorschrift des SGG § 166 persönlich eingelegte Revision ist auch dann unzulässig, wenn die Revisionsbegründung fristgerecht von einem zugelassenen Prozeßbevollmächtigten eingereicht worden ist.
Normenkette
SGG § 164 Fassung: 1953-09-03, § 166 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts in München vom 19. Juli 1954 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der am 8. Juli 1952 eingelegte Rekurs der Revisionsklägerin gegen das Urteil des Bayerischen Oberversicherungsamts Würzburg vom 15. Mai 1952, durch das die Berufung gegen den Bescheid der Landesversicherungsanstalt Unterfranken, Abteilung Körperbeschädigte, (jetzt Versorgungsamt) Würzburg vom 10. September 1948 zurückgewiesen worden ist, war im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Sozialgerichtsgesetzes vom 3. September 1953 beim Bayerischen Landesversicherungsamt rechtshängig. Er ist nach § 215 Abs. 3 SGG als Berufung im Sinne der §§ 143 bis 159 SGG auf das Bayerische Landessozialgericht in München übergegangen. Dieses hat die Berufung mit Urteil vom 19. Juli 1954, zugestellt am 13. August 1954, zurückgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 4. September 1954 beim Bundessozialgericht eingegangene Revisionsschrift der Revisionsklägerin vom 2. September 1954, die diese ohne Stellung eines Antrages und unter Ankündigung der Nachreichung der Begründung persönlich unterschrieben hat. Sie hat diesem Schreiben eine Vollmacht für ihre Vertretung durch ... beigefügt. Unter dem 29. September 1954 hat der ... die Vertretung der Revisionsklägerin angezeigt und einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gestellt. Dieses Schreiben ist am 1. Oktober 1954, die Begründungsschrift, die einen bestimmten Antrag enthält, am 22. Oktober 1954 beim Bundessozialgericht eingegangen.
Das Landessozialgericht hat die Revisionsklägerin in seiner ausführlichen Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Revisionsschrift und die Begründungsschrift von einem vor dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet sein müssen. Die Revisionsklägerin ist weiter darüber unterrichtet worden, wer als Prozeßbevollmächtigter vor dem Bundessozialgericht zugelassen ist.
Nach der zwingenden Vorschrift des § 166 Abs. 1 SGG über die Vertretung durch einen Prozeßbevollmächtigten können Prozeßhandlungen im Revisionsverfahren durch die dem Vertretungszwang unterliegenden Beteiligten selbst rechtswirksam nicht vorgenommen werden. Zu den Prozeßhandlungen gehört auch die Einlegung der Revision, durch die das Verfahren vor dem Bundessozialgericht eingeleitet wird. Die von der Revisionsklägerin persönlich unterzeichnete Revisionsschrift entspricht nicht diesen gesetzlichen Erfordernissen. Hieran ändert auch nichts die Tatsache, daß die Revisionsklägerin der Revisionsschrift eine Vollmacht für die Vertretung durch den ... beigefügt und daß dieser innerhalb der von ihm beantragten Fristverlängerung eine den formellen Bestimmungen entsprechende Revisionsbegründung vorgelegt hat. Die Vertretung durch einen nach § 166 Abs. 2 SGG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten wird erst mit dem Eingang der von ihm unterzeichneten Anzeige seiner Vertretung wirksam. Die vorherige Übersendung einer Vollmacht durch die dem Vertretungszwang unterliegende Partei ist rechtlich bedeutungslos, solange sich der Vertreter nicht meldet. Der Prozeßbevollmächtigte hat erst am 1. Oktober 1954, also nach Ablauf der Revisionsfrist, seine Vertretung angezeigt und Erklärungen zur Sache abgegeben. Diese verspätete Anzeige kann die formellen Mängel der Revisionsschrift nicht heilen. Die dem öffentlichen Recht angehörenden, zwingenden Bestimmungen des Sozialgerichtsgesetzes über die Vertretung durch Prozeßbevollmächtigte sind im Interesse der Beteiligten ergangen. Sie sollen sicherstellen, daß sich die Parteien, soweit sie dem Vertretungszwang unterliegen, bereits bei der Einlegung der Revision des Rates und der Hilfe von sach- und rechtskundigen Prozeßbevollmächtigten bedienen. Dieser Zweck würde vereitelt, wenn sich ein zugelassener Prozeßbevollmächtigter erst nach Ablauf der Frist als Vertreter melden und die vorher von der Partei vorgenommenen rechtlich unwirksamen Erklärungen genehmigen könnte. Damit würde die erstrebte ordnungsgemäße Revisionseinlegung nicht gewährleistet. Vielmehr muß eine den formellen Erfordernissen des § 166 SGG entsprechende Revisionsschrift bereits von einem Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet sein. Seine fehlende Unterschrift kann daher nach Ablauf der Revisionsfrist nicht mehr nachgeholt und der Mangel auch nicht durch Genehmigung geheilt werden (so auch Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. zu § 166 SGG im Gegensatz zu Hastler, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 1 zu §§ 166, 167 SGG, der für seine abweichende Auffassung keine Begründung gibt).
Die Revision mußte somit gemäß § 169 Satz 2 SGG als unzulässig verworfen werden, ohne daß zu prüfen war, ob sie nicht auch noch aus anderen Gründen unzulässig ist.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen